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Berlin: Innensenator Werthebach hofft auf neue Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichts - bestimmte Demos sollen konsequent untersagt werden

Eckart Werthebach (CDU) gab sich gestern kämpferisch: "Ich werde die Polizei konsequent anweisen, solche Demonstrationen wie am vergangenen Sonnabend künftig zu verbieten." Solche Demonstrationen, damit meint der Innensenator Versammlungen "mit verfassungsfeindlichem Charakter.

Eckart Werthebach (CDU) gab sich gestern kämpferisch: "Ich werde die Polizei konsequent anweisen, solche Demonstrationen wie am vergangenen Sonnabend künftig zu verbieten." Solche Demonstrationen, damit meint der Innensenator Versammlungen "mit verfassungsfeindlichem Charakter. Wir werden bei Demonstrationen extremistischer Organisationen zum Verbot mit der Begründung greifen, dass dort häufig Straftaten begangen werden." Rückendeckung erhielt Werthebach von Parlamentspräsident Reinhard Führer (ebenfalls CDU), der sich für "begrenzte Einschränkungen des Demonstrationsrechts" aussprach, allerdings nicht konkretisierte, wie diese ausgestaltet sein sollen.

Werthebachs Ankündigung massiver polizeilicher Verbote ist auch eine Reaktion auf die juristische und politische Lage in Sachen Versammlungsrecht, die eine Gesetzesänderung schwieriger macht, als angenommen. Eine hausinterne juristische Expertise der Innenverwaltung, die seit dieser Woche vorliegt, brachte dem Senator bislang keine neuen Ideen, wie das Ziel von weniger Demos in der Innenstadt und speziell die Ausgrenzung bestimmter Versammlungen wie des Neonazi-Marschs vom vergangenen Sonnabend erreicht werden kann. Und auch eine Umfrage unter den Ländern, wie dort mit Versammlungen umgegangen wird, stieß bislang kaum auf Resonanz.

Der Senator hofft deswegen vor allem darauf, dass sich die Gerichte doch noch seiner Interpretation des Versammlungsrechts anschließen werden. Er wolle die Gerichte durch "regelmäßige Beschäftigung mit solchen Fällen" dazu bringen, eine Rechtsfortbildung zu erreichen, sagte Werthebach. Werthebach will, dass sich das Bundesverfassungsgericht noch einmal mit dem Bundesversammlungsrecht beschäftigt - und es anders auslegt als im "Brokdorf-Urteil", in dem festgeschrieben steht, dass die Wahl von Zeit und Ort einer Demonstration grundsätzlich frei sei. "Das ist der Weg", sagte der Senator. Auf eine Großstadt sei diese Rechtsprechung nicht übertragbar, glaubt der Jurist und ehemalige Verfassungsschutzchef. Da allerdings nur ein Betroffener vor das Verfassungsgericht ziehen kann, ist dieser Weg der Verwaltung verwehrt.

Da die Richter schon angekündigt haben, sich an das geltende Gesetz wie bislang auch halten zu wollen, bliebe noch die Wiedereinführung der alten Bannmeilenregelung, wie sie in Bonn galt. Der jetzige "befriedete Bezirk" umfasst nicht das Brandenburger Tor und erlaubt Demos, wenn die Arbeit des Bundestags nicht gestört wird - also in den Wochen, in denen keine Sitzungen sind. Der "befriedete Bereich" ist allerdings auch ein Ergebnis der richterlichen Rechtsprechung: Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte 1993 in einem Urteil festgehalten, dass eine Bannmeilenregelung verfassungkonform ist - aber nur, wenn sie ausdrücklich dem Schutz der Arbeit des Bundestags dient. Das wäre unter Umständen aber nicht der Fall, wenn eine Bannmeile dazu benutzt würde, bestimmte Demonstrationen vom Brandenburger Tor fern zu halten. "Niemand soll glauben, dass ein Bannmeilengesetz das Allheilmittel ist", relativierte auch Werthebach die Bannmeilen-Idee.

Auf die Frage, ob die Polizei künftig auch die so genannte "revolutionäre 1. Mai-Demonstration" verbieten werde, bei der es häufig zu Straftaten kommt, antwortete Werthebach denn auch entsprechend zurückhaltend: Ein Verbot sei wohl nur praktikabel, wenn es konkrete Hinweise auf Straftaten gebe.

Holger Stark

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