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Ein polnischer Polizist und sein deutscher Kollege überprüfen einen polnischen Lkw, beladen mit zwei Traktoren.

© Patrick Pleul/dpa

In Guben und Gubin: Deutsche und polnische Polizisten gehen zusammen auf Streife

Am Freitag ist schwarzer Tag für grenzüberschreitende Straftäter: In Guben und Gubin gibt es jetzt deutsch-polnische Polizeistreifen.

Von Sandra Dassler

Ein 73-Jähriger wird am helllichten Tag unter einer Eisenbahnbrücke von einem schwarz gekleideten Kapuzenmann brutal vom Fahrrad gerissen, mit Pfefferspray traktiert, getreten und geschlagen. Mindestens zwei weitere Täter nimmt er wahr – und, dass diese nach dem Überfall über die Neiße nach Polen flüchten.

Fast fünf Jahre ist es her, dass eine Serie brutaler Raubüberfälle die Menschen in der Grenzstadt Guben in Angst versetzte: Ein ähnliches Schicksal wie der 73-Jährige erlitt eine 49-jährige Krankenschwester, die ebenfalls vom Fahrrad gezerrt wurde. Einen älteren Mann stießen die Täter eine Treppe hinunter, eine alte Frau schlugen sie brutal zusammen.

Die Angst wuchs mit jedem neuen Vorfall, viele Menschen verließen bei Dunkelheit ihre Wohnungen nicht mehr. Die Polizei reagierte, gründete eine Sonderkommission, schickte mehr Funkwagen und richtete gemeinsame Streifen mit polnischen Kollegen ein. Als im Februar 2015 der Kopf der Bande – ein drogenabhängiger 17-jähriger Pole – festgenommen werden konnte, atmete die ganze Stadt auf. Besser gesagt: die ganze Doppelstadt, denn auch in Gubin auf der anderen Seite der Neiße hatten der Täter und seine Bande zugeschlagen.

„Damals hatten wir schon daran gedacht, dass deutsch-polnische Streifen eigentlich zur Normalität in den Grenzregionen werden müssten“, sagt der Leiter der Polizeidirektion Süd, Sven Bogacz. Doch erst Monate später wurde mit dem deutsch-polnischen Polizeiabkommen eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen. Es erlaubte etwa nicht nur die sogenannte „Nacheile“ ins Nachbarland, also die Verfolgung eines Flüchtenden über die Grenze. Deutsche Polizisten durften nun in Polen auch Personalien kontrollieren und vorläufige Festnahmen vornehmen. Und umgekehrt.

Als das Abkommen 2015 in Kraft trat, fehlte es nicht an großen Reden, was die künftige gemeinsame Polizeiarbeit zwischen Deutschen und Polen anging. Im Alltag ließ sich das jedoch nur schwer durchsetzen. Das lag erstens daran, dass sowohl bei der brandenburgischen als auch bei der polnischen Polizei seit Jahren Personalmangel herrscht.

Ein deutsch-polnisches Team für Guben und Gubin

In Polen werden die Ordnungshüter zudem noch schlecht bezahlt, sodass mancher lieber im deutschen Supermarkt für gutes Geld an der Kasse sitzt, als für 1000 Euro Leben und Gesundheit zu riskieren. Das zweite und noch gravierendere Problem ist die Sprachbarriere.

Kriminalhauptkommissar Torsten Roch hat dieses Problem nicht. Er spricht ganz gut Polnisch und bekam wohl auch deshalb vom Südbrandenburger Polizeichef Sven Bogacz den Auftrag, aus den zeitweiligen, nur in Ausnahmefällen agierenden gemeinsamen Streifen eine dauerhafte Einrichtung zu machen. Nur mit der Hilfe vieler Kollegen, sagt er, habe er das geschafft.

Ab Freitag gibt es ein deutsch-polnisches Team für Guben und Gubin, bestehend aus zwei polnischen und drei deutschen Frauen und Männern: ausgerüstet mit eigenem Funkstreifenwagen, eigenem Logo, eigenem Dienstraum und Smartphones, denn polnische und deutsche Polizei benutzen unterschiedliche Funksysteme.

