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Versprochen – gehalten. Frank Henkel, Fraktions- und Landesvorsitzender der CDU, findet im Koalitionsvertrag viele Punkte, wo sich die Union durchgesetzt hat.

© Mike Wolff

Interview: Frank Henkel: "Mut, in großen Linien zu denken"

Frank Henkel spricht über den Pragmatismus von Rot-Schwarz, darüber, warum der Koalitionsvertrag die Handschrift der Union trägt - und verrät, welcher Punkt ihm die stärksten Bauchschmerzen bereitet.

Herr Henkel, was ist die Philosophie dieser Koalition? Sexy bleiben, reicher werden – das wirkt wie eine Karikatur?

Wieso?

Sie haben diese Formulierung im Wahlkampf oft kritisiert.

Ich hätte diese Formulierung angesichts der wirtschaftlichen Situation vieler Menschen in dieser Stadt so auch nicht verwendet. Aber in der neuen Formulierung spiegelt sich der Leitgedanke dieser Koalition wieder: Wir wollen, dass alle Menschen am Leben dieser Stadt teilhaben können. Wir wollen eine starke Wirtschaft, gute Arbeit und wir wollen für sozialen Zusammenhalt sorgen.

Warum verstehen Sie sich so gut mit Klaus Wowereit?

Vielleicht liegt es daran, dass wir beide aus Berlin kommen und zwar unterschiedliche, aber doch in Teilen ähnliche Biographien haben. Und wir haben beide eine Leidenschaft für die Stadt.

Rot-Rot trat an mit der Devise „Mentalitätswechsel“ an und wollte Ost und West miteinander versöhnen. Was ist jetzt das Motto – West-Berlin voran

Nein. Diese Koalition lässt sich wirklich nicht geographisch aufteilen. Wir wollen die Stadt voranbringen in den nächsten fünf Jahren.

Im Koalitionsvertrag ist keine Rede von der Klimahauptstadt oder von Berlin als Stadt der green economy oder der Gesundheitsstadt Berlin. Fehlt es Rot-Schwarz an Anspruch.

Überhaupt nicht. Ich finde ganz im Gegenteil, dass diese Koalition den Mut hat, in großen Linien zu denken. Wir wollen den wirtschaftlichen Aufbruch, ohne den Charakter unserer Stadt zu verfälschen. Berlin hat eine große Zukunft vor sich, daran wollen wir bauen. Diese Koalition steht pragmatische Lösungen. Das mögen manche für langweilig halten. Aber wir sehen jetzt aktuell bei den Grünen, dass das keine Selbstverständlichkeiten sind. Koalition ohne Anspruch – so hat es, glaube ich, Frau Pop formuliert. Das amüsiert mich jetzt. Die Grünen sind meilenweit von der Regierungsfähigkeit entfernt. Sie sind derzeit nicht mal in der Lage, Opposition zu betreiben.

Wichtige Forderungen der CDU sind erfüllt: Das jahrgangsübergreifende Lernen wird freiwillig, die Kennzeichnungspflicht wird für Polizisten sicherer. Auf welchen Punkt sind Sie stolz?

Wir haben die wesentlichen Punkte unseres Wahlprogramms durchsetzt: ein Programm für Industrie, Mittelstand und Zukunftstechnologien. Der überteuerte und uneffektive öffentliche Beschäftigungssektor kommt weg. Die großen Infrastrukturmaßnahmen, die A100, die Entwicklung von Tegel und Tempelhof werden vorangetrieben. Und mit dem angestrebten Stiftungsmodell für die Charité und das Max-Delbrück-Centrum stärken wir die Gesundheitswirtschaft. Wir wollen den angespannten Wohnungsmarkt entkrampfen, indem wir 30000 neue Wohnungen bauen, mit privaten Unternehmen.  Stolz bin ich darauf, dass es uns gelungen ist, das Straßenausbaubeitragsgesetz wegzubekommen.  250 zusätzliche Polizisten im Vollzugsdienst. Was wir als Union im Wahlkampf versprochen haben, haben wir gehalten.

