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Das erste Mal. CDU-Chef Frank Henkel (48) ist seit vergangenem Dezember Senator für Inneres und Sport.

© dapd

Innensenator Frank Henkel: "Ich mache keine Experimente"

Frank Henkel steht am 1. Mai das erste Mal in der Verantwortung als Innensenator. Was der CDU-Chef von seinem Vorgänger, Kreuzberger Jugendlichen und Gentrifizierungsgegnern hält.

Herr Henkel, ist Ehrhart Körting Ihr Vorbild?

Ich habe meinen eigenen Stil. Aber wer zehn Jahre Innensenator war, der muss auch einiges richtig gemacht haben.

Auch am 1. Mai? Sie haben Körting mal vorgeworfen, er lasse in Kreuzberg ein Bürgerkriegsszenario wie in Beirut zu.
Es gab in diesen zehn Jahren am 1. Mai Höhen und Tiefen. Aber der Grundsatz einer Doppelstrategie hat sich bewährt. Da ist einerseits ein Höchstmaß an Kommunikation der Polizei mit allen Beteiligten und auf der anderen Seite ein schnelles, konsequentes Eingreifen gegen Straftäter. Daran knüpfe ich an. Ich habe nicht vor, an diesem 1. Mai, der erste für mich als Innensenator, zu experimentieren.

Wie lautet Ihre Prognose für dieses Jahr? Bleibt es friedlich?
Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine Erkenntnisse, dass dieser 1. Mai eine besondere Herausforderung wird. Auch nicht dadurch, dass sich zum 25. Mal die ersten schweren Krawalle an einem Maifeiertag jähren, die 1987 Kreuzberg erschüttert haben. Ich gehe von einem friedlichen 1. Mai aus.

Keine Jubiläumsrandale in Sicht? In einem Aufruf linksradikaler Gruppen heißt es, „25 Jahre Kiezaufstand in Kreuzberg – Erinnern heißt Kämpfen“. Nur Kraftmeierei?
Nach Auskunft unserer Experten ist keine Mobilisierung zu erkennen, die über das Maß früherer Jahre hinausginge. Weder im Internet noch in Flugblättern baut sich eine Situation auf, die außergewöhnlich brisant sein könnte.

Wäre es aus Ihrer Sicht möglich gewesen, die Doppelstrategie schon früher zu entwickeln und damit Krawallen vorzubeugen?
Natürlich hatte ich früher bei meinem Amtsvorgänger einiges zu kritisieren, etwa den Begriff der Deeskalationsstrategie, weil er unterstellt, dass Polizei allein durch ihre Anwesenheit eskaliert. Aber in wichtigen Punkten hatte Körting meine Unterstützung. Das betrifft das Flaschenverbot bei den Veranstaltungen in der Walpurgisnacht und am 1. Mai, das Parkverbot, damit Autos nicht in brennende Barrikaden verwandelt werden können, die gezielten Ansprachen der Polizei bei Gefährdern, also als gewaltbereit bekannten Personen, und das Ausleuchten von Veranstaltungsorten wie beispielsweise dem Mauerpark durch mobiles Flutlicht der Polizei. Das alles fand ich sehr gut.

So sah der 1. Mai 2011 aus:

Körting hat sich immer vor dem 1. Mai um das Gespräch mit der türkischen und arabischen Community bemüht, damit Jugendliche aus Migrantenfamilien nicht aus Abenteuerlust beim Krawall mittun.
Ich habe mit dem Quartiersmanagement und Gewerbetreibenden gesprochen, wo es etwa um das Flaschenverbot auf dem Myfest ging. Ich war auch in einer Jugendeinrichtung, wo eine fantastische Präventionsarbeit gemacht wird. Diese Jugendlichen werden mit ihrem Einsatz am 1. Mai mit dafür sorgen, dass es friedlich bleibt in ihrem Kiez, für den sie sich verantwortlich fühlen.

Die Krawallmacher ändern ihre Taktik - die Polizei ist vorbereitet, sagt Frank Henkel.

Auf der autonomen Homepage „Indymedia“ steht das unter der Überschrift: „Frank Henkel heuert Söldner an.“
Das ist ein freies Land. Das schließt auch Meinungen ein, die niemand sonst verstehen muss.

In diesem Jahr sollen etwa 7000 Polizisten aus Berlin und anderen Bundesländern hier im Einsatz sein. Wie wollen Sie mit den ortsunkundigen Kräften einen effektiven Einsatz hinbekommen?
Die Zusammenarbeit zwischen der Berliner Polizei und den Kräften aus anderen Ländern hat sich von Jahr zu Jahr verbessert. Alle zusammen werden auch in diesem Jahr die Lage bewältigen.

Diesmal ändern sich aber die Standorte. Linke wollen in der Walpurgisnacht in Wedding auflaufen, nicht am Boxhagener Platz, und am 1. Mai führt die Route nach Mitte zum Bebelplatz ...
Die Polizei wird an den nicht ganz unkomplizierten Routen präsent sein, die mit symbolischen Gebäuden gespickt sind. Das sind in Wedding das Arbeitsamt und die Zentrale der Berliner SPD und am 1. Mai das Bundesfinanzministerium, die Deutsche Bank und in Sichtweite das Hochhaus von Springer. Aber die Polizei ist auf alle Eventualitäten eingestellt.

