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Hans-Werner Franz, seit November 2003 Chef beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), verlässt das Unternehmen und wird am 27. Februar in den Ruhestand verabschiedet.

© Kai-Uwe Heinrich

Interview mit VBB-Chef Hans-Werner Franz: „Bei der U-Bahn verschlechtert sich die Qualität“

VBB-Chef Hans-Werner Franz organisiert seit gut zehn Jahren den öffentlichen Nahverkehr in Berlin und Brandenburg. Jetzt geht er in Rente. Zeit für ein letztes Gespräch über Angriffe, Apps und alte Züge.

Herr Franz, der Verkehrsverbund VBB ist noch immer ein großer Unbekannter. Werden zum Beispiel Preise erhöht, heißt es meist, die BVG werde teurer, obwohl neue Tarife für alle Unternehmen im VBB gelten. Was ist da falsch gelaufen?
Nