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Berlin: In Ludwigsfelde soll ein ungewöhnlicher Bau die Teilung der Stadt auflockern

Die Teilung der Stadt ist unüberhörbar. Pausenlos dröhnt der Lärm von der Autobahn sowohl nach Norden als auch nach Süden.

Die Teilung der Stadt ist unüberhörbar. Pausenlos dröhnt der Lärm von der Autobahn sowohl nach Norden als auch nach Süden. Kein Wunder, denn die etwas holprige Strecke führt auf einem guten Kilometer direkt durch die Stadt Ludwigsfelde. Keine Lärmschutzwand und keine dämpfende Asphaltschicht über die 1936 gegossenen und seitdem nur notdürftig reparierten Betonplatten halten den Krach auf. Dazu kommt das Nadelöhr mitten im Zentrum: Nur an einer einzigen Stelle ist die Autobahn und damit die Teilung zu überwinden. An einer Unterführung staut sich in den Hauptverkehrszeiten regelmäßig der Verkehr.

Jetzt endlich ist Besserung in Sicht. Seit dieser Woche liegen die Pläne für eine der ungewöhnlichsten Brandenburger Verkehrsbauten im Ludwigsfelder Rathaus aus. Nach den jetzt präsentierten Vorstellungen wird die Autobahn auf 330 Meter Länge auf riesige Stelzen gelegt. Zwischen den zwei Richtungsfahrbahnen mit künftig drei Spuren bleibt in der unmittelbaren Stadtlage ein zehn Meter breiter Streifen Platz. Er soll den etwas bedrohlichem Charakter der Autobahn mindern, die endlich eine fünf Meter hohe Lärmschutzwände erhält.

Bürgermeister Heinrich Scholl (SPD) wollte ursprünglich eine ganz andere Lösung erreichen. "Die Autobahn sollte in einem Trog unter der Erde verschwinden. Damit hätten wir die Bausünde aus den siebziger Jahren ein für alle Mal aus der Welt geschafft", sagt der 56-Jährige. Denn damals sei die Ausdehnung der Stadt nach Norden und damit über die Autobahn hinaus beschlossen worden. "Das war eine große Fehlentscheidung, da im Süden durchaus genügend Platz für neue Wohngebiete zur Verfügung stand", erzählt der Bürgermeister. Doch heute fehlt für eine völlige Aufhebung der Stadtteilung das Geld. Eine Untertunnelung würde 210 Millionen Mark kosten, der Stelzenbau schlägt nur mit 140 Millionen Mark zu Buche. Ende 2001 soll der ganze Verkehr auf den fünf Kilometern zwischen den Ausfahrten Ludwigsfelde West und Ost auf neuen Trassen rollen. Allerdings will Ludwigsfelde die Fahrzeugströme nicht nur oberhalb vorbeirollen sehen. Möglichst viele Autos sollen abfahren, um in der Stadt Geld zu lassen.

FOC lauten die drei Zauberbuchstaben, denn sie stehen für Factory Outlet Center. So ein Fabrikverkaufszentrum für nicht mehr ganz aktuelle Designerwaren ist nach wie vor unterhalb der Stelzenbrücke geplant. Zwar hatte die Stadt dem Berliner Investor EMG (Entwicklungs- und Managementgesellschaft) vor zwei Monaten den Stuhl vor der Tür gesetzt, doch die ehrgeizigen Pläne sind deswegen noch längst nicht aufgegeben, wie der Bürgermeister bestätigt.

Neben dem FOC waren unter anderem ein Multiplexkino, ein Erlebnisbad, ein Hotel, ein Bowlingzentrum und als Attraktion eine Einschienen-Eisenbahn für die stilvolle Beförderung der Kunden geplant. 25 000 Besucher täglich hatte die Investorengruppe EMG versprochen. Doch in ihren Plänen waren die Berliner offensichtlich von reichlich fließenden Fördermitteln und einer Verkaufsfläche von über 100 000 Quadratmetern ausgegangen. Jedenfalls speckten sie das ursprüngliche Projekt immer weiter ab, bis nach langen Verzögerungen am Ende nur noch das Factory Outlet Center übrig blieb. Jetzt soll in einer europaweiten Ausschreibung nach einem neuen Investor gesucht werden.

Im Vergleich zu Wustermark (westlich von Berlin) und Eichstädt (nordwestlich) gibt es gegen ein Fabrikverkaufszentrum in Ludwigsfelde die wenigsten Widerstände, jedenfalls von außerhalb. In der Stadt selbst wurden 1998 zwar 4000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen ein FOC gesammelt, die obersten Landesplaner von Berlin und Brandenburg stimmten aber dem Projekt dennoch zu. Denn es handele sich in Ludwigsfelde nicht um ein Center auf der grünen Wiese, sondern um eine Innenstadtbebauung, hieß es zur Begründung. Berliner Einzelhändler verzichteten sogar gänzlich auf den sonst üblichen Protest gegen eine vermeintlich neue Konkurrenz.

In seinen Gedanken sieht Bürgermeister Scholl schon die Einkaufstouristen durch eine lange Ladenpassage unter der Autobahn lustwandeln oder sich anderweitig amüsieren. "Etwas Besseres könnte unserem Zentrum nicht passieren", schwärmt der aus dem Baufach kommende Scholl. Einzelhändler hätten die langen Autobahnplanungen genutzt und sich eine Existenz aufgebaut. Niemand brauche sich vor einem FOC fürchten. Der Bürgermeister geht sogar vom Gegenteil aus. So ein Schnäppchenmarkt ziehe Leute in die Stadt und erhöhe den Umsatz auch in anderen Geschäften und Restaurants.

Er muß wohl so argumentieren, denn trotz Stelzen und Einkaufspassagen ist die Autobahn auch künftig nicht wegzureden. Nur die Teilung des Ortes wird durch zahlreiche Brücken vielleicht nicht mehr als ganz so brutal wie jetzt empfunden.

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