Auch darauf, dass Autonome am 1. Mai schon um 17 Uhr, eine Stunde vor dem Beginn der „Revolutionären Demonstration“, sich sammeln und durch das Kreuzberger Myfest ziehen wollen?
Die Polizei wird schon früh an möglichen Brennpunkten Präsenz zeigen. Eine besondere Gefährdung durch den Aufzug um 17 Uhr sehen meine Experten bislang nicht.

Eine weitere „Eventualität“ könnte auch die Anmeldung von drei rechtsextremen Kundgebungen bedeuten, die im Ostteil stattfinden sollen.
Wir haben das im Blick.

Die Veranstalter des Guggenheim-Labs sind nicht die ersten, die von Linken drangsaliert werden:

Die linke Szene fühlt sich stark, weil sie mit Drohgebärden verhindert hat, dass sich das BMW-Guggenheim-Lab in Kreuzberg ansiedelt. Hat der Senat da versagt?
Die Entscheidung, wo sich das BMW-Guggenheim-Lab ansiedelt, hatte nicht der Senat zu treffen, sondern die Veranstalter. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir die Einrichtung schützen werden, egal wo sie steht.

Als Oppositionsführer hätten Sie doch auf den Tisch gehauen und gesagt, es kann nicht sein, dass die Chaoten bestimmen, was wo in Berlin passiert.
Der Regierende Bürgermeister und ich haben die Drohungen sofort scharf verurteilt. Ich bin mir aber sicher, dass ich mich auch als Oppositionsführer erst mal mit BMW in Verbindung gesetzt hätte, um zu fragen, was sie wollen. Wenn der Veranstalter mir sagt, dass er aus vielerlei Gründen an einen anderen Standort will, dann hätte ich das selbstverständlich auch als Oppositionsführer akzeptiert.

Was die Angst vor Gentrifizierung mit Linksextremismus zu tun hat.

Der Protest gegen ein BMW-Guggenheim-Lab in Kreuzberg ist Teil des Widerstands gegen die Gentrifizierung. Halten Sie die Gegner der Verteuerung von Wohnraum für Chaoten?
Nein. Ich nehme die Sorgen dieser Menschen sehr ernst und kann sie verstehen. Ich habe in Kreuzberg Gespräche mit Vertretern des Quartiersmanagements geführt, um zu erfahren, wie sich die Attraktivität bestimmter Kieze auf die Mieten auswirkt und auf die Preisgestaltung bei Waren des täglichen Bedarfs. Deshalb bin ich weit davon entfernt, Menschen, die sich Sorgen machen, als Chaoten zu bezeichnen.

Linksextremisten versuchen aber, diese Sorgen für ihre Zwecke zu nutzen.
Ich bin sicher, dass sich Leute, die sich Sorgen um steigende Mieten und Preise machen, nicht von Linksextremisten missbrauchen lassen.

Wo sind Sie am 1. Mai?
Unterwegs in Kreuzberg, so wie in den vergangenen zehn Jahren auch, um mir vor Ort ein Bild zu machen. Für die Walpurgisnacht gilt das Gleiche. Ich habe in dieser Zeit von Steinwürfen, Brandstiftungen bis Krawallen alles gesehen, bis hin zu vom Dach geworfenen Steinen, die dicht neben mir einschlugen.

Es ist ihr 1. Mai in der Verantwortung als Innensenator. Haben Sie Bammel davor?
Nein. Ich gehe aber mit Respekt und einer sorgfältigen Vorbereitung an diese Aufgabe heran, um dazu beizutragen, dass dieser 1. Mai friedlich verläuft.

Haben Sie Hoffnung, dass die unselige Tradition der 1.-Mai-Krawalle endet?
Ja. Sie gründet sich auf die positiven Veränderungen in Richtung eines friedlichen 1. Mai, die wir in den vergangenen Jahren in unserer Stadt beobachten konnten. Ich denke da etwa an das MyFest.

Es kann aber Rückschläge geben wie 2009.
Wir hatten am 1. Mai in diesen 25 Jahren alles – sehr harte Einsätze, sehr zurückhaltende Einsätze, und es gab auch Rückschläge. Aber bei der Bewertung der letzten Jahre bleibe ich bei meiner positiven Einschätzung der Doppelstrategie, mit der Kommunikation auf der einen Seite und des konsequenten Eingreifens auf der anderen Seite, verbunden mit vielen anderen polizeilichen Maßnahmen, zu denen ganz klar auch die Prävention gehört.

Aber gegen kräftiges Regenwetter am 1. Mai hätten Sie nichts einzuwenden?
Nicht unbedingt. Aber das liegt nicht in meiner Hand. Und gutes Wetter ist schön für alle Veranstaltungen mit friedlichen Besuchern wie etwa die DGB-Demonstration oder das Myfest in Kreuzberg.

Das Gespräch führten Frank Jansen und Gerd Nowakowski.

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