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Berlins SPD-Chef Jan Stöß fordert schon seit längerem ein Gesamtkonzept zur Wiederbelebung von Berlins historischer Mitte.

© dpa/picture alliance

Internationale Bauaustellung 2020: Berlin braucht keine IBA-Stadtmitte

Braucht Berlin eine Internationale Bauaustellung in der Stadtmitte? Unser Gastautor Prof. Matthias Sauerbruch hält die Idee für abwegig. Aus dem Vorschlag von SPD-Landeschef Jan Stöß würden Eitelkeit und Einfallslosigkeit sprechen.

In Hamburg wird gerade ein ganzer Stadtteil mithilfe einer Internationalen Bauausstellung aus der Vernachlässigung gerettet, in München werden Innenstadt-große Kasernengelände zu Experimentierfeldern modernen Wohnens gemacht. Marseille hat sich als europäische Kulturhauptstadt gerade neu erfunden, Paris denkt über sein Verhältnis zur umgebenden Region nach, London setzt mit massiven Wohnungsbauprogrammen den zweiten Teil seines Olympiabauprojektes um, Zürich setzt konsequent auf Verdichtung und Nachhaltigkeit, Kopenhagen erweitert sich in ein transnationales Infrastruktur-Netzwerk hinein, etc. etc. In ganz Europa suchen die Städte nach Antworten auf die dringenden Fragen nach billigem Wohnraum, nach Möglichkeiten der Nachverdichtung bestehender und Konzeption zukunftsfähiger Infrastrukturen, nach Räumen für neue Lebensformen sowie den Erhalt von Natur in der Stadt. Nur in Berlin scheinen manche Politiker so mit sich selbst beschäftigt, dass sie den Wiederaufbau einer historischen Blockstruktur für ein Problem von internationaler Bedeutung halten, wert, Gegenstand einer Bauausstellung zu sein. Dabei fällt auf, dass sie diesen faden Gedanken exklusiv in der Presse unter Auslassung der kompetenten Fachverwaltungen ihrer regierenden Parteigenossen und vor allem auch ohne jegliche Beteiligung der Betroffenen diskutieren. Man kann sich nur wundern über so viel Realitätsverlust.

In Wahrheit ist eine Bauausstellung grundsätzlich nur dann sinnvoll, wenn etwa die normalen Planungsmechanismen überfordert sind – was hier nicht zutrifft, denn auch für die Mitte von Mitte ist das Planwerk Innenstadt ein brauchbares Instrument, das allenthalben auch Anwendung findet. Auch sollte man Bauausstellungen nur für architektonische und städtebauliche Aufgaben einsetzen, die den Status quo tatsächlich herausfordern – die immer wieder aufgewärmte Berliner Stil- und Strukturdiskussion ist seit Jahren erschöpft. Auch um unterprivilegierten Stadtgebieten oder Bewohnergruppen unter die Arme zu greifen, kann man eine IBA sinnvoll einsetzen, aber im zentralsten Quartier der Stadt dürfte ein solch sozialer Ansatz kaum umsetzbar sein. Denn die „historische Mitte“ enthält auch schon vor dem Wiederaufbau des Schlosses die teuersten Grundstücke, die Berlin hat. Hier lässt sich kein sozialer Wohnungsbau betreiben, hier kann bestenfalls ein kleinteiliges Neubauquartier für Höchstverdiener oder eben touristisches Gewerbe entstehen, eine Mischung aus Nikolaiviertel und Town-House- Quartier.

Matthias Sauerbruch ist Architekt, hat in London und Harvard gelehrt und hält den Lehrstuhl für Gebäudeplanung und Entwerfen an der UdK in Berlin.
Matthias Sauerbruch ist Architekt, hat in London und Harvard gelehrt und hält den Lehrstuhl für Gebäudeplanung und Entwerfen an der UdK in Berlin.

© dpa

Man fragt sich als interessierter Steuerzahler also, wieso eine solch Kampagne geführt wird? Warum stemmen sich die Unterstützer gegen die Umsetzung des geplanten und tatsächlich dringlichen IBA-Themas der Re-Urbanisierung innenstadtnaher Siedlungsstrukturen? Warum ignorieren Sie die Interessen der lokalen Anwohner? Warum stoßen sie ihr ureigenstes Klientel vor den Kopf?

Es muss wohl eine Mischung aus Eitelkeit, Machtspielen und Einfallslosigkeit sein, die zu dieser Diskussion geführt hat, und sie wird natürlich von der Presse angefacht. Dem sei nun entgegengehalten: Es gibt auch Wähler in der Stadt, die sich wünschen, dass sich die Politik mit den tatsächlichen Problemen auseinandersetzt, dass sie zuhört und differenzierte Ziele verfolgt, anstatt ihre halbfertigen Gedanken im Scheinwerferlicht der Medien auszubreiten.

Die Mechanismen demokratischer Planung sind langsam und manchmal mühsam und man kann die Verlockung verstehen, sie beschleunigen zu wollen. Eine IBA könnte das bis zu einem gewissen Grad, aber sie ist ein „Ausnahmezustand auf Zeit“, der mit Sorgfalt und gezielt verwendet werden möchte. Zunächst einmal erwarten wir von unseren Politikern, dass Sie sich der Disziplin der selbst erschaffenen Planungswerkzeuge unterwerfen und dazu beitragen, die anstehenden Fragen nach sachlicher Abwägung und Anhörung aller Betroffenen im Interesse der Mehrheit zu entscheiden.“

Harald Bodenschatz, ehemaliger Leiter des Fachgebiets Architektursoziologie an der TU Berlin, ist anderer Meinung: Er hält den Vorschlag von Jan Stöß für unterstützenswert. Seinen Gastbeitrag können Sie hier lesen.

Matthias Sauerbruch

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