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Berlin: In Tempelhof ist Holzflugtag

Oldtimer-Piloten aus ganz Europa versammeln sich zu Himmelfahrt in Kyritz. Tags darauf machen sie mit ihren Veteranen einen Ausflug nach Berlin

Noch ist Tempelhof nicht verloren! In der Flughafengesellschaft mögen sie mit spitzen Fingern auf Zahlenkolonnen pochen, die dem traditionsreichen Airport mangelnde Rentabilität nachweisen und die umgehende Schließung nahe legen sollen. Doch an diesem Freitag wird dort die Zahl der Landungen und Starts sprunghaft steigen, ja, Tempelhof geradezu zum europaweiten Luftkreuz aufsteigen.

Irgendwann am Vormittag nähert sich dann von Westen her ein Brummen, Knattern, Dröhnen der Stadt. Pulks von fünf bis zehn Flugzeugveteranen werden nacheinander über der Avus auftauchen und Kurs nehmen auf die Siegessäule. Dort ergeht an sie vom Tower in Tempelhof die Aufforderung „Split off“, die Pulks zerfallen in einzelne Maschinen, die nun zur Landung ansetzen.

In Tempelhof ist Holzflugtag. Das ist ganz wörtlich zu nehmen: Gebaut vor 1970 und überwiegend aus Holz – so lauteten die Bedingungen, die Hubert Eckl und seine Mitorganisatoren für die „Kyritzer Holzflugtage“ aufgestellt haben. Im Beruf arbeitet er für die Berliner Bankgesellschaft, im Privatleben aber hat er sich der Oldtimer-Fliegerei verschrieben. Auf dem Flugplatz Kyritz-Heinrichsfelde, etwa 80 Kilometer nordwestlich Berlins, hat er eine Emeraude CP301 E von 1959 stehen – gewissermaßen der Leitvogel für die rund 50 Flugenthusiasten aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Italien, Schweden, ja selbst dem schottischen Inverness, die sich vom Donnerstag bis Sonntag zum Fly-In in Kyritz treffen und am Freitagvormittag mal eben kurz nach Tempelhof sausen – gutes Wetter vorausgesetzt. Acht Kilometer freie Sicht müssen bei diesen alten Kisten schon sein. Der Ausflug nach Berlin ist eine Spätfolge der Eröffnung der Luftfahrtabteilung im Technikmuseum vor wenigen Wochen. Im November hatte Eckl im Fernsehen einen Bericht über dessen Leiter Holger Steinle und seine geduldige Suche nach Flugzeugveteranen gesehen. Mit einem Freund vom Luftfahrtbundesamt hatte Eckl debattiert, wie viele fliegende Oldtimer es in Deutschland wohl noch gebe – Initialzündung zu einem Projekt, dessen Dimensionen ihn selbst überraschten. Mitteilungen in der Fliegerszene hatten gleich viel Zuspruch gefunden, aber bevor aus einer vagen Idee, mit Unterstützung des Flugsport-Clubs Kyritz und anderer Helfer, die „Holzflugtage“entstanden, war noch viel zu organisieren. Zum Beispiel war gründlich mit Flughafengesellschaft und Flugsicherung zu verhandeln, die beide sehr entgegenkommend waren, nicht zuletzt bei den Landegebühren. Millionäre seien die Oldtimer-Piloten ja nicht, gibt Eckl zu bedenken, vielmehr Bastler, die sich Ersatzteile nicht bequem aus dem Katalog bestellen können, sondern erfahrene Mechaniker, Veteranen auch diese, finden müssen, die das Benötigte in Einzelanfertigung zurechtfeilen.

Aber nun sind die Vorbereitungen abgeschlossen zum Besuch in Tempelhof, für Eckl die „Mutter aller Flughäfen“. Ein „museales Happening mit Witz und Ölgestank“ soll es werden, einschließlich Besuch im Technikmuseum, bevor es abends zurückgeht nach Kyritz. Dort können die Maschinen auch besichtigt werden, in Berlin sind sie nur aus der Ferne zu sehen, also da, wo sie hingehören: in der Luft. Der Methusalem unter den Holzveteranen ist dabei eine Jodel BeBe, ein einsitziger Tiefdecker von 1948. Zehn Jahre älter ist eine Stark Turbulent, die mit einem modifizierten Käfer-Motor ausgerüstet ist. Ein paar Doppeldecker gibt es auch, und nicht zuletzt die mit 100 PS motorisierte Emeraude CP301 E, die Eckl nach Tempelhof steuert.

CP – das steht für Claude Piel, den Namen eines in der Fliegerszene legendären französischen Konstrukteurs, der in den fünfziger Jahren zum Flugzeugbau kam. Aluminium war damals teuer, Stahl zu schwer, also besannen sich viele Flugzeugbauer wieder auf das Material der Frühzeit der Fliegerei: Holz, mit Vorliebe Buche und Birke. Claude Piel muss das entgegengekommen sein, schließlich war er Schreiner, hatte mit Holzmodellen angefangen, diese dann immer mehr den Originalen angenähert, bis er sich an einen richtigen Einsitzer wagte. Mit seinen elliptischen Flügeln erinnerte der deutlich an die „Spitfire“, mit der die Royal Air Force ein gutes Jahrzehnt vorher noch die Messerschmitts und Focke-Wulfs von Görings Luftwaffe gejagt hatte.

Solche Traditionen sollen bei den „Kyritzer Holzflugtagen“ aber keine Rolle spielen. „Frei von historischen Belastungen“, das ist Eckl wichtig. Die Maschinen haben ja auch nur eine zivile Vergangenheit, von einer Bücker Gomhouria MK 6 von 1966 mal abgesehen, die als Schulungsmaschine in der ägyptischen Luftwaffe beliebt war. Aber Luftkämpfe lassen sich damit nicht bestreiten, und schon gar nicht mit einem Fluggerät wie dem „Motorspatz“, einem umgebauten einsitzigen Segelflugzeug mit Wankelmotor. Es muss in Kyritz bleiben, eine Landung in Tempelhof wäre doch zu heikel: Der „Motorspatz“ hat keine Bremsen.

Näheres im Internet unter:

www.emeraude.de

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