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Berlin: In Richtung Sachsen gewachsen

Zehn Jahre Kirchenfusion im evangelischen Osten.

Eine Kirchenleitung drohte mit Rücktritt, die Synode tagte in Sondersitzungen, am Ende brachen erwachsene Menschen in Tränen aus. Zehn Jahre ist es her, dass die damals knapp 60 000 Mitglieder zählende und zum eigenständigen Überleben zu kleine Evangelische Kirche der schlesischen Oberlausitz mit der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg zusammenging. Es war eine umstrittene Fusion: Teile der im ostsächsischen Görlitz ansässigen Kirche wollten lieber selbstständig bleiben. Andere strebten ein Zusammengehen mit der Lutherischen Landeskirche Sachsens an.

Heute ist die am 1. Januar 2004 gegründete Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) zusammengewachsen. Junge Pfarrer aus Berlin haben ihre erste Stelle in Görlitz. In der Landessynode sitzen Vertreter aus dem fernen Sachsen ebenso wie Kirchenparlamentarier aus der Uckermark, dem Oderbruch oder der Prignitz. „Wir sind eine vielfältige Kirche mit unterschiedlichen Regionen, Traditionen und Lebensgeschichten“, sagte Landesbischof Markus Dröge gestern bei einem Festakt in der Marienkirche nahe dem Alexanderplatz. Man könne „Unterschiede zulassen, ohne sich voneinander zu trennen.“ Doch in manchen Dingen lebt die EKBO auch solide aneinander vorbei. Für den Alltag der Kirchengemeinden in Berlin spielt es keine Rolle, dass die Kirche vor zehn Jahren größer wurde. „Ich muss scharf nachdenken, ob ich überhaupt eine Auswirkung der Fusion wahrnehme“, sagt etwa Martin Germer, Pfarrer an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. „Nach zehn Jahren können wir uns auch ehrlich machen, und sagen, wo die bleibenden Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Teilen der Landeskirche sind“, sagte die Reinickendorfer Superintendentin Beate Hornschuh-Böhm. „Für unseren Kirchenkreis war die Fusion aber ein Gewinn, weil die dominante Großstadt Erdverbundenheit gewonnen hat.“ Man habe einen neuen Blick für den ländlichen Raum gewonnen.

Die Stimmen derer, die im Jahr 2003 gegen die Fusion der beiden Landeskirchen waren, waren gestern nur indirekt zu hören. Fusionsgegner, wie die einst im Görlitzer „Arbeitskreis kritische Synodale“ engagierte Ärztin Elisabeth Domsgen hatten keine Einladung erhalten. Die Medizinerin ist bis heute von ihrer Kirche enttäuscht. Nach der Fusion sei die Görlitzer Kirchenmusikschule geschlossen worden, für deren Erhaltung man damals kämpfte, und auch die Evangelische Akademie der schlesischen Oberlausitz gebe es nicht mehr. „Ich engagiere mich nur noch in unserem Gemeindekirchenrat“, sagt die Medizinerin. „Da habe ich genug zu tun.“ Benjamin Lassiwe

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