Welcher Punkt hat Ihnen die stärksten Bauchschmerzen gemacht?

Dass wir der laufenden Bundesratsinitiative der Sozialdemokraten zur Abschaffung der Optionspflicht …

für die deutsche oder die türkische Staatsbürgerschaft…

…zustimmen, indem wir gesagt haben, dass laufende Bundesratsinitiativen von uns unterstützt werden.

Lesen Sie auf Seite 2, wie sich Frank Henkel zu innenpolitischen Themen positioniert

Die CDU soll vier Ressorts besetzen. Können Sie sich vorstellen, dass die CDU-Riege eine reine Männerriege ist?

Ich kann mir das schwer vorstellen, denn für eine moderne Großstadtpartei ist es angebracht, bei vier Senatoren wenigstens das Viertel an Frauen zu halten, das wir in gesellschaftlichen Diskussionen einfordern. Aber die Frage Berliner oder Außenlösung, Mann oder Frau spielt nicht die zentrale Rolle, sondern die Qualität.

Die CDU soll das Amt des Innensenators besetzen. Die Koalitionsvereinbarung liest sich wie eine Fortsetzung von Ehrhart Körtings Politik. Was soll anders werden.

Die Polizeipräsenz soll besser werden. Polizistinnen und Polizisten sollen auf Straßen und Plätzen in festgelegten Kontaktbereichen als Fußstreifen unterwegs sein. Sie sollen als Ansprechpartner deutlich präsenter werden. In Problemkiezen soll verstärkt mobile Polizeiberatung angeboten werden. Da soll es vor Ort Sprechstunden mit Präventionsbeauftragten geben. Um das Sicherheitsgefühl der Menschen zu erhöhen, muss Polizei sichtbar und erfahrbar sein.

Um den Polizeipräsidenten hat es in den Koalitionsverhandlungen Ärger gegeben, auch zwischen Ihnen und der SPD. Wie gehen Sie damit jetzt um?

Gelassen. Wir haben ein laufendes  Gerichtsverfahren, von dem ich heute nicht weiß, wie es ausgeht. Ich habe deutlich gemacht, dass ich das Auswahlverfahren für die Besetzung des Polizeipräsidenten für falsch halte. Der Streit sollte aber nicht auf dem Rücken des Bewerbers ausgetragen werden. Wenn am Ende der Verfahrens Udo Hansen Polizeipräsident wird, dann muss er eine faire Chance bekommen. Ich jedenfalls will sie ihm einräumen.

Unterstützt die Koalition ein NPD-Verbotsverfahren?

Eindeutig ja. Wir machen uns für ein solches Verfahren stark. Auf ein solches Vorhaben hatten wir uns übrigens auch schon verständigt, bevor die Morde der thüringischen Rechtsextremen bekannt wurden. Wir haben aber auch deutlich gemacht, dass wir entschieden links- und rechtsextremischen Tendenzen entgegentreten werden.

Werden Sie überprüfen, wie das Landesamt für Verfassungsschutz arbeitet und sicherstellen, dass es keine V-Männer in der NPD gibt, die einen Verbotsantrag zunichte machen können?

Es ist ganz sicher so, dass sich ein CDU-Innensenator auch damit beschäftigen muss.

Berlin braucht Arbeitsplätze - woher sollen die kommen?

Wir setzen auf eine moderne Wirtschaft, auf saubere Technologien, umweltfreundliche Mobilität – insbesondere Elektromobilität. Das ist ein zentraler Kern unseres Wahlprogramms. Das gilt es jetzt schrittweise umzusetzen. Wir haben ja viel Potential im Kommunikations- und IT-Bereich und wir haben die Chance, Berlin zu einem europäischen Silicon valley zu machen. Wichtig ist, wie wir nach der Schließung den Flughafen Tegel entwickeln und dort die Hochschulen integrieren, etwa Teile der Beuth-Hochschule und der Technischen Universität. Aber es gibt auch kleinere Impulse, die wichtig sind: etwa den Handwerker-Parkausweis. Und es wird darauf ankommen, dass wir die Verwaltung unternehmensfreundlicher gestalten.

