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Manche Behörde lässt sich noch immer ungern in die Akten schauen.

© Imago/Brettmanm

Informationsfreiheit: Mehr Anträge auf Akteneinsicht

Die Behörden reagieren sehr unterschiedlich auf den steigenden Wissensdurst der Bürger. Und eine Berliner Verwaltung mauert besonders.

Es trägt einen sperrigen Namen, erfreut sich aber immer größerer Beliebtheit: Im Vorjahr gab es in Berlin so viele Anträge an die Behörden auf Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wie nie zuvor. Seit 15 Jahren hat Berlin ein derartiges Gesetz, aber erst in den vergangenen Jahren zog die Zahl der sich darauf beziehenden Bürgeranträge deutlich an. 2013 stieg sie nun auf insgesamt 13 426 Anfragen. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Inneres auf eine Kleine Anfrage des Piraten-Abgeordneten Simon Weiß hervor.

„Das Informationsfreiheitsgesetz wird stabil und steigend genutzt“, resümiert Weiß die aus seiner Sicht wichtigste Erkenntnis. Besonders erfreut zeigte er sich, dass auch die teilweise bei den Anfragen anfallenden Gebühren Neugierige oftmals nicht abschreckten. „Wir wollen die Bürger ermuntern, dieses Gesetz zu nutzen“, fasst er den Hintergrund seiner Anfrage zusammen, die er auch in den Vorjahren an die Senatsverwaltung für Inneres schon gestellt hat.

Im Jahr 2012 wurden in ganz Berlin gut 8000 Anträge nach dem IFG gestellt. In den Jahren davor lag die Zahl noch niedriger, 2010 und 2011 zählte die Verwaltung für beide Jahre zusammen 12 000 Anträge.

Bemerkenswert an den Zahlen ist, dass ein Großteil der Verwaltungen auf Senatsebene und in den Bezirken offenbar sehr bereitwillig Auskunft gibt, wenn die Bürger Akteneinsicht beantragen – dass es aber auch einige herausragende Ausnahmen gibt. So wurden an die Senatsverwaltung für Finanzen im vergangenen Jahr 371 Anfragen gestellt – 287 davon lehnte die Verwaltung von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD) ab.

Senatsverwaltung setzt sich über IFG hinweg

Das empört diejenigen, die sich für mehr Transparenz in den Verwaltungen einsetzen, wie zum Beispiel den Beauftragten des Landes für Datenschutz und Informationsfreiheit, Alexander Dix. „Das ist ein Unding“, rügt dessen Sprecherin Anja-Maria Gardain die Finanzverwaltung. Der Datenschutzbeauftragte werde bei der Finanzverwaltung nachfragen, „wie man dort die informationsfreiheitsfeindliche Herangehensweise begründet“. Es könne nicht sein, dass eine Senatsverwaltung sich über das Informationsfreiheitsgesetz hinwegsetzt.

Informationsgeheimnis gegen Steuergeheimnis

Der Sprecher des Finanzsenators, Jens Metzger, erklärt den Negativrekord seiner Verwaltung damit, dass „in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Ablehnung darauf zurückzuführen sein dürfte, dass die Auskunftsersuchen dem Steuergeheimnis entgegenstanden“. Dafür spreche der Umstand, dass fast alle Ablehnungen durch die Finanzämter ausgesprochen werden mussten. Dennoch sei die Finanzverwaltung „stets um ein Höchstmaß an Transparenz bemüht“.

Kritik und Erklärungsbedarf hat der Datenschutzbeauftragte auch bezüglich der Begründungen, mit denen die Behörden Auskünfte ablehnten. Wie aus der Antwort auf die Piraten-Anfrage hervorgeht, wurden im vergangenen Jahr 205 Bürgeranfragen an Verwaltungen abgelehnt, weil die jeweilige Verwaltung meinte, „nicht im Anwendungsbereich des IFG“ zu liegen. „Da frage ich mich, wie das sein kann“, sagt Anja-Maria Gardain – „denn alle genannten Stellen unterliegen dem Gesetz“. Auch die 96 Ablehnungen von Auskünften mit Bezug auf „sonstige Gründe“ müsse die Innenverwaltung erklären.

