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Berlin: Insolvenzgefahr für die Berliner AOK

Gesundheitsreform setzt Krankenkasse unter Druck Experten erwarten aber noch Korrekturen

Das Schreckenszenario für die AOK-Berlin geht so: Die Ortskrankenkasse meldet im Jahr 2009 Insolvenz an, weil sie kein Geld mehr hat, um die Gesundheitskosten zu bezahlen. Da sich das Desaster bereits abzeichnete, haben Ärzte schon zuvor von AOK-Patienten „Vorkasse“ verlangt, um nicht selbst auf den Kosten sitzen zu bleiben. Dennoch müssen jetzt Praxen schließen, weil Rechnungen offen bleiben. Teile der Gesundheitsversorgung der Hauptstadt brechen zusammen.

Ausgeschlossen ist dieses Szenario nicht: „Theoretisch können Krankenkassen insolvent werden“, sagt Andreas Deffner, Sprecher beim Bundesgesundheitsministerium. Das sieht die Gesundheitsreform ab 2009 vor. Und die AOK-Berlin ist laut SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach besonders gefährdet wegen ihrer hohen Schulden und Altlasten: „Ohne den Haftungsverbund aller deutschen AOK’en hat sie keine Chance“, sagt er. Mit einer Insolvenz der Berliner AOK rechnet Lauterbach aber nicht. Das Gesetz werde noch nachgebessert: Der AOK-Verbund werde auch nach 2009 das Berliner Sorgenkind finanziell auffangen. „Doch dafür werden alle AOK-Versicherten mit erhöhten Beiträgen zahlen“, sagt Lauterbach. Die drohende Folge: Versicherte wechseln in andere Kassen. „Die Reform schwächt ausgerechnet die Kassen mit der größten Zahl sozial schwacher Versicherter“, bedauert Lauterbach.

Noch im Dezember entscheidet der AOK-Verwaltungsrat über eine Erhöhung der Beiträge für 2007.

Kritiker werfen der AOK Berlin vor, nicht rechtzeitig für die Pensionen ihrer Mitarbeiter vorgesorgt zu haben. Denn daraus resultierten die größten Insolvenzrisiken für gesetzliche Kassen: Sie müssen wegen der umstrittenen Reform Geld für Pensionen in ihren Bilanzen zurücklegen, was zuvor nicht der Fall war. In Berlin sollen diese Pensionslasten besonders hoch sein. Dazu kommen noch überdimensionierte und deshalb teure Krankenhausstrukturen, klagte die AOK schon öfter. Deshalb hängt die AOK-Berlin finanziell bereits am Tropf des AOK-Verbandes.

Sprecherin Gabriele Rähse weist den Vorwurf zurück: Das Pensionsproblem hätten alle gesetzlichen Krankenkassen. „Außerdem stellte das Oberverwaltungsgericht 1991 fest, dass alle AOK’en deshalb nicht in den Pensionssicherungsfonds einzahlen müssen, weil sie einen gesetzlichen Auftrag erfüllen“ – nämlich die flächendeckende ärztliche Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Deshalb müssten das Land und der Bund auch die Mittel zu dessen Erfüllung garantieren.

Rückendeckung erhält die AOK-Berlin vom Verband der Angestelltenkassen: „Die Insolvenzregelung steht auf der gemeinsamen Mängelliste aller Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen“, sagt Michaela Gottfried vom Verband der Angestellten-Krankenkassen. Die Regelung sei nach einem Rechtsgutachten verfassungswidrig, weil sich der Bund seiner Verantwortung für die ärztliche Versorgung der Bevölkerung entziehe.

Die Sanierung der AOK–Berlin läuft seit Jahren und zeigt Erfolge: 2006 wird sie erneut 60 Millionen Euro einsparen.

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