Könnten sie sich einen Unternehmer vorstellen, der bereit wäre, Wirtschaftssenator zu werden?

Wir führen im Augenblick Gespräche. Namen werden Sie deshalb nicht hören.

Hat sich die Landesregierung in den vergangenen Jahren zu wenig bemüht, Unternehmen nach Berlin zu holen?

Ich bin der Auffassung, dass man sich mehr anstrengen kann - und angesichts einer Arbeitslosenquote von 13, 3 Prozent auch mehr anstrengen muss. Es wird unter dem Titel „Berlin arbeitet“ ein neues Programm geben mit einer Job- und Qualifizierungsoffensive. Dazu gehören zusätzlich 350 Jobvermittler, um das Betreuungsverhältnis von Arbeitslosen zu verbessern. Und wir wollen auch auskömmliche Einkommen und haben uns deshalb auf eine Mindesteinkommen von 8,50 Euro verständigt. Zugleich aber werden wir die Bekämpfung der Schwarzarbeit verstärken. Das sind schon Dinge, die sich sehen lassen können und die Handschrift der Union tragen.

Aber Forschung und Wissenschaft getrennt – das ist doch Unsinn?

Das sehe ich nicht so, sondern finde Wirtschaft, Technologie und Forschung eine gute Kombination. Wir wollten ein solches Zukunftsressort, weil wir die Stadt voranbringen wollen auch durch ressort-übergreifende Verknüpfungen. Wir haben im Bereich Forschung die Hochschulen und Adlershof. Das ist ein gutes Beispiel, wie man Standorte entwickeln kann, auch in der Zusammenarbeit mit Unternehmen, der Forschung und den Universitäten.

Die CDU hat immer sehr scharf die vielen Probleme an Berliner Schulen kritisiert. Aber eine besondere Kraftanstrengung und besondere Investitionen etwa mit Sozialarbeitern in diesem Bereich gibt es nicht.

Die Koalition verstärkt die Anstrengungen, Unterrichtsausfall zu verhindern, den Lehrermangel zu stoppen und die Eigenständigkeit der Schulen auszubauen. Wir bekennen uns zur zweigliedrigen Schulstruktur in Berlin: Es werden die Sekundarschulen gestärkt, aber auch die Gymnasien. Bildung in Berlin bleibt von der Kita bis zur Hochschule gebührenfrei. Unser oberstes Ziel ist ein Schulfrieden. Darauf haben wir uns verständigt. Deswegen kann ich für die CDU sagen: versprochen - gehalten.

Haben sie einen Krisenmechanismus vereinbart, falls es im Regierungsalltag rumpelt?

Damit es überhaupt kein Krisenmechanismus ist, haben wir in der Tat eine regelmäßige Konsultation vereinbart. Wir nehmen uns einfach vor, sich jenseits des Tagesgeschäfts auszutauschen über Dinge, die beide Partner in verschiedenen Politikbereichen planen. Wenn wir gesagt hätten, ein Koalitionsausschuss tritt zusammen, wenn einer der Partner es will, dann kann ich mir vorstellen, wie die Medien darauf reagiert hätten.

Hätten Sie es für besser gefunden, wenn der Regierende Bürgermeister sofort nach seiner Wahl die Senatoren vorstellt - und nicht erst vierzehn Tage später? Sorgt sich Klaus Wowereit, nicht alle Stimmen der Koalition zu bekommen?

Ich weiß nicht, ob das die Sorge von Klaus Wowereit ist. Meine ist es jedenfalls nicht. Den Fahrplan haben wir miteinander verabredet. Ich bin auch sicher, dass die Wahl des Regierenden Bürgermeisters reibungslos über die Bühne gehen wird.

Das Gespräch führten Werner van Bebber und Gerd Nowakowski.

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