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Berlin: In diesem Jahr ziehen voraussichtlich weniger Berliner ins Umland - und mehr Brandenburger nach Berlin

Ab 2005 soll die Stadt wieder wachsenJörn Hasselmann Trendwende bei den Abwanderungen: Erstmals zogen 1999 weniger Berliner ins Umland als im Jahr zuvor. In diesem Jahr verlassen voraussichtlich 36 800 Bürger die Stadt.

Ab 2005 soll die Stadt wieder wachsenJörn Hasselmann

Trendwende bei den Abwanderungen: Erstmals zogen 1999 weniger Berliner ins Umland als im Jahr zuvor. In diesem Jahr verlassen voraussichtlich 36 800 Bürger die Stadt. 1998 waren es 41 500. Dies geht aus einer internen Hochrechnung des Statistischen Landesamtes hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Da auch immer mehr Brandenburger nach Berlin ziehen, verliert die Stadt im Saldo nur noch 24 400 Menschen ans Umland. In etwa fünf Jahren wird sich der jährliche Verlust auf 7000 einpendeln, erwarten die Statistiker. Vom Jahr 2005 an soll Berlin dann in der Gesamtbilanz sogar wachsen.

Der Höhepunkt der Abwanderung ins Umland sei überschritten, sagte Jürgen Paffhausen vom Statistischen Landesamt gestern. In den Jahren nach der Wende war die Zahl der Fortzügler Jahr für Jahr dramatisch gestiegen. Unter einer ähnlichen Stadtflucht haben in den Jahrzehnten zuvor auch andere deutsche Großstädte gelitten, auch dort habe sich mittlerweile der Drang ins Grüne verlangsamt.

Die Hochrechnung der Statistiker für das ganze Jahr 1999 beruht auf einer Fortschreibung der Zahlen vom ersten Halbjahr. In den ersten sechs Monaten zogen 18 000 Menschen von Berlin nach Brandenburg. 9500 nahmen den umgekehrten Weg. Im Vergleichszeitraum 1998 zogen 21 000 Menschen ins Umland und 9400 von dort rein. Die Zahlen aus den alten und den neuen Bundesländern sind längst nicht so hoch. Mit den alten Ländern wird Berlin in diesem Jahr ein Wanderungsplus von 2800 haben, mit den neuen Ländern (ohne Speckgürtel) sogar von fast 5000, prognostizieren die Statistiker. Auffällig ist in diesem Jahr auch, dass mit 10 600 Menschen erstmals wieder mehr aus dem Ausland kommen. 1997 (Saldo minus 1000) und 1998 (minus 400) verließen mehr Menschen die Stadt ins Ausland.

Das Land Berlin freut sich vor allem, dass die Bewegung ins Umland gestoppt ist, vor allem die Finanzsenatorin. Denn durch das starke Ausbluten wurde die Stadt doppelt gestraft. Zum einen sanken Einnahmen aus der Einkommenssteuer, zum anderen Zuschüsse aus dem Länderfinanzausgleich. Denn in den 90er Jahren waren es vor allem "die besser Verdienenden, die Mobilen, die Starken und die jungen Familien mit Kindern", die vor die Tore der Stadt gezogen sind, sagt Julian Wékel aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Dies belastete nicht nur die Kassen, sondern auch die sozialen Strukturen, betont Wékel: "Ich hoffe, dass der Trend jetzt gestoppt ist."

Die Einwohnerzahl Berlins - am 1. Januar 1999 waren es 3,399 Millionen - werde noch etwa fünf Jahre leicht sinken. Etwa ab dem Jahr 2005, spätestens ab 2010 sei wieder eine Bevölkerungszunahme in Sicht, sagt Wékel. Etwa ab 2005 werde sich die Wanderungsbilanz mit dem "engeren Verflechtungsraum" auf minus 7000 eingependelt haben.

Diese Zahlen entstammen einer Bevölkerungsprognose, die die Senatsverwaltung derzeit erstellt und im Januar veröffentlichen will. Ein derartiger Verlust von 7000 Einwohnern pro Jahr an das Umland sei nach Angaben von Statistikern ein für Großstädte üblicher Wert. Die häufig gestellte Frage, wie viele vom Landleben Frustrierte schon wieder zurück in die Stadt gezogen sind, lässt sich mit der Statistik nicht beantworten. Viele dürften es noch nicht sein. "Das kommt erst noch", meint Wékel. In 10 bis 15 Jahren werde es ein Trend, dass die Leute zurückkehrten. Dann nämlich, wenn die Kinder aus dem Haus seien, und sich die 50-Jährigen zwischen Gartenzwerg und Fertiggarage nach dem Trubel der Großstadt zurücksehnten. Noch locken die eigenen Quadratmeter Grün. Eine Befragung ins Umlang gezogener Berliner habe ergeben, dass vor allem die unattraktiven Lebensbedingungen der Innenstadt ausschlaggebend waren, sich ein neues Heim zu suchen.

Positiv wirkt sich der gebremste Drang ins Grüne auch auf die Zahl der Pendler aus. Derzeit fahren nach ADAC-Angaben 150 000 Arbeitnehmer täglich mit dem Auto und 50 000 mit Regionalzügen nach Berlin. 50 000 Berliner pendeln täglich ins Umland. Der ADAC fordert wegen der Pendler neben neuer Straßen eine Fusion der beiden Länder, um die Verkehrspolitik besser abzustimmen. Die Bahn dagegen verweist auf viele Schienen, die seit der Wende wieder die Stadt mit dem Umland verbinden.

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