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Berlin: In der Osterkirche fremdgehen

SONNTAGS UM ZEHN „Möchten Sie eine Tasse Kaffee?“, wird die fremde Besucherin am Ostermontag freundlich eingeladen, doch mit an einem der runden Tische Platz zu nehmen.

SONNTAGS UM ZEHN

„Möchten Sie eine Tasse Kaffee?“, wird die fremde Besucherin am Ostermontag freundlich eingeladen, doch mit an einem der runden Tische Platz zu nehmen. Es duftet nach Eierkuchen, Falafel, Lachshäppchen, würzigem Schinken und anderen feiertäglichen Frühstücksköstlichkeiten. Wir sind hier nicht in einem Lokal, sondern in der Evangelischen Osterkirche in Wedding. An der Längsseite des kirchlichen Baudenkmals, das zu seiner Einweihung am 18. Juni 1911 nach dem christlichen Fest der Hoffnung benannt wurde, hatte ein buntes Plakat zur Osterfeier eingeladen. Was es mit diesem Fest auf sich habe, wollte Pfarrerin Dietlind Stobbe vermitteln – an Christen und Muslime, an Religiöse und Atheisten. Etwa drei Dutzend kleine und große Besucher folgten dazu gestern Vormittag dem Ruf der Glocken vom vierzig Meter hohen Turm des Gotteshauses in der Samoa/ Ecke Sprengelstraße.

Gebete werden heute, am Ostermontag, nicht gesprochen. Das Halleluja, das in dem Lied „Wir wollen alle fröhlich sein“ die Auferstehung Jesus Christus bejubelt, hat heute auch nur einen schwachen Chor. Um so lauter sind die kleinen Besucher, denen die zivil hell statt dienstlich schwarz gekleidete Pastorin Mut macht, zum Altar zu kommen, an dem bunte Ostereier in einem Birkenstrauß hängen. Geführt von drei jungen Frauen aus der Gemeinde gehen die kleinen Weddinger auf eine symbolische Reise. Sie beginnt mit Trauer und endet mit der glücklichen Entdeckung: Jesus lebt. Mit einfachen und verständlichen Worten macht die Pfarrerin das Ostergeschehen als Sieg des Lebens und der Hoffnung über den Tod deutlich.

Genau in dem Moment läuft ein kleines Mädchen laut weinend vom Altar in die tröstenden Arme ihrer Mutter – im Gedränge der Kinderschar gibt es wohl ein kleines Malheur. Das ist schnell vergessen – nach den geistlichen winken jetzt leibliche Genüsse, und Ostereier sollen ja auch noch gesucht werden. Freunde solle man dazu schnell noch anrufen, fordert die Pastorin die Kirchenbesucher auf, denn Youssef habe wieder mehr als genug für das Büfett gemacht. So heißt der junge Ägypter, dem man bei der Arbeit zusehen kann – die Küche im Glaskasten des Eingangsbereichs ist wie die Kirche: offen.

Erika Hauser ist mal wieder in der Osterkirche „fremdgegangen“. Das macht das Mitglied der Katholischen St. Josephgemeinde ein bis zwei Mal im Monat. In der Osternacht war sie in „ihrer“ Kirche in der Müllerstraße. Zum Gottesdienst am Sonntag und Montag besuchte sie dann die Osterkirche. „Ökumenisch leben“ nennt sie das. Sie will nicht bis zum Kirchentag darauf warten. Ostersonntag war sie etwas traurig. „Der Papst hat mir ja verboten, hier auch das Abendmahl einzunehmen“, sagt Erika Hauser, „als wenn der liebe Gott am Himmelstor frage, wer katholisch oder evangelisch sei.“ hema

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