Am wenigsten transparent: Steglitz-Zehlendorf

Auffallend ist auch die sehr unterschiedliche Verteilung von Anfragen und Antworten innerhalb der Bezirke. Spitzenreiter ist Pankow mit 2726 Bürgeranfragen, von denen immerhin laut Statistik 2023 beantwortet wurden. Schlusslicht bei der Zahl der Anfragen ist Tempelhof-Schöneberg mit gerade mal 49 gezählten Anträgen nach dem IFG. Am wenigsten transparent scheint es in Steglitz-Zehlendorf zuzugehen: Hier wurden 144 Anträge auf Auskünfte nur teilweise beantwortet. Wieso? „Das überrascht mich auch“, sagt Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) auf Anfrage. Erklären kann er sich das spontan nicht, da die Daten nicht zentral erhoben würden, sondern jede Behördenabteilung das in eigener Zuständigkeit regele.

Mit unterschiedlichen Maßstäben

Pankows Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) hat immerhin eine mögliche Erklärung, wieso die Bürger in seinem Bezirk offenbar besonders neugierig sind: Pankow habe mit knapp 380 000 registrierten Bürgern nun mal die meisten Einwohner Berlins, daher auch die meisten Verwaltungsvorgänge. Und der Großteil der Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz beziehe sich auf Bauvorhaben – von denen gebe es in Pankow nun mal besonders viele.

Pirat Weiß empfiehlt allerdings, die von ihm zutage geförderten Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Gerade die nicht plausibel erklärten hohen Unterschiede zwischen den Bezirken legten nahe, dass hier mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen wird.

Interview mit Dieter Hüsgen von Transparency International Deutschland

Manche Behörde lässt sich noch immer ungern in die Akten schauen.
Manche Behörde lässt sich noch immer ungern in die Akten schauen.

© Imago/Brettmanm

Herr Hüsgen, Sie sind bei Transparency International Deutschland für das Informationsfreiheitsgesetz zuständig. In Berlin nimmt die Zahl der Anträge nach dem Gesetz zu. Eine gute Nachricht?

Ja, das Gesetz hat sich offenbar bewährt. Allerdings können auch Massenanträge von Bürgerinitiativen dabei sein, so dass man die Zahlen mit Vorsicht betrachten muss. Dennoch ist die Statistik erfreulich – auch weil Berlins Landesregierung von sich aus bisher solche Zahlen nicht veröffentlicht hat.

Abgesehen von Ausnahmen wurden die meisten Anfragen von den Behörden beantwortet und nicht abgelehnt.

Ja, auch das ist sehr erfreulich. Im Bund hingegen haben wir eine Ablehnungsquote von knapp 17 Prozent – da steht Berlin besser da.

Dieter Hüsgen
Dieter Hüsgen

© Barbara Hüsgen

Ist der Zuwachs an Anfragen ein Zeichen für eine wachsende mündige Bürgerschaft?

Auf jeden Fall. Wir haben in früheren Jahre immer wieder bedauert, dass das Informationsfreiheitsgesetz, bei dem Brandenburg und Berlin Vorreiter waren, von den Bürgern zu wenig genutzt wurde. Das scheint sich jetzt zu bessern. Erfreulich ist auch, dass die meisten Behörden Anfragen fristgerecht beantworten. Die Verwaltung hat gelernt, damit umzugehen.

Dennoch gibt es einige Ausreißer. So ist die Zahl der abgelehnten Anfragen bei der Finanzverwaltung außerordentlich hoch.
Ja, die klassischen Behörden tun sich oft noch schwer, wenn es um Transparenz geht.

Woran hapert es noch?
Wir finden nach wie vor die Gebühren für ausführlichere Auskünfte mit bis zu 500 Euro zu hoch. Zu wünschen wäre eine grundsätzliche Gebührenfreiheit für alle Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz.

Dieter Hüsgen ist Leiter der Arbeitsgruppe Informationsfreiheit beim Verein Transparency International Deutschland.

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