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Berlin: In der Berliner Schwartzschen Villa lernt man mit extrem leisen, ein- bis achtmalig wiederholten einzelnen Tönen der tiefsten Oktave hören

In Kassel steht an einem Hang ein vierzehn mal vierzehn Meter großer Rahmen aus grobem Stahlgitter, durch den der Blick auf einen kleineren Messingrahmen und weiter auf die barocke Parkanlage der Karlsaue fällt. Die "Landschaft mit Dia" der Künstlergruppe Haus-Ruck-Co, 1977 zur sechsten Documenta errichtet, lädt den Spaziergänger ein zur ästhetisierenden Wahrnehmung seiner Umgebung.

In Kassel steht an einem Hang ein vierzehn mal vierzehn Meter großer Rahmen aus grobem Stahlgitter, durch den der Blick auf einen kleineren Messingrahmen und weiter auf die barocke Parkanlage der Karlsaue fällt. Die "Landschaft mit Dia" der Künstlergruppe Haus-Ruck-Co, 1977 zur sechsten Documenta errichtet, lädt den Spaziergänger ein zur ästhetisierenden Wahrnehmung seiner Umgebung.

Eine ähnliche Wirkung erzielt Michael Pisaro mit seinem Flötensolo "within I" (1996), das Antoine Beuger im ersten Wandelweiser Werkstattkonzert in der Schwartzschen Villa zur Aufführung brachte. Die extrem leise, eigentlich kaum wahrnehmbare ein- bis achtmalige Wiederholung einzelner Töne der tiefsten Oktave des Instruments schafft eine Situation akustischer Konzentration, die Raum lässt für das Geschirrklappern aus dem Café und die ruhigen Brems- und Anfahrgeräusche, die von der nahen Bushaltestelle herüberklingen. Jene Sensibilisierung des Hörens, die zu den Hauptanliegen der inzwischen ubiquitären Klangkunst gehört, gelingt hier ohne medialen Schnickschnack, mit den einfachen Mitteln des Konzerts.

Dass Musik nicht laut und selbstbewusst tönen muss, ist eine die Komponisten der Wandelweiser-Gruppe verbindende ästhetische Prämisse. In Beugers eigenem Werk "calme étendue 2" (1996/98) prägt die musikalische Erfahrung sogar das Unhörbare bloßen Erwartens. Denn dieses "Duo" zerfällt in zwei Soli, die Flöte verstummt, wenn nach über einer halben Stunde die Violine (Burkhard Schlothauer) einsetzt. Das Hören der leisen, in sehr ruhigem Puls mit großem Abstand der Lippen vom Mundstück gespielten, geräuschhaft fahlen Flötentöne ist bald bestimmt von der Furcht vor dem Geigeneinsatz, der tatsächlich, wegen seiner instrumentalen Gegebenheiten, nicht wegen mangelnder Einfühlung des Musikers, in dem kleinen Saal grob und aufdringlich erscheint. Wann klang eine Geige jemals so laut?

Schlothauers "Events Nr.2" (1996/98) legten schließlich Zeugnis ab von der Unmöglichkeit, dem Streichinstrument verschwindend leise Töne zu entlocken. Langsame Bogenbewegung und geringer Druck führen unweigerlich zum Zerbröseln des Klanges, besonders im Kontrast zu den statischen, mit Whistle-Tones und Stimmeinsatz belebten Flötenklängen. Die Wandelweiser führen ihre Schule des Hörens fort - von nun an am jeweils letzten Mittwoch des Monats in der Schwartzschen Villa in Steglitz.

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