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Die IFA findet wegen der Corona-Pandemie nicht als Massenevent statt, sondern ist nur für einige hundert Fachbesucher und akkreditierte Journalisten geöffnet.

© Christoph Dernbach/dpa

Internationale Funkausstellung 2020: Eine IFA mit viel Abstand in den Hallen unterm Funkturm

Die Funkausstellung öffnet wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr nur für Fachbesucher. Vieles findet nur online statt. Geht das Konzept auf? Ein Rundgang.

Die Corona-Ampeln zeigen dauerhaft Grün an den Eingängen der wenigen Messehallen der IFA 2020. Dass sich das an den beiden noch verbleibenden Tagen der früher so gewaltigen Messe noch ändern wird, ist unwahrscheinlich. Dafür ist einfach zu viel Platz zwischen den Ausstellern, und in den Zwischenräumen verlaufen sich wenige Besucher.

„Hybrid“ soll diese Corona-„Special Edition“ der Elektronik-Schau hießen, und das ist eine freundliche Umschreibung dafür, dass der größte Teil des Informationsangebots ins Internet entschwunden ist, um dort betrachtet zu werden – oder eben auch nicht. Das, was es an Ort und Stelle tatsächlich zu sehen und anzufassen gibt, ist allenfalls eine symbolische Repräsentanz des elektronischen Lebens, in der Staubsauger und Sexspielzeuge, gemessen an diesem Leben, überproportional oft vorkommen.

Wer unvorbereitet eintritt, der erleidet notgedrungen einen Schock. Kann das Ensemble aus ganzen vier Hallen, von denen nur eine gute halbe mit Ständen locker gefüllt ist, den Namen IFA in Anspruch nehmen? Zwei Hallen davon nehmen die, uff, „Global Press Conference“ auf, in deren Rahmen virtuell eingespielte Redner auf einer mächtigen Projektionsstrecke von Hallenlänge das Lob der Innovationskraft ihrer Firma singen.

Dann gibt es noch eine leere, locker mit ein paar Streetfood-Buden zugestellte Halle, in der die allgemeinen Abstandsregeln leicht um den Faktor zehn übererfüllt werden können. Nur 150 Aussteller sind gekommen, und an jedem der drei Tage dürfen nur je tausend Besucher an den strengen Ein- und Auslasskontrollen vorbei hinein.

Am Eröffnungstag der IFA sind nur wenige Gäste vor Ort. Die Sitzmöbel mit Abstand platziert.
Am Eröffnungstag der IFA sind nur wenige Gäste vor Ort. Die Sitzmöbel mit Abstand platziert.

© Bernd Matthies

Lebhafter und enger geht es im „City Cube“ bei „Shift/Next“zu, wo unter den allfälligen Schlagworten „Mobility“ und „Innovation“ eine äußerst schlicht gestaltete Kleinmesse abgehalten wird, die man sich als Start-up-Schaufenster vorstellen kann. Oben auf dem Parkdeck lassen sich unspektakuläre E-Fahrzeuge probefahren, und nebenan im Obergeschoss des Gebäudes sind dann in gemütlicher Parkhausatmosphäre noch einmal ein paar Imbissbuden aufgereiht.

Es ist leicht, über diese Anstrengung der Messe Berlin zu spotten, weil sie im sichtbaren Ergebnis so klein geraten ist - doch der Veranstalter muss und musste hart kämpfen, um überhaupt irgendetwas auf die Beine zu stellen. Und es geht bei dieser IFA natürlich auch darum, Perspektiven für die Grüne Woche und die ITB auszuloten, die ja nicht weniger auf zwischenmenschlichen Kontakt setzen, als es die IFA früher getan hat.

Das Tröpfeln der Besucher am ersten Tag lässt noch keine Bewertung zu, zumal es sich ja durchaus um hochkarätige internationale Geschäftsleute und Journalisten handeln kann, die für den Erfolg einer Messe wichtiger sind als noch so viele fidele Rentner, die mal schauen wollen, ob sie einen neuen Fernseher finden.

"Wichtiges Signal, dass Messen wieder möglich sind"

Eine erste wohlwollende Stellungnahme kam am Donnerstag von Jan Eder, dem Hauptgeschäftsführer der Berliner IHK, der den zur Lage passenden Kernsatz formulierte: „Die IFA ist ein wichtiges Signal, dass Messen wieder möglich sind.“ Er forderte den Senat aber auch auf, eine aktive Messepolitik zu betreiben, um den Standort mit zukunftsfähigen Konzepten dauerhaft zu sichern.

