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Berlin: „In Gedanken sind wir alle in New York“

Wie die Berliner Feuerwehr amerikanische Kollegen und Hinterbliebene unterstützt

Die Feuerwehrmänner hissen die US-Flagge inmitten der Ruinen, mit dieser typischen Mischung aus Trotz, Stolz und Unerschütterlichkeit. Vom World Trade Center blieb einzig das einer Kathedrale ähnelnde Stahlgerüst. „Image of Hope“ steht unter den Figuren auf der Spieluhr. „Die ist Amerikanisch hoch Drei“, sagt Albrecht Broemme, „aber sie ist ein Geschenk, das von Herzen kommt.“ Kollegen der New Yorker Feuerwehr haben sie dem Berliner Landesbranddirektor überreicht – als Dankeschön für die gewachsene Partnerschaft zwischen den Feuerwehren beider Städte.

Berlins Feuerwehrchef ist der 11. September so gegenwärtig, als wäre er gestern gewesen. Broemme war zu Gast bei der Amtseinführung des Chefarztes im Bundeswehrkrankenhaus, als er den Anruf erhielt: „Da sind Flugzeuge in die Türme gekracht.“ Weder die Sanitäts-Generäle noch die Militärattaches schenkten ihm Glauben: „Die hielten mich für verrückt.“ Bis Broemme mit Blaulicht zum Innensenator verschwand. Der Landesbranddirektor wusste sofort, was sich da in den Wolkenkratzern abspielt. „Ich kannte die Hochhausrettungspläne von früheren Besuchen in Manhattan.“ Danach lag er das erste Mal in seinem langen Berufsleben nachts wach. In diesen Tagen der Verzweiflung wurde die Idee geboren, helfen zu wollen: „Wir holen Hinterbliebene nach Deutschland, um ihnen Abstand vom Unfassbaren zu ermöglichen.“ Das war der Beginn der „Feuerwehr-Brücke Berlin – New York“.

Die erste Gruppe mit Kindern verstorbener Kollegen kam im Sommer 2002 nach Berlin. Eigentlich sollten die Gäste drei Wochen bleiben. „Doch das Programm mussten wir verkürzen – welcher Amerikaner hat schon so lange Urlaub.“ Im Spendenfonds (Verwendungszweck: „Feuerwehr-Brücke 0565/51193/200“, Kontonr. 0990007600, Sparkasse, Bankleitzahl 10050000) sind derzeit 10000 Euro. „Damit wollen wir die nächsten Reisen finanzieren:“ In diesem Jahr wurden die Aufenthalte von „Fire Fighters“ in Lindau und Wangen bei befreundeten Freiwilligen Feuerwehren ermöglicht. Es kamen Männer, die erst zwei Jahre nach dem Terroranschlag wieder reisefähig waren, die sich mit Kollegen austauschen konnten, die wenigstens erahnen, was man bei so einem Einsatz alles durchmacht. Die Berliner Feuerwehr hilft Hinterbliebenen aber auch direkt in der Heimat und unterstützt einen Spendenfonds für die Ausbildung junger Waisen (Checkpoint Charlie Stiftung, Kontonummer 8848051064, Berliner Volksbank, Bankleitzahl 10090000).

Denn die 12 500 „Fire Fighter“ in New York genießen zwar ein hohes Ansehen, verdienen aber im Vergleich zu den Berliner Kollegen wenig. „Viele haben einen zweiten Job“, weiß Albrecht Broemme. So sei der Kameramann, der den Berlin Marathon am 28. September vom Motorrad aus fürs Fernsehen filmt, im Hauptberuf Feuerwehrmann in New York.

Durch den privaten und beruflichen Brückenschlag haben die Feuerwehren schon viel voneinander gelernt. New York hat sein Hilfssystem nach Berliner Vorbild ausgebaut, schickt bei Bedarf Feuerwehr und Notarztteam zum Einsatzort. Und in der Landesbranddirektion prüft man, ob das Lebensarbeitszeitmodell ein Vorbild für Berlin sein könnte. Ein unabhängiges internes Kommunikationssystem wie in den USA fehle für den Katastrophenfall hierzulande, sagt Broemme. Anregungen erhofft er sich beim nächsten Besuch von Kollegin Nancy Carbone, Fachfrau für „Special Operations“.

Mal sehen, welches Gastgeschenk sie mitbringt. In Broemmes Büro in der Feuerwache Voltairestraße in Mitte stehen US-Leiterwagenmodelle, hängen Urkunden „Awarded to Berliner Feuerwehr“ und Benefizkalender von Feuerwehrfrauen. Und einer der schweren New Yorker Feuerwehrhelme in Schwarz-Gelb mit Adlerkopf und der Zahl 343 – so viele Kollegen starben. Gibt es heute ein offizielles Gedenken? „Nein“, sagt Albrecht Broemme, „in Gedanken sind alle Feuerwehrmänner bei den Kollegen in New York.“

Annette Kögel

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