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Interreligiöser Dialog: Kirchen und Muslime suchen schon lange das Gespräch

Der christlich-muslimische Dialog läuft schon lange, doch nach dem 11. September 2001 musste man praktisch von vorne anfangen. Es gibt nur wenige Gemeinden, denen der Austausch wirklich am Herzen zu liegen scheint.

Die Begeisterung hält sich in Grenzen. „Das steckt alles noch sehr in den Anfängen“, sagt Bischof Markus Dröge am Mittwoch auf die Frage, wie es um den christlich-muslimischen Dialog stehe. Es wundere ihn selbst, wie wenig die „große Herausforderung dieses Themas“ bislang angenommen worden sei. Dröge, seit zehn Monaten evangelischer Bischof in Berlin, will wie sein katholischer Kollege Kardinal Georg Sterzinsky das Gespräch zwischen christlichen und muslimischen Gemeinden vorantreiben. Deshalb haben die beiden Geistlichen zu Beginn der Woche erstmals in einem gemeinsamen Brief muslimischen Gemeinden und Verbänden Segenswünsche zum Zuckerfest am Ende des Ramadan geschickt und dies mit der Aufforderung verbunden, man möge doch mehr Begegnungen zwischen Kirchen- und Moscheegemeinden ins Leben rufen.

Es tue sich einiges, sagt Dröge. So besuchen sich Pfarrer und Imame zu religiösen Festtagen oder spielten Fußball gegeneinander, Konfirmandengruppen schauen sich eine Moschee an, und Schulklassen mit muslimischen Kindern kommen in die Kirchen, Moscheen laden zum „Tag der Offenen Tür“. „Aber es ist noch ein weiter Weg“, so Dröge. Der 11. September sei ein Dämpfer gewesen, danach habe man praktisch neu anfangen müssen.

Für ihn als Bischof sei es nicht leicht, geeignete Ansprechpartner bei Verbänden oder Gemeinden zu finden. Wer spricht auf Augenhöhe, wer spricht verbindlich? Wann wertet man Islamisten auf? „Ich werde wohl mit verschiedenen Gemeinden und Verbänden reden müssen, es gibt ja nicht die eine Vertretung der Muslime“, sagt Dröge. Um das Thema in der eigenen Landeskirche strukturierter anzugehen, will er nun auf Leitungsebene einen eigenen Beauftragten für das Gespräch mit den Muslimen berufen.

Im Berliner Erzbistum ist Pater Alois Schmid seit 2003 der Beauftragte für den Dialog mit den Muslimen. Der Aufruf der beiden Bischöfe geht auch auf seine Initiative zurück. Denn Pater Schmid ist frustriert. „Das Interesse in den katholischen Gemeinden für den Dialog mit dem Islam ist viel zu gering“, sagt er. „Überall, wo Moscheen stehen, müssten sich doch die christlichen Gemeinden bemühen, mit den Nachbarn ins Gespräch zu kommen oder sich zumindest über den Islam zu informieren.“ Aber Pater Schmid fallen gerade mal eine Handvoll Gemeinden in Berlin ein, denen der Austausch am Herzen liegt, die sich wie etwa in Rixdorf regelmäßig mit den Moscheegemeinden treffen. Lediglich einzelne, meist ältere Personen würden sich für das Thema interessieren und sich meist in Gesprächskreisen der Akademien treffen. „Multiplikatoren sind daraus aber selten hervorgegangen“, sagt Schmid.

Solche Gesprächskreise gibt es seit Jahren in etlichen Akademien, die von den Kirchen oder den politischen Parteien getragen werden. Überhaupt drängt sich der Eindruck auf: Je höher die Ebene, umso eher scheint man mit der anderen Religion ins Gespräch zu kommen. So kam es auch bei der Kampagne „Pro Reli“ zu einem interreligiösen Zusammenschluss von Kirchen, muslimischen Verbänden und jüdischer Gemeinde – auch wenn das Engagement der Muslime über einzelne verbale Bekundungen kaum hinausging. Kardinal Sterzinsky ist regelmäßig zum Fastenbrechen eingeladen.

Zusammen Tee trinken, ist für Pfarrerin Elisabeth Kruse von der evangelischen Genezareth-Gemeinde im Neuköllner Schillerkiez aber noch kein Dialog. Zum Dialog gehöre, dass sich beide Seiten auf ein Gespräch einlassen und bereit sind, sich zu verändern. Diese Bereitschaft vermisst sie besonders auf muslimischer Seite. Deshalb spricht Kruse lieber von „Begegnungen“, und die versucht sie seit einigen Jahren anzustoßen. Das Ergebnis ist einmal im Jahr ein „Abend der Begegnungen“, Nachbarschaftsfeste, Konzerte mit türkischen Musikern, ab und zu Podien, auf denen Pfarrer und Vertreter von Migrantenverbänden über soziale Probleme diskutieren, ein Deutschkurs zweimal die Woche. „Aber ein regelmäßiger Austausch etwa mit der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm kommt nicht zustande“, sagt Kruse. Ein Tiefpunkt sei ein zweistündiger Vortrag gewesen, den der dortige Imam einer Runde Christen auf Türkisch gehalten habe, der dann in wenigen Sätzen auf Deutsch zusammengefasst worden sei.

Seit Dezember engagiert sich Pfarrerin Kruse zusammen mit Katholiken, Hindus, Bahai, Jüdischer Gemeinde und Muslimen in der Initiative „Religion auf dem Tempelhofer Feld“. Ein Projekt sind die „Leergänge“: Einmal im Monat geht man gemeinsam nach einem geistlichen Impuls schweigend über das leere Feld. „Manchmal hilft gemeinsam schweigen mehr als reden“, sagt Kruse. „Aber selbst bei dieser Initiative war sei längerem kein Muslim mehr dabei.“

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