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Der SPD geht’s gut. Der neue Berliner Parteichef Jan Stöß ist jedenfalls dieser Meinung, und er verteidigt vehement den Genossen Klaus Wowereit.

© Thilo Rückeis

Interview mit Jan Stöß: "Wowereit hängt sich richtig rein"

Der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß über das Umfragetief der Berliner Sozialdemokraten, die Pannen am Airport BER und die Strategie für den Bundestagswahlkampf.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Herr Stöß, wie geht es der Berliner SPD?

Danke, der Berliner SPD geht es gut. Zu einer innerparteilichen Zerreißprobe, die nach meiner Wahl zum Landesvorsitzenden vorhergesagt wurde, ist es nicht gekommen. Die SPD wendet sich intensiv den wichtigen stadtpolitischen Themen zu, das ist ja unsere eigentliche Aufgabe.

Der Absturz des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit in den Meinungsumfragen macht Ihnen keine Sorgen?

Das ist eine Momentaufnahme. Natürlich haben wir seit der Verschiebung des Eröffnungstermins für den Flughafen BER eine schwierige Zeit. Nur wer nichts macht, der macht nichts falsch. Die SPD bleibt mit Klaus Wowereit die entscheidende, gestaltende Kraft in dieser Stadt.

Zum ersten Mal seit 2009 liegt der Koalitionspartner CDU in Umfragen vor der SPD. Das ist auch kein Problem für Sie?

Ich erinnere an Zeiten, als die Grünen vor der SPD lagen. Jetzt hat die CDU vorübergehend die Nase vorn. Letztlich ist entscheidend, ob wir uns um die Probleme erfolgreich kümmern, die die Menschen in der Stadt beschäftigen. Es geht um bezahlbare Mieten, gute Bildung und mehr Arbeitsplätze. Wir packen diese Themen an und kommen gut voran.

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Wo kommen Sie voran?

Ein schönes, aktuelles Beispiel ist die gelungene Einschulung nach den Sommerferien. Mit 1172 neuen Lehrern, einer fast flächendeckenden Ganztags- und verbesserten Hortbetreuung.

In einem Jahr sind Bundestagswahlen. 2009 kam die Berliner SPD nur auf 20,2 Prozent. Wie wollen Sie verhindern, dass es wieder ein Desaster gibt?

Wir werden im Bundestagswahlkampf die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen. Dafür steht die SPD. Dazu gehört auch die Rentenpolitik und Alterssicherung, da wollen wir uns ganz aktiv einbringen. Nach der Rentenreform 2001 ist das Versorgungsniveau der gesetzlichen Rente dramatisch gesunken, auch die Riesterrente und die Betriebsrenten bleiben weit hinter den Erwartungen zurück. Die Berliner SPD will eine Altersvorsorge, die nicht nur Armut verhindert, sondern den hart erarbeiteten Lebensstandard sichert.

Mit der Rentenpolitik allein lässt sich kein Wahlkampf bestreiten.

Bildungschancen für alle und eine kinder- und familiengerechte Stadt, das werden weitere Schwerpunkte sein. Die CDU hat mit ihrem unsäglichen und rückständigen Betreuungsgeld wenig anzubieten. Das werden wir im Wahlkampf auch sehr deutlich sagen.

Im Wahlkampf sind populäre und kompetente Kandidaten hilfreich. Mit welchen Zugpferden wollen Sie 2013 punkten?

Wir werden eine gute Mischung hinbekommen, mit erfahrenen Kandidatinnen und Kandidaten, aber auch vielen neuen Gesichtern.

Die SPD-Frauen wollen dieses Mal die Landesliste anführen. Bisher war Wolfgang Thierse, der seit 22 Jahren im Bundestag sitzt, auf den Spitzenplatz abonniert. Jetzt ist die Bundestagsabgeordnete Eva Högl aus Berlin-Mitte als First Lady im Gespräch. Stimmt’s?

Die zwölf SPD-Kreisverbände bestimmen ihre Wahlkreisbewerber, das ist nicht Sache des Landesvorsitzenden. Ich werde mich aber dafür stark machen, dass die Bundestagsliste der Berliner SPD von einer Frau angeführt wird. Es ist an der Zeit für ein solches Signal.

Kandidieren Sie auch für den Bundestag?

Nein. Ich bin gerade erst zum SPD-Landesvorsitzenden gewählt worden, es warten große Aufgaben auf mich. Da strebe ich nicht gleich das nächste Amt an. Ich will die Partei in Berlin voranbringen, dafür ist die SPD-Zentrale im Wedding ein besserer Ort als das Reichstagsgebäude.

