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© Mike Wolff

Interview: „Alle sozialen Projekte gehören auf den Prüfstand“

Oberstaatsanwalt Hans Jürgen Fätkinhäuer meint, dass mangelnde Kontrolle den Wildwuchs gefördert hat.

Herr Fätkinhäuer, als Korruptionsbekämpfer wissen Sie Bescheid, was mit öffentlichem Geld geht und was nicht. Darüber gibt es derzeit eine Debatte. Ist das Ihre Stunde?



Wie man es nimmt. Der Korruptionsbegriff lässt sich einerseits weit verstehen und umfasst dann Begriffe wie Sittenverfall und Verderbtheit. Die Aufgaben des Antikorruptionsbeauftragten beschränken sich andererseits eher auf den strafrechtlichen Kern des Begriffes, wie Bestechlichkeit und Vorteilsannahme. Dessen ungeachtet macht mir die aktuelle Situation unter dem Aspekt der Korruptionsprävention schon große Sorge. Hier gilt es den Anfängen zu wehren.

Zum Beispiel im Fall der Maserati-Affäre. Sie zeigt, welche Profite bei sozialen Trägern möglich und welche Privilegien dort finanzierbar sind. Müssten die Träger nicht besser überprüft werden?

Natürlich, alle Projekte gehören immer wieder auf den Prüfstand. Da klärt sich, ob Berlin das, was es mit den Sozialleistungen erreichen will, auch wirklich noch erreicht, oder ob es Wildwuchs gibt. Der Fall mit dem Maserati ist eine wundervolle Vorlage, um das zu klären. Mir scheint, dass Sozialprojekte, die einmal ins Laufen gekommen sind, schnell einen Dauerstatus haben. Da gibt es keine temporäre Zwischenkontrolle, ob die Ziele erreicht werden. Es ist wie bei einer Pipeline: Wenn die einmal offen ist, dann fließt das Öl. In einer hoch verschuldeten Stadt wie Berlin sollte man sich darüber Gedanken machen.

Steht dem Mann denn der Luxuswagen nicht zu, er leitet schließlich 280 Leute an?

Wenn er ein eigenes unternehmerisches Risiko tragen würde, selbstverständlich. Wenn der Ertrag aber durch das Anzapfen staatlicher Quellen wie eine Lizenz zum Gelddrucken funktioniert, dann ist das nicht hinnehmbar.

Ist es nicht auch eine Veruntreuung von Geldern und damit eine Straftat?

Bisher gibt es dafür noch keinen Anfangsverdacht.

Also alles nicht so schlimm?

Doch, mir machen die Erosionsprozesse bei Moral und Anstand, die schnell auch in korruptive Grauzonen führen, große Sorgen. Ein Beispiel dafür ist der Vorgang rund um Herrn Hillenberg. Hier wurde das Vergaberecht zur Disposition der Beteiligten gestellt. Dabei stellt das Vergaberecht doch eine klare Handlungsanleitung für die Verwaltung dar, die letztlich auch Korruption unterbindet. Jeder, der sich nicht daran hält, bewegt sich schon auf der Filztreppe.

Die Korruptionsstraftaten scheinen aber rückläufig zu sein.

Ja, das stimmt. Die aktuellen Fallzahlen sprechen dafür. Das ist eine positive Entwicklung, die man auf eine gute Strafverfolgung und Präventionsarbeit zurückführen kann.

Aber zeigen die genannten Einzelfälle nicht auch, dass eine Menge grenzwertiges Handeln möglich ist, ohne dass Strafe droht?

Ja, und das scheint sich immer mehr auszubreiten. Es gibt eine Verlotterung der Sitten. Es geht dabei weniger um strafbare als vielmehr um ethisch-moralisch verwerfliche Handlungen. Wenn zum Beispiel jemand im Bereich der Treberhilfe Maserati fährt, dann fehlt es dieser Person ersichtlich an der notwendigen Bodenhaftung. Dieses abgehobene Verhalten lässt sich leider in vielen Bereichen feststellen.

Im Fall von Hillenberg oder der Treberhilfe geht es aber auch ums Geld. Muss nicht mehr kontrolliert werden?

Sicher, nur wird das für die Kontrolle zuständige Personal in den staatlichen Verwaltungen häufig genug abgebaut. Zudem werden Kontrollaufgaben zum Teil ausgegliedert. Das mag auf kurze Sicht Geld sparen. Auf Dauer kann es jedoch zu einem Desaster führen, wie der U-Bahn-Bau in Köln und die Wartungsmisere bei der Berliner S-Bahn zeigen.

Und niemand will es gewesen sein…

Die Verantwortung wird in der Tat durchgereicht. Ein gutes Beispiel dafür hat der Winter in Berlin geliefert. Die Stadt hat eigentlich die Verkehrssicherungspflicht auf öffentlichen Straßen, müsste also Schnee und Eis beseitigen. Die Stadt reicht es weiter an die Grundstückseigentümer. Die reichen es weiter an den privaten Räumdienst. Der reicht es letztlich weiter an die Haftpflichtversicherung. Jeder guckt auf den anderen. Am Ende findet kein Winterdienst mehr statt. Den Schaden hat der Bürger, der sich auf dem Eis die Beine bricht, und die Krankenkassen, die die Behandlung zu zahlen haben.

Das Gespräch führten Fatina Keilani und Ralf Schönball.

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