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Intensivtäter: 13-jähriger Serientäter nach Kirgisien verschickt

Neuköllns jüngster Intensivtäter „sitzt“ seit einem Jahr in Kirgisien – etwa 5000 Kilometer von Berlin entfernt. Das Jugendamt des Bezirks hat das durch rund 100 Straftaten aufgefallene Kind dort auf einen Bauernhof zu einer Familie geschickt.

Neuköllns jüngster Intensivtäter „sitzt“ seit einem Jahr in Kirgisien – etwa 5000 Kilometer von Berlin entfernt. Das Jugendamt des Bezirks hat das durch eine Vielzahl von Straftaten aufgefallene Kind dort auf einen Bauernhof zu einer Familie geschickt. Kein Heim in Deutschland hätte diesen Jungen genommen, hieß es. Innerhalb weniger Monate war der strafunmündige Arthur (Name geändert) mit etwa 100 Straftaten aufgefallen. Um diese selbst für Neuköllner Kriminalbeamte außergewöhnlich intensive kriminelle Karriere zu stoppen, wurde die bislang einmalige Fernverschickung gewählt. Mit den früher in Verruf gekommenen Segeltörns für schwierige Jugendliche durch die Karibik hat ein kirgisischer Bauernhof nichts mehr zu tun, hieß es.

Der Junge ist einer der 128 Neuköllner Intensivtäter (siehe Grafik) – und ein Beispiel dafür, wie schnell Behörden mittlerweile reagieren. Auch Arthurs Bruder Ryszard, heute 16, sitzt in Haft, verurteilt zu 14 Monaten. Wie berichtet, beträgt die sogenannte Haftquote derzeit 54 Prozent, mehr als die Hälfte der Täter verbreitet also keinen Schrecken mehr auf den Straßen. Die harten Strafen schrecken zudem andere junge Kriminelle ab.

Nur Arthur wusste von diesem harten Kurs nichts – er war neu in Berlin. Seine Mutter war mit ihren acht Kindern im März 2008 aus einem polnischen Zeltlager für Roma und Sinti nach Berlin übergesiedelt. Im Mai des Jahres fiel er erstmals auf, danach raubte, stahl und prügelte sich der damals Elfjährige quer durch das Strafgesetzbuch. Im Drogenrausch ging Arthur derartige Risiken ein, dass er mit der Verschickung auch vor sich selbst geschützt werden soll. So sprang er einmal in der Hermannstraße in einer Dönerbude über den Tresen, um Geld aus der Kasse zu greifen. Doch der arabische Dönerwirt regelte die Sache auf seine Weise und „verdrosch ihn mörderisch“, hieß es. Noch Tage später sei das Kind grün und blau gewesen. Obwohl er wegen seiner Strafunmündigkeit von der Justiz nichts zu befürchten hat, wurde es gefährlich für Arthur. „Der Nächste hätte ihn totgeschlagen.“

Im Oktober 2008 wurde der nun zwölfjährige Junge in die Intensivtäterkartei der Staatsanwaltschaft aufgenommen. Zeitgleich begann ein enger Austausch zwischen Polizei, Jugendamt und Jugendgerichtshilfe. Arthur bekam einen „Fallmanager“ an die Seite. Das 2008 gegründete Projekt „Stop“ von der Treberhilfe Berlin wird vom Land finanziert und soll quasi als Feuerwehr die allerschwierigsten Kinder stoppen. Von einem Sozialarbeiter der Treberhilfe wurde Arthur im März 2009 nach Bischkek, der Hauptstadt Kirgisiens geflogen. Zunächst sollte er ein Jahr bleiben, doch Arthur machte weiter Probleme – der Aufenthalt wurde verlängert.

Da so viele der Intensivtäter in Haft sitzen, können sich die elf Ermittler des zuständigen Kommissariats in der Direktion 5 nun verstärkt um die sogenannten Schwellentäter kümmern. Das sind Jugendliche, die mit mehr als fünf Straftaten in einem Jahr auf dem Sprung zum Intensivtäter sind. Das Prinzip ist ähnlich: Jeder Täter bekommt einen festen Kommissar bei der Polizei zugeordnet und immer den selben Staatsanwalt.

Drei Jahre nach Vorstellung des Konzepts sind heute bei der Staatsanwaltschaft 173 Schwellentäter registriert. Bislang betreut die Justiz nur Räuber. Ab 1. März sollen auch Schläger und Gewalttäter in die Liste aufgenommen werden, die Zahl der Schwellentäter dürfte sich dann etwa verdoppeln. Die Polizei war schneller, dort werden Schläger schon seit einem halben Jahr speziell betreut.

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