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Berlin: In die Havel gesprungen

Ein 79-Jähriger irrt nachts verletzt durch Spandau. Die Brandwunden schmerzen, da rennt er zum Fluss.

Der Mann stand unter Schock, er war eine Stunde lang durch die Spandauer Nacht geirrt, zwei Kilometer weit, obwohl er schwerste Brandverletzungen hatte. Dann sah der 79-Jährige offenbar keinen Ausweg mehr und sprang mitten in der Nacht in die Havel, gleich hinter dem Rathaus, wo bei diesen Temperaturen nachts niemand im Park saß, ihn niemand bemerkte.

Der 79-Jährige habe seine Brandwunden kühlen wollen, hieß es am nächsten Morgen bei der Feuerwehr. Er sei dann aus dem Fluss geklettert und „klitschnass“ im U-Bahnhof am Rathaus von Rettungskräften aufgegriffen worden. Der Mann stand unter Schock und wurde mit einem Hubschrauber er ins Krankenhaus Marzahn geflogen. Am Montagabend kämpften die Ärzte noch immer um sein Leben.

Die Rettungskräfte hatten den 79-Jährigen um 0.56 Uhr aufgegriffen. Als sie mit Rettungstransportern, Polizeiwagen, Sanitätern am U-Bahnhof eintrafen, war schnell klar, woher dieser Mann, der völlig durchnässt und schwer verletzt war, stammte. Ziemlich genau eine Stunde zuvor, um 23.48 Uhr, war zwei Kilometer entfernt eine Wohnung in einem Seniorenwohnheim in Flammen aufgegangen. Und ein 79 Jahre alter Mann wurde vermisst.

Vieles ist am Morgen danach unklar, was im Eiserfelder Ring genau geschehen war. Die Straße liegt im sozial schwierigen Spandauer Ortsteil Falkenhagener Feld, ein Wohnheim mit 90 Ein-Zimmer-Apartments befindet sich hier. Die meisten älteren Menschen lagen im Bett, als um 23.48 Uhr Sirenen zu hören waren, Blaulicht die Nacht erhellte. Im Erdgeschoss des fünfstöckigen Gebäudes stand ein Apartment in Flammen. Nach Angaben einer Sprecherin des städtischen Wohnungsunternehmens Gewobag, dem das Gebäude gehört, hatten zwei junge Männer die Feuerwehr alarmiert. Sie hatten gesehen, dass Flammen im Erdgeschoss loderten.

Weil es zu einer starken Rauchentwicklung in den Fluren kam und auch die Apartments im zweiten und dritten Stock in Mitleidenschaft gezogen wurden, rückten 100 Feuerwehrmänner mit zehn Lösch- und Rettungswagen an. Vier Bewohner des Seniorenwohnheims wurden mit dem Verdacht auf Rauchvergiftung in Krankenhäuser gebracht. Weitere 20 Senioren mussten wegen des Rauchs den Großteil der Nacht im Freien verbringen.

Der 79-jährige Bewohner des Apartments aber, in dem der Brand ausgebrochen war, war spurlos verschwunden. Als die Löscharbeiten in vollem Gange waren, kam die Nachricht vom Bahnsteig: Mitarbeiter der BVG waren nach Angaben der Feuerwehr über Videokameras auf „eine schwer brandverletzte Person“ auf dem Bahnhof aufmerksam geworden und hatten die Sanitäter alarmiert.

„Der Mann hatte vermutlich in seiner Wohnung mit brennbaren Substanzen hantiert“, sagte ein Polizeisprecher. Warum der Mann dies tat und um welche Substanz es sich handelte, war am Montagnachmittag unklar. Der 79-Jährige wies lebensgefährliche Brandverletzungen an Händen, Beinen und am Körper auf. Im Unfallkrankenhaus Marzahn wurde er in ein künstliches Koma versetzt, nach Angaben einer Sprecherin des Krankenhauses ist der Mann nicht vernehmungsfähig. „Sein Zustand ist äußerst kritisch, es besteht akute Lebensgefahr.“

Die Aufräumarbeiten am Seniorenheim dauern an. „Der Mann hat offensichtlich das Leben seiner Mitbewohner aufs Spiel gesetzt“, sagte eine Gewobag-Sprecherin. In der Nacht, gegen 3.30 Uhr, hatten die Bewohner in ihre Apartments zurückkehren dürfen. Timo Kather

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