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Burkhard Dregger, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

© Kai-Uwe Heinrich

Interview mit Burkhard Dregger: "Der Bund ist gefordert, das Opferentschädigungsgesetz nachzubessern"

Burkard Dregger, bisheriger Leiter des Amri-Untersuchungsausschusses, fordert höhere Renten für Opfer und warnt vor schnellen Schlussfolgerungen.

Von Sabine Beikler

Herr Dregger, am Freitag leiten Sie zum letzten Mal den Amri-Untersuchungsausschuss Was muss man als Vorsitzender eines solchen Ausschusses können?

Ich habe eine sehr emotionale Bindung zu diesem Thema aufgebaut und den Vorsitz gern geführt. Ein Vorsitzender muss fachlich kompetent sein, um Zeugen vernehmen zu können. Er muss besonders fleißig sein, die Akten sehr genau studieren. Außerdem muss er die sechs Fraktionen von Linke bis zu AfD integrieren können. Und er muss versuchen, eine politische Instrumentalisierung kleinzuhalten. Es geht um eine sachgerechte Aufklärung, die wir den Opfern und Hinterbliebenen schuldig sind.

Welche parteipolitische Instrumentalisierung gab es bisher?

Ich möchte allen Mitgliedern des Ausschusses bisher ein gutes Zeugnis ausstellen. Es gab einen heftigen Angriff vonseiten der Justizverwaltung gegen mich und den Ausschuss um die Aktenführung. Das hatte mit Aufklärung nichts zu tun, sondern es ging nur darum, mich politisch zu schwächen. Die politische Integrität des gesamten Ausschusses war in Gefahr gebracht. Es ist uns allen gelungen, diesem Eindruck entgegenzutreten. Solche Attacken lösen aber Irritationen bei den Hinterbliebenen und Opfern aus. Das sollte man bedenken, wenn man parteitaktische Spielchen versucht.

Bisher wurden viele LKA-Zeugen aus Berlin gehört. Offensichtlich ist Amri völlig falsch eingeschätzt worden. Wie bewerten Sie die Arbeit des LKA zur damaligen Zeit?

Wir haben umfassend Zeugen gehört. In der Retrospektive ist klar, dass die Zeit 2015/2016 durch die Flüchtlingsströme eine hohe Herausforderung für die Staatsschützer war angesichts der Vielzahl von potenziellen Gefährdern, die überwacht werden mussten. In den Abläufen der Überwachungsmaßnahmen gab es Schwachstellen. Es muss grundsätzlich eine Lehre sein, dass man Delikte wie Drogenhandel oder gefährliche Körperverletzung wie bei Amri nicht beiseitelegt, sondern sie strafrechtlich nutzt, um Gefährder aus dem Verkehr zu ziehen. Der Ausschuss muss sich weiterhin mit anderen Ermittlungsbehörden wie der Staatsanwaltschaft auseinandersetzen, die bisher nicht vernommen wurde. Ob diese den Anschlag hätten verhindern können, vermag ich noch nicht zu sagen.

Aber es ist offensichtlich, dass im LKA damals leitende Beamte falsche Anweisungen gegeben haben.

Leitende Beamte hatten Amri nicht als Priorität behandelt, obwohl Sachbearbeiter das anders gesehen haben.

Es gab im Ausschuss Widersprüche zwischen den Zeugenaussagen. Warum wurde da nicht ausreichend nachgehakt?

Widersprüche sind in Untersuchungsausschüssen nicht ungewöhnlich. Es muss nicht heißen, dass ein Zeuge lügt. Jeder gibt seine subjektiven Wahrnehmungen wieder. Außerdem bleibt es dem Ausschuss unbenommen, Zeugen erneut vorzuladen. Man darf aber nicht die essenzielle Frage aus den Augen verlieren, ob der Anschlag hätte verhindert werden können.

Angeblich soll der Vizechef der Mobilen Einsatzkommandos im Ausschuss berichtet haben, dass Ermittler im Juni 2016 abgezogen worden seien für den Einsatz gegen Linksautonome. Stimmt das?

Ich kann mich an eine derartige Zeugenaussage nicht erinnern. Das Wortprotokoll liegt noch nicht vor. Der Zeuge sagte aber auch aus, dass jeder Auftrag aus dem Islamismus-Dezernat über Amri auch ausgeführt wurde. Keiner wurde abgelehnt. Ich warne davor, Schlussfolgerungen zu unbelegten Tatsachen zu ziehen.

Politisch war damals Frank Henkel als Innensenator verantwortlich. Warum wurde der CDU-Politiker bisher nicht gehört?

Das Interesse an einer Vernehmung erlosch bei einigen Mitgliedern mit der Bundestagswahl. Wir hätten Henkel damals hören können, aber uns fehlten noch viele Erkenntnisse. Der Ausschuss hat sich darauf verständigt, im September den LKA-Chef Christian Steiof, den früheren Polizeipräsidenten Klaus Kandt und Frank Henkel zu hören. Danach folgen weitere Behördenvertreter.

Die Opfer erhalten nur geringe Entschädigungen. Ist das gerecht?

Der Bund ist gefordert, das Opferentschädigungsgesetz nachzubessern. Ich halte eine geringe Monatsrente für Hinterbliebene für nicht angemessen und habe volles Verständnis dafür, dass die Angehörigen darüber empört sind.

Burkard Dregger (54) hat den Vorsitz der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus übernommen. Die Leitung des Untersuchungsausschusses zum Terroranschlag gibt der Innenexperte ab.

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