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Berlin: In der Chemiestunde brennt die Luft

Die Lehrer der Caspar-David-Friedrich-Realschule veranstalten mit ihren Schülern Unterricht zum Mitmachen.

Von Claudia Keller

Schulen machen sich fit für die Zukunft – und der Tagesspiegel ist dabei. Nach dem schlechten Abschneiden Berlins bei der Pisa-Studie stellen wir Schulen vor, die Eigeninitiative und Kreativität groß schreiben. Im 9. Teil der Serie besuchen wir die Caspar-David-Friedrich-Realschule in Hellersdorf, wo Schule und Freizeit nicht mehr getrennt werden: Mathe, Deutsch, Englisch werden beim Drehen von Videos, beim Komponieren von Musik oder beim Bau von Bühnenbildern gelernt – morgens im Unterricht und nachmittags im hauseigenen Jugendclub. Die Hellersdorfer nehmen am Pilotprojekt SQIB zur Förderung der Schulqualität in Berlin teil.

Die Schule: Wollen Sie unser Video sehen? Und den Fernsehfilm? Und die Cutter-Anlage? Rüdiger, Christoph und Thomas überschlagen sich, die Videowerkstatt vorzuführen. So stolz sind sie. Denn die Top-Ausstattung wurde vom Preisgeld gekauft, das die 15-Jährigen im vorigen Jahr beim Lego-Video-Wettbewerb in München gewonnen haben. Nebenan spielen sechs Mädchen Gitarre, andere töpfern, lernen perspektivisches Zeichnen und hämmern auf Keyboards ein. Im Clubraum stehen Tischfußball und Tischtennisplatte, an den Wänden hängen großformatige schwarz-weiße Porträtfotos und ein getöpfertes Wandrelief. Es zeigt die Berliner Skyline. Auch sie wurde ausgezeichnet: mit dem Alex 2002. Obwohl die Uhr schon drei zeigt, ist eine Menge los. Für viele der 420 Schüler ist der Jugendclub zum zweiten Zuhause geworden.

Das Besondere: 1993 wurde die Schule mit dem Schwerpunkt Kunst gegründet. Man wollte nicht einfach den traditionellen Unterricht mit Musik- und Tanzkursen am Nachmittag aufpeppen, sondern Musik machen, Schreiben, Designen, Theater spielen und Filme drehen sollten im Mittelpunkt der Unterrichtsstunden stehen.

Vor zwei Jahren wurde von der Schulverwaltung und vom Landesinstitut für Schule und Medien das Pilotprojekt „SQIB“ gestartet – mit dem Ziel, dass die beteiligten Häuser für sich ein Profil erarbeiten und ein Schulprogramm, das die Zusammenarbeit der Lehrer und Selbstkontrolle innerhalb der Schulen fördert.

Die Hellersdorfer wollen sich im künftigen Schulprogramm zu noch lebensnäherem und effektiverem Lernen verpflichten. Schon jetzt ist der Unterricht größtenteils projektorientiert und fächerübergreifend. Geschichte und Sprachfertigkeit werden zum Beispiel beim gemeinsamen Schreiben eines mittelalterlichen Theaterstücks gelernt, Computerkenntnisse beim Erstellen der eigenen Homepage, Chemie beim Einsatz einer Nebelmaschine während eines Feueralarms. Die Lehrer sind überzeugt, dass ihre Schüler leichter lernen, wenn sie nicht das fertige Produkt vorgesetzt bekommen, sondern sich an seiner Entstehung beteiligen.

Im schulinternen Jugendclub, der vom Verein Förderband, der Jugendstiftung und dem Bezirk getragen wird, sind die Schüler bis 18 Uhr aufgehoben – die berufstätigen Eltern freuen sich. Bildungs- und Jugendarbeit gehören dort zusammen. Professionelle Streitschlichter gehen dazwischen, wenn Probleme zwischen den Jugendlichen zu eskalieren drohen. „Gewalt ist bei uns kein Thema“, sagt Schulleiter Heino Schön.

Schüler, Eltern und Lehrer: Die 15-jährige Ivonne Entrich weiß, was sie mal werden will: Schauspielerin. Die Jungs aus dem Videoclub wollen einen Beruf in den Medien, einige haben schon Praktika beim SFB absolviert. „Weil die Schule mehr bietet als pures Lernen und die ganze Persönlichkeit entwickelt, sind meine Töchter hoch motiviert“, sagt Klaus-Peter Höhnisch vom Elternbeirat. Die Lernlust der Schüler ist messbar: Mehr als die Hälfte verlässt die Schule mit einer Empfehlung fürs Gymnasium, andere finden in kurzer Zeit Lehrstellen, etliche sind schon als Kostüm- und Bühnenbildner untergekommen. Die 30 Lehrer arbeiten eng mit den Eltern zusammen. Gemeinsam haben sie das Leitbild „Kunst und Leben“ für ihre Schule entwickelt, gemeinsam organisieren sie Fortbildungen und entwerfen das Schulprogramm.

Was es kostet: Der Bezirk hat Gelder für ein Großteil der Computer gegeben. Weitere Ausstattung konnte von Preisgeldern gekauft werden, das die Schüler bei Wettbewerben gewonnen haben. Die Beteiligung an Ausschreibungen bringt natürlich nicht nur Geld, sondern auch enorme Motivation. Dennoch musste der Schülerclub in den vergangenen Wochen schließen, weil die Kassen leer waren.

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