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Initiative Stadt und Hund: Gegen Nazis und gegen Hundekot

Eine Berliner Initiative lässt nicht locker: Wie "Stadt und Hund" die Hauptstadt endlich von Häufchen befreien will - mit einer drastischen Parole und mehr.

Von Markus Hesselmann

Es ist ein Dauerproblem in Berlin: Die Hundehaufen, die auf Gehwegen, in Grünflächen und sogar auf Spielplätzen herumliegen. In einer Online-Leserdebatte zu Berliner Alltagsproblemen wurde das Thema auf Tagesspiegel.de immer wieder genannt. In unserer anschließenden Online-Umfrage, welches Berliner Alltagsproblem am meisten stört, belegte es Platz zwei – knapp hinter dem zurzeit sehr akuten Thema Lärmbelästigung.

Von den 55 Tonnen Hundekot, die in Berlin täglich anfallen, wird nur ein kleiner Teil von den Hundebesitzern selbst und von der Stadtreinigung entsorgt. Tütchenspender, je nach Bezirk blau oder orange, Hundekotmobile, Streifen der Ordnungsämter, Plakataktionen – nichts hat wirklich dazu beigetragen, die Stadt von einem ihrer inzwischen schon klassischen Probleme zu befreien. Das soll sich nun ändern – dank einer privaten Initiative. Die schreckt auch vor einer drastischen Kampagne samt Nazi-Vergleich nicht zurück. Und das Bezirksamt Mitte startet einen neuen Anlauf, sich dem Problem strategisch zu nähern.

Weil Christof Wüllner das Waten durch Hundekot auf Berlins Gehwegen nicht für normal hält und weil er sich nicht damit abfindet, dass seine Kinder ständig die krankheitserregenden Exkremente an ihren Schuhen mit in die Wohnung tragen, wurde er Mitbegründer des Projektes „Stadt und Hund“. Mit seinem Kollegen Michael Krockauer entwirft Wüllner nachhaltige Konzepte gegen den Hundedreck.

In ganz Deutschland betreut die Berliner Organisation Projekte mit Tütchenspendern – in Berlin zuletzt zum Beispiel am Rummelsburger See in Treptow – oder so genannten Hundegärten, in denen sich die Vierbeiner im Kiez austoben können, ohne die Nachbarn zu behelligen – in Berlin etwa am Schäfersee in Reinickendorf.

Die neueste Kampagne, die „Stadt und Hund“ unterstützt, hat Potenzial für öffentliche Kontroversen: Die Hamburger Werbeagentur Draftfcb hat eine „Sonderedition“ des ansonsten blauen Tütchenspenders aufgelegt. Der Slogan „Das Braune muss weg“ bringt zwei Themen zusammen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammengehören: Rechtsextremismus und Hundekot. 50 000 braune Hundekotbeutel mit der „lautstarken Parole“ sollen noch in diesem Monat in ebenfalls braunen Spendern in Berlin hängen und damit „Hundehalter und Passanten auffordern über rechtsextremes Gedankengut nachzudenken“. Das allerdings soll da nicht enden: Der Hundekot soll damit schon auch entsorgt werden. „Finden Sie das zu drastisch?“, fragt Wüllner, und in seiner Gegenfrage steckt bereits die Überzeugung, dass diesem Problem nur noch mit drastischer Ansprache beizukommen ist.

„Stadt und Hund“-Gründer Wüllner sieht aber selbst in Berlin noch Chancen, das Hundekot-Problem nachhaltig zu lösen. Sein Rezept: flächendeckend Beutelspender, mehr Mitarbeiter in den Ordnungsämtern, die rücksichtslose Hundebesitzer ansprechen und bestrafen, sowie breit angelegte Informations- und Kommunikationskampagnen. „Dann könnten wir das Problem in fünf Jahren im Griff haben“, prophezeit Wüllner. Veranschlagter Kostenpunkt: rund 3,5 Millionen Euro pro Jahr. Das wäre etwa ein Euro pro Einwohner.

Für Wüllner und Krockauer selbst ist „Stadt und Hund“ übrigens eher ein Hobby. Ihr Geld verdienen die diplomierten Geologen mit Gutachten und Dienstleistungen, die mit Hunden nichts zu tun haben. Und bei Visionen belassen sie es nicht: In Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Mitte findet Anfang Juni eine Fachtagung zum Thema Hundekot statt. In der Ankündigung auf der Facebook-Seite von „Stadt und Hund“ heißt es dazu: „Unsere tagtägliche Sicht auf die Berliner Bürgersteige und Grünflächen offenbart, dass trotz aller Studien, Projekte und Anstrengungen das Problem Hundekot in Berlin noch nicht gelöst ist.“

Die Tagung gehe der Frage nach, wie es andere Städte geschafft haben und welche Voraussetzungen in Berlin geschaffen werden müssen, um das Problem zu lösen. Eingeladen ist neben Christof Wüllner unter anderem die Umweltstadträtin von Wien, einer Stadt, die das Hundekotproblem offenbar vergleichsweise nachhaltig in den Griff bekommen hat. Hinzu kommen Wissenschaftler sowie Vertreter des Senats und des Bezirksamts Mitte. Ambitionierter Titel der Tagung: „Berlin wird häufchenfrei!“

Eine Gesamtschau zum Berliner Alltagsproblem Hundekot finden Sie hier, mit vielen weiteren Nachfragen bei den Ordnungsämtern, dem Senat, der BSR und anderen.

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