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Berlin: Infame Beschimpfung kam mit der Rechnung: Täterin überführt Türkischer Friseur hatte beleidigenden Brief erhalten.

Die Handschrift verriet eine Mitarbeiterin der Krankenkasse

Es war eine unflätige Beschimpfung, die Saim Tufan in seinem Briefkasten fand: „Zahl endlich Du scheiss Kanake, sonst schneiden wir Dir Deinen dreckigen Schwanz ab“, las der Reinickendorfer Friseur entsetzt. Die anonyme Drohung, die er am 8. Januar zusammen mit einer Rechnung der Innungskrankenkasse (IKK) bekommen hatte, stammt mit größter Wahrscheinlichkeit von einer Mitarbeiterin der IKK. Das ergaben die graphologischen Untersuchungen der Schriftproben von Mitarbeitern, wie der Tagesspiegel jetzt erfuhr. Die Rechtsabteilung der IKK sei bereits informiert, hieß es – was im Klartext bedeutet, dass der kleine, handgeschriebene Notizzettel schwerwiegende arbeitsrechtliche Konsequenzen für die Mitarbeiterin haben wird. Ihr droht die fristlose Kündigung.

Wie berichtet hatte der 38-jährige Friseur türkischer Abstammung Anfang Januar eine Rechnung von der IKK-Filiale in der Keithstraße in Schöneberg bekommen, wie sie tagtäglich an unzählige Mitglieder verschickt wird. Er wird darin freundlich aufgefordert, den Rückstand in Höhe von 69 Euro und 20 Cent, plus zwei Euro Säumniszuschlag und Mahngebühr, zu begleichen, sofern er dies noch nicht getan hat. In dem Kuvert steckt jedoch nicht nur das Mahnschreiben, sondern eben auch besagter Notizzettel.

Als Saim Tufan an jenem Mittwoch den Brief in der Hand hielt, konnte er im Fenster des Umschlages sogar den Rand des Zettels sehen und etwas Ungewöhnliches erahnen. Er war eigentlich an seine Frau Nazan gerichtet, aber die arbeitete zu diesem Zeitpunkt in ihrem zweiten Geschäft. Als er schließlich das Schreiben in den Händen hielt, war er entsetzt. Seine Mitarbeiterinnen mussten ihn beruhigen. Saim Tufan, der seit 1980 in Deutschland lebt und im Friseurladen seiner Frau arbeitet, wollte nun von seiner Kasse wissen, wer das war. Zudem schaltete er einen Anwalt ein. Der Fall liegt bereits bei der Berliner Staatsanwaltschaft auf dem Tisch.

Doch nicht nur deshalb nahm die IKK den Vorfall ernst und beauftragte eine angesehene, geprüfte Graphologin damit, die Schriftproben von fünf Mitarbeitern zu überprüfen, die an dem Tag das Schreiben in der Hand hatten. Die zeigten sich erschüttert über die böswilligen Zeilen und gaben freiwillig Schriftproben ab. Keiner der Mitarbeiter traute dabei dem anderen diese Aktion zu. Die Kasse wollte den Fall nicht einfach so stehen lassen. Immerhin haben etwa zehn Prozent der Mitglieder der Krankenkasse für die Handwerksberufe einen ausländischen Pass. Außerdem mussten die Ergebnisse vor Gericht Bestand haben können.

Nachdem die Geschichte bekannt geworden sei, hätten sich andere Innungskrankenkassen aus ganz Deutschland gemeldet und den Potsdamer Kollegen Hilfe und Unterstützung angeboten.

Als Saim Tufan gestern erfuhr, dass die Übeltäterin gefunden ist, die ihn bedroht und so schwer beleidigt hat, fiel ihm ebenfalls ein Stein vom Herzen. „Ich hatte die Befürchtung, dass sich alles in nichts auflösen wird und ich mit meiner Wut alleine zurückbleiben werde“, sagte er.

Trotzdem wolle er erneut seinen Anwalt aufsuchen und besprechen, wie seine Klage gegenüber der beschuldigten Frau aussehen kann. Denn klagen will er auf jeden Fall. Aber das alleine reicht ihm noch nicht aus. Er möchte die Beschuldigte von Angesicht zu Angesicht sprechen und sie fragen, warum sie das gemacht hat. „Ich kann mir einfach nicht erklären, wie ein Mensch so etwas tun kann“, sagt er.

Suzan Gülfirat

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