Rot-Schwarz muss nach der Sommerpause schwierige Probleme lösen. Fangen wir beim Flughafen in Schönefeld an. Sollen die Steuerzahler für die zusätzlichen Kosten bluten oder fänden Sie es besser, für den Airport neue Schulden zu machen?

An erster Stelle ist die Flughafengesellschaft in der Pflicht, die Mehrkosten aus dem eigenen Budget aufzufangen. Aber warten wir doch die Aufsichtsratssitzung am 16. August ab. Es sollte bald feststehen, welche Belastungen auf die öffentlichen Haushalte tatsächlich zukommen.

Wer ist verantwortlich für den verschobenen Eröffnungstermin und die Kosten?

Die Verantwortung liegt in erster Linie bei den Planern und der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft. Wenn jetzt so getan wird, als sei der Aufsichtsrat und dessen Vorsitzender Wowereit für die Unternehmensführung zuständig, dann sage ich: Nein, die Geschäftsführung ist in der Pflicht.

Aber Klaus Wowereit ...

… ist erkennbar der Einzige, der sich richtig reinhängt, um die Probleme zu lösen. Die Berlinerinnen und Berliner trauen ihm diese Aufgabe auch zu, und nicht etwa Politikern der Opposition. Er hat unsere volle Unterstützung.

Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) hat sich doch an die Spitze der Bewegung gesetzt, um den Flughafen zu retten.

Sie machen Witze!

"Versorgungsnetze gehören in öffentliche Hände"

Dann wenden wir uns besser dem Lieblingsthema der Berliner Sozialdemokraten zu. Das ist die Rekommunalisierung. Die Wasserbetriebe werden zurückgekauft. Ist der Kaufvertrag mit RWE in Ordnung?

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus wird genau prüfen, ob das Angebot von RWE angemessen ist. In jedem Fall ist der Rückkauf ein wichtiger Erfolg.

Die CDU macht nur mit, wenn die Wasserpreise spürbar sinken.

Natürlich muss sich der Rückkauf der Wasserbetriebe für die Verbraucher rechnen. Ich gehe davon aus, dass sich die Koalition in diesem Sinne verständigt.

Entsprechend den Forderungen des Bundeskartellamts, also 17 bis 18 Prozent?

Was uns rechtlich verbindlich aufgetragen wird, daran werden wir uns halten. Die Berliner Wasserbetriebe auch. Das ist in einem Rechtsstaat so.

Da spricht der Jurist. Aber jetzt will die SPD auch das teure Stromnetz kommunalisieren, das noch von Vattenfall gemanagt wird. Was hat die Bevölkerung davon?

Es ist eine sozialdemokratische Grundüberzeugung, dass die Versorgungsnetze in öffentliche Hände gehören statt den Profitinteressen privater Konzerne zu dienen. Die Gewinne, die das Stromnetz abwirft, müssen in die Qualität der Versorgung gesteckt werden, damit sie wirtschaftlicher, ökologischer und preisgünstiger wird. Für die SPD steht das Gemeinwohl im Vordergrund.

Für den Umgang mit landeseigenen Grundstücken gilt das offenbar nicht. Seit Monaten streiten sich Stadtentwicklungssenator Michael Müller und Finanzsenator Ulrich Nussbaum über den richtigen Umgang mit öffentlichen Liegenschaften. Wie lange schauen Sie sich das noch an?

Wir erwarten, dass der Senat eine Liegenschaftspolitik betreibt, die nicht allein der bestmöglichen Verwertung dient, sondern der Stadtentwicklung nutzt. Ich nenne das Stadtrendite. Es muss dabei etwas herausspringen, zum Beispiel günstigere Mieten. Beim Verkauf von Grundstücken auf Einnahmen zu verzichten, kann sich am Ende also rechnen. Es reicht aber nicht, wenn Bauprojekte gut gemeint sind. Sie müssen genau überprüft werden. Ich bin guter Dinge, dass der Senat zeitnah ein Konzept beschließen wird.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der CDU, seitdem Sie SPD-Landeschef sind?

Beide Parteien arbeiten gut und vertrauensvoll zusammen. Ich bezweifle auch nicht, dass dies bis zur nächsten Wahl 2016 so bleibt. Im Bundestagswahlkampf werden die Unterschiede zwischen SPD- und CDU-Positionen klar erkennbar werden, aber das hält die Koalition aus.

Interview: Ulrich Zawatka-Gerlach

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