Die Stadthälften wachsen immer mehr zusammen

Jeden Werktag, bei Bedarf auch nachts und am Wochenende, werden die Polizisten nun in der Doppelstadt unterwegs sein: zu normalen Einsätzen wie etwa bei häuslicher Gewalt, aber auch mit präventiven Aufgaben, beispielsweise der Beratung von Unternehmen in Sachen Sicherheit. Eigentlich ziehe die Polizei dem normalen Leben nur nach, sagt Polizeichef Bogacz: „Die beiden Stadthälften wachsen ja immer mehr zusammen: Viele Gubiner wohnen in Guben, viele Gubener gehen in Gubin zum Zahnarzt oder Friseur.“ Und dennoch seien die von nun an täglichen gemeinsamen Streifen der Polizei etwas ganz Besonderes.

In Guben (Brandenburg) gehen eine polnische Polizistin und ein deutscher Polizeihauptkommissar gemeinsam auf Streife.
In Guben (Brandenburg) gehen eine polnische Polizistin und ein deutscher Polizeihauptkommissar gemeinsam auf Streife.

© Patrick Pleul/dpa

Zwar gibt es bereits seit 2007 das Gemeinsame Zentrum für deutsch-polnische Polizei- und Zollzusammenarbeit am ehemaligen Grenzübergang in Swiecko, aber das dient vor allem dem Informationsaustausch. „Die dort geleistete Arbeit ist für den Bürger nicht unmittelbar sichtbar“, sagt die Sprecherin der Polizeidirektion-Süd, Ines Filohn: „Tägliche gemeinsame Streifen – das ist etwas bislang Einzigartiges in den neuen Bundesländern. Wir sind schon ein wenig stolz, dass wir das geschafft haben.“

Leicht war es nicht. Die Finanzierung des Projekts erfolgt mit EU-Mitteln. Schon ihre Beantragung ist äußerst kompliziert, hier halfen die Mitarbeiter der Polizeischule und der Euroregion Spree-Neiße-Bober. Als hilfreich erwiesen sich auch die langjährigen guten menschlichen Kontakte zu den Kollegen in der Kommandantur der Woiwodschaft, also des Verwaltungsbezirkes, Gorzow und der Kreiskommandantur in Krosno, die wiederum ihre Vorgesetzten in Warschau ins Boot holten.

In Polen hängt es vom finanziellen Wert ab, ob etwas als Straftat bewertet wird

Für Polen hat naturgemäß nicht die Westgrenze zu Deutschland, sondern die EU-Außengrenze im Osten oberste Priorität. Die Polizisten, die dem gemeinsamen Team angehören, müssen nun sowohl die Sprache des Nachbarn erlernen sowie Grundkenntnisse in den unterschiedlichen Rechtssystemen.

So hängt es in Polen maßgeblich vom finanziellen Wert ab, ob etwas als Ordnungswidrigkeit oder Straftat bewertet wird. „Wenn man in Deutschland eine Tüte Bonbons für 75 Cent im Supermarkt mitgehen lässt, ist das Diebstahl“, sagt Torsten Roch. „Wenn man der polnischen Polizei meldet, dass ein 25 Jahre altes Fahrrad im Wert von 40 Euro gestohlen wurde, nehmen die das gar nicht als Straftat auf.“

Ein schwarzer Tag für Straftäter

Über ein gewisses Maß an interkultureller Kompetenz sollten die Kollegen ebenfalls verfügen, sagt Polizeisprecherin Filohn: „Andere Länder, andere Sitten. Für polnische Polizisten ist es undenkbar, in der Pause eine Dönerbude oder auch nur eine Eisdiele aufzusuchen. Die müssen damit rechnen, dass ein Bürger davon ein Foto macht und es etwa auf Facebook stellt.“

Torsten Roch ist jedenfalls zuversichtlich, dass das Projekt sehr schnell von den Bürgern geschätzt wird. Das beginne bei Verkehrsunfällen, wo man den anderen schon wegen der Sprache nicht verstehe, und ende bei der Verfolgung von schweren Straftaten.

Wenn es zum Beispiel in Guben zu einem Raubüberfall kommt und das deutsche Opfer die über die Grenzbrücke geflüchteten Täter beschreibe, könnten die polnischen Kollegen diese Beschreibung sofort nach Gubin durchgeben: „Für Straftäter in Guben und Gubin“, sagt Torsten Roch, „ist heute ein ganz schwarzer Tag.“

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