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Berlin: In Berlin wird immer weniger gegackert Abschied vom Landleben:

Die Zahl der Nutztiere nimmt ab

Ist der Deutsche gut gelaunt, wünscht er sich schon mal, er wär ein Huhn. Dann hätte er, so die landläufige Meinung, nicht viel zu tun, legte nur jeden Tag ein Ei und sonntags auch mal zwei. Jeder hat so seine Träume, aber warnen muss man ihn doch: Er möge Huhn sein, wo immer er wolle, nur nicht in Berlin! Dort gehört das Federvieh offenbar zur aussterbenden Gattung.

Alle zwei Jahre macht sich das Statistische Landesamt Berlin daran und zählt das liebe Vieh. Agrarstrukturerhebung heißt das, dazu gehört auch noch mehr, etwa die Frage nach dem großstädtischen Ackerland, aber was ist das schon gegen das traurige Schicksal des Berliner Huhns: Exakt 2738 Exemplare gibt es davon noch, mit Gänsen, Enten, Truthähnen werden es immerhin 2819 Tiere, was aber gegenüber 2001 einen Rückgang von 56,7 Prozent bedeutet. Und man ziehe erst mal die Daten früherer Jahrzehnte heran: 1967 etwa waren es allein in West-Berlin noch 370110 Vögel, ein Boom, den die Stadt vor allem einem Neuköllner Großbetrieb, „Hühnersilo“ genannt, verdankte. Doch auch nach dessen Pleite waren es fünf Jahre später noch immer eine Viertelmillion Tiere.

Auf Nachfrage verweisen die Statistiker darauf, dass es diesmal eben vier Hühnerbetriebe weniger seien als vor zwei Jahren, das wirke sich auf die Hühnerzahl dann so aus. Auch beim Landesableger des Deutschen Bauernverbandes sorgt man sich wegen des Berliner Hühnerschwunds nicht allzu sehr, verweist darauf, dass es eben in der Stadt nur wenige Betriebe gebe, und wenn davon der eine oder andere dicht macht, schrumpft eben die Hühnerpopulation.

Eine längerfristige Wende im Lebensstil der Berliner meint dagegen Detlef Aue, Inhaber der Aue GmbH, Geflügelfarm Wittenau, in der Hermsdorfer Straße 72 festgestellt zu haben. Wobei Hühnerfarm nicht allzu wörtlich zu nehmen ist. Aues Vorgänger hatte noch Hühner gehalten, Aue dagegen, der den Betrieb 1991 übernahm, verkauft nur bestellte Hühner, die er aus einem Betrieb in Westdeutschland bezieht, dazu aber alles, was man zur Hühnerzucht benötigt, von Brutapparaten bis zu Futtermitteln.

Die Zeiten sind für ihn nicht günstig: Die Hühnerhaltung sei stark rückgängig, gerade durch den Abzug der Alliierten sei der Absatz stark gesunken. Auch sei bei den Berlinern das Halten von Hühnern nicht mehr in. Früher, so erinnert Aue sich, hatten viel mehr Familien ihre paar Hühner, eine Familientradition, die oft der Großvater eröffnet hatte, der die Tiere pflegte, fütterte und zum Schluss auch schlachtete. Die jungen Familien wollten dies oft nicht mehr, im Supermarkt seien die Eier billiger, und die Kinder fänden sowieso die Hühnerhaltung eklig.

Aber reiten wollen sie, und das auf richtigen Pferden. Deren Bilanz sieht daher ungleich günstiger aus: 503 Tiere, nur 2,3 Prozent weniger als 2001. Schon schlechter ist es um Rinder (405, 16 Prozent minus) und Schweine (104, 12,6 Prozent minus) bestellt. Auch die Zahl der Tierhalter ist erheblich gesunken: von 37 auf 33, das sind 10,8 Prozent weniger. Und der Trend weg vom Lande erscheint besonders dramatisch, stellt man nur einmal die Zahlen von 1996 dagegen: 192 Viehhalter, 2740 Pferde, 1010 Rinder, 1205 Schafe und rund 16400 Stück Geflügel. Bei Witwe Bolte hätten Max und Moritz nicht mehr viel zu holen.

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