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Tagesspiegel-Autorin Jana Weiss (im Einkaufswagen) und ihre Freundin Anna haben „The Wow“ getestet.

© Thilo Rückeis

Instagram-Traum in Prenzlauer Berg: Das erste Selfie-Museum in Berlin hat eröffnet

„The Wow“ in Prenzlauer Berg bietet instagramtaugliche Fotokulissen – und folgt damit einem Trend. Unsere Autorin hat das Museum getestet.

Kleine Kinder haben die Angewohnheit, Dinge oder Wesen nach dem Geräusch zu benennen, das sie machen: Brummbrumm ist das Auto, Muh die Kuh, Mäh das Schaf. Auf einem ähnlichen Prinzip beruht wohl auch die Namensgebung von „The Wow“, das am Sonnabend in Prenzlauer Berg eröffnet – ein quietschbunter Spielplatz für alle, die alt oder jung genug für einen eigenen Instagram-Account sind, ein Ort, der einem in der Tat erst mal das ein oder andere „Wow!“ entlockt.

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The Wow ist ein sogenanntes Selfie-Museum. Eine Instagram-Erlebniswelt, errichtet, um darin Smartphone-Fotos zu machen, ausgestattet mit allem, was man für den perfekten Post braucht: In rund 15 verschiedenen Fotosets gibt es bunte Farben, poppige Motive, Glitzerkonfetti, Bällebäder und Flamingos.

In einem im 20er-Jahre-Stil anmutenden Raum mit goldenen Vorhängen steht eine riesige Mondsichel, die zum lasziven Räkeln einlädt. Im Grunde lässt sich hier ein ganzer Berlinbesuch an einem Nachmittag festhalten: Auf einem Trampolin kann man zwischen der Projektion des Brandenburger Tors und einer Plastikmauer auf und ab springen.

29 Euro für 90 Minuten

Es gibt einen Späti- und einen Club-Raum. Letzterer ist besonders praktisch, weil man so das strikte Fotoverbot, das in den meisten Berliner Clubs herrscht, einfach umgehen kann.

Außerdem kommt jeder rein. Auch Umkleidekabinen sind vorhanden, sodass man in jedem Set mit dem passenden Outfit posieren kann. Ob hier jemand das typische Berghain-Outfit im Koffer hat, ist allerdings fraglich.

Preislich liegt ein 90-Minuten-Zeitfenster im The Wow auch eher bei einem Theater- denn bei einem Clubbesuch – für 29 Euro darf man hier aber selbst die Hauptdarstellerin sein.

Ein Filmset für alle

Gründer und Ideengeber der Galerie ist der Regisseur Torsten Künstler, der unter anderem an den Filmen „Friendship!“ und „Der Nanny“ mitgewirkt hat. Gemeinsam mit anderen Filmschaffenden hat er mehr als ein Jahr an dem Konzept und dessen Realisierung gearbeitet.

Die Grundidee war, sagt Bühnenbauerin Saskia van de Calseijde, professionelle Filmsets zu schaffen, die länger bleiben als nur eine Szene. Und die für jeden zugänglich sind, nicht nur für professionelle Schauspieler.

Giltzer, Gold und Glamour.
Giltzer, Gold und Glamour.

© Thilo Rückeis

Ewig sollen aber auch diese Sets nicht bestehen bleiben. Zunächst ist angedacht, dass „The Wow“ für sechs Monate seine Pforten öffnet. Wenn das Projekt gut ankommt, auch länger – dann wollen die Initiatoren die Sets aber stetig verändern. Vorbilder für The Wow gibt es bereits in anderen Großstädten wie New York, Wien oder Budapest.

Man kann sich einen Stylisten und eine professionelle Fotografin dazu buchen

Die Locations heißen dort „Museum of Ice Cream“, „NoFilter-Museum“ oder „Museum of Sweets and Selfies“. Als erster deutscher Ableger eröffnete in Köln 2018 das Supercandy Pop-up-Museum. Und in Michelstadt, einem 16.000-Einwohner-Kaff im Odenwald, gibt es seit vergangener Woche das „Bee Yourself“.

Berlin hinkte bei diesem Trend also bislang hinterher – was, zumindest im Vergleich mit den Standorten der deutschen Selfie-Museen, auch daran liegen könnte, dass es hier genügend andere Orte in der Stadtlandschaft gibt, vor denen man sich selbst in Szene setzen kann.

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Um Selfies geht es dabei gar nicht hauptsächlich. Denn klassische Selfies, also Fotos, die man selbst mit der Handykamera von sich schießt, machen hier wohl die wenigsten. Vielmehr helfen Freunde und Freundinnen als Amateurfotografen aus, um auch das ganze Setting aufs Bild zu kriegen. Bei The Wow kann man sich einen Stylisten und eine professionelle Fotografin dazu buchen. Das kostet dann allerdings etwas mehr als 29 Euro.

Es geht nur um dich, dich, dich

Auch um die Verwendung des Begriffs Museum kann man sich streiten, so falsch ist er aber nicht, wenn man sich anschaut, was hier ausgestellt wird. Den treffendsten und zugleich ehrlichsten Namen für diese Art von Selfie-Erlebniswelt gibt es wohl in Amsterdam mit dem „Youseum“.

Hier weiß man gleich: Es geht es nur um dich, dich, dich. Endlich steht mal der Besucher im Mittelpunkt der Schau, ist nicht mehr nur Rezipient, sondern nimmt teil am Gesamtkunstwerk eines, zugegeben, sehr erweiterten Kunstbegriffs. Trotzdem: Joseph Beuys wäre stolz, also, bestimmt.

Baden im Bällebad mit Flamingo – 100 % instagramtauglich.
Baden im Bällebad mit Flamingo – 100 % instagramtauglich.

© Thilo Rückeis

Es wäre zu kurz gedacht, Orte wie The Wow als bloße Tempel des Narzissmus abzutun. Sie stehen gerade bildhaft für das Paradoxon neuer Medien – nämlich dass diese die Möglichkeit bieten, Teil einer Gemeinschaft zu sein und zugleich zu verlangen, aus dieser hervorzustechen. Individualität und Konformismus.

Eingang von „The Wow“, eine „Instagram-Erlebniswelt“ in Berlin-Prenzlauer Berg.
Eingang von „The Wow“, eine „Instagram-Erlebniswelt“ in Berlin-Prenzlauer Berg.

© Thilo Rückeis

Jedes Bild auf Facebook oder Instagram ist eine Manifestation der eigenen Identität, eine Selbstvergewisserung darüber, wer man ist oder sein will in dieser Welt: mein Balkon, mein Dackel, mein Avocadobrot. Ich auf der Arbeit, am Strand, beim Skifahren. Im Internet findet man unzählige Listen mit den „most instagrammable places“, den instagramtauglichsten Reisezielen.

An manchen dieser Orte bilden sich große Menschentrauben und lange Schlangen, weil jeder dieses eine bestimmte Motiv mit sich im Vordergrund will: den Schiefen Turm von Pisa stemmen, auf den Klippen vor der ibizenkischen Insel Es Vedrà einen Sonnengruß vollziehen. So entstand in den vergangenen Jahren eine eigene Bildsprache, eine Instagram-Ikonografie.

Anna und Jana (schwarzer Pulli) in den Kulissen von „The Wow“.
Anna und Jana (schwarzer Pulli) in den Kulissen von „The Wow“.

© Thilo Rückeis

Die Trends der sozialen Medien wirken gemeinschaftsbildend für die Nutzer, die daran teilhaben – oder teilhaben können. Zugleich bestätigen sie für alle anderen die Entfremdung von der Welt, verstärken das Gefühl, ausgeschlossen zu sein. Geschenkt, dass eigentlich jeder weiß, dass auch in Kapstadt nicht immer die Sonne scheint und über der vermeintlich perfekten Haut ein Facefilter liegt.

Die Influencerin Natalia Taylor täuschte gerade einen Bali-Urlaub vor – mit Fotos aus einer Ikea-Filiale. Dort lag sie perfekt gestylt in einer frei stehenden Badewanne oder posierte vor Plastikpalmen. Ihre Follower klärte sie mit einer Videobotschaft auf, es sei ein Test gewesen, sie sei erstaunt, wie viele Menschen darauf hereingefallen seien.

Was in sozialen Netzwerken gut funktioniert, gibt es hier komprimiert an einem Ort – verspielte Deko, grelle Farben, Glitzer.
Was in sozialen Netzwerken gut funktioniert, gibt es hier komprimiert an einem Ort – verspielte Deko, grelle Farben, Glitzer.

© Thilo Rückeis

Insofern sind Selfiemuseen wie The Wow befreiend ehrlich: Hier ist alles ganz offensichtlich fake, plastic fantastic. Sie bieten ein bisschen Social-Media-Erfolg für alle – wer sich keine Reise an exotische Strände leisten kann, badet einfach im Bällebad statt im Infinity Pool.

Zwar dürfte das nicht denselben Erholungseffekt haben, Likes gibt es dafür jedoch ganz bestimmt – und die machen ja auch irgendwie glücklich.

The Wow, Greifswalder Straße 81, Mi-Mo 10-22 Uhr. Eintritt für Erwachsene ab 29 Euro. Tickets nur online unter www.thewowgallery.de.

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