Was geschah an diesem ersten Messetag? Das Geschehen fokussierte sich auf die beiden Pressehallen, in denen gut zweihundert Zuschauer den gewaltig aufgeblähten Äußerungen der Hauptredner folgten. Ob sie das mit Gewinn getan haben, mag im Auge des Betrachters liegen – die als „Keynote“ herausgehobene Show des Qualcomm-Chefs Cristiano Amon war eine sehr amerikanische Selbstbespiegelung eines Gewinners, der gar nicht oft genug darauf hinweisen konnte, wie gut er sich mit den Jungs von Microsoft versteht.

Auch das ist Heimelektronik: Eine Vertreterin des Sextoy-Herstellers Satisfyer präsentiert die Steuerung der Vibratoren durch eine App.
Auch das ist Heimelektronik: Eine Vertreterin des Sextoy-Herstellers Satisfyer präsentiert die Steuerung der Vibratoren durch eine App.

© Tobias Schwarz/AFP

Das sind diese unfassbar lockeren Multimillionäre mit den Turnschuhen und karierten Hemden, die die Buzzwords ihrer Branche derart im Dauerfeuer mit Musik und Theaterdonner auf die Zuhörer loslassen, dass die zwangsläufig beeindruckt sind. Fassen wir zusammen: 5G und WiFi 6 werden die Welt in einem Maße revolutionieren, wie wir das ohne Silicon-Valley-Expertise noch nicht einmal zu ahnen in der Lage wären.

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Auch I.P.Park, der Technikchef von LG in Korea, vermag professionell Optimismus zu verbreiten und präsentiert sodann auf den riesigen Videowänden allerhand medizinnahe Geräte, die uns die Coronakrise leichter machen sollen. Doch rasch vollzieht er eine spektakuläre Wende zu den Großfernsehern, mit denen er vermutlich doch mehr Geld verdient: Eine der großen Plagen, denen uns die Seuche aussetze, sagt er, sei Langeweile, und auch dagegen habe er das Richtige. Die Worte „Lifestyle“ und „Innovation“, geschickt über knappe Sätze verteilt und mit der richtigen Dosis „Sustainability“ abgeschmeckt – das ist das stets erfolgreiche Grundrezept.

Dumm ist, wenn die Hardware nicht zu betrachten ist

Solche bild- und tongewaltigen Selbstdarstellungen in Sachen PR, deren Informationskern winzig ist, zählen seit jeher zum Messegeschäft. Den Platz auf dem Keynote-Podium geben die Veranstalter gewiss nicht umsonst her, und Top-Manager streicheln ihre Eitelkeit meist ebenso gern wie ihre Auftragsbücher. Dumm ist eben nur, wenn die dazugehörige Hardware nicht nebenan in den Hallen zu betrachten ist – schon deshalb hätte eine Öffnung für das allgemeine Publikum keinen Sinn ergeben.

Einer der Pfeiler jeder IFA war auch der deutsche Hausgerätehersteller BSH, den jeder als Bosch-Siemens kennt. Das ist 2020 im geschrumpften Rahmen nicht anders: Gekommen ist Matthias Ginthum, der „Chief Market Officer“, der seine Ausführungen ebenfalls in geläufigem Englisch von den beiden Bühnenmonitoren abliest, sogar persönlich ohne Podium im heute für Führungskräfte obligatorischen Steve-Jobs-Stil. Nun, um es kurz zu machen: BSHG konnte seine Umsätze in der Krise steigern, das Unternehmen liegt an der Spitze der Innovation weltweit, und zwar bei geradezu weltmeisterlicher Einhaltung der Grundsätze der Nachhaltigkeit. Ach, und die Vernetzung des eigenen Hauses vom Haarfön bis zum Dampfgarer schreitet unaufhörlich voran. Das mag wichtig sein, aber im Vergleich zum wohligen Drehen echter Knöpfe an blankpolierten Geräten ist es eben doch nur: Reklame.

Die real existierenden Aussteller sind also ein kleines Häuflein. Den größten Stand bespielt Huawei aus China mit seinen Handys und Tablets, den so ziemlich einzigen Geräten, die hier in die Hand genommen und in engen Grenzen ausprobiert werden dürfen. Ganz hinter Glas bleiben die hübsch bunten Sexspielzeuge der Firma Satisfyer, die, man ahnt es, ebenfalls per App angesteuert und kontrolliert werden können - eine profunde Aussage über die Liebe in Zeiten von Corona. Auch die Bild-Zeitung hat sich groß aufgebaut und verbreitet täglich mehrmals via Internet die Kunde der jeweils eintreffenden Technik-Sensationen.

Wie das Pfeifen im dunklen Wald ertönt pünktlich zum ersten Messetag der Ausblick auf die ITB im März: Ein „hybrides Pop-Event“ soll sie werden. Vermutlich mit vielen herrlichen Reisezielen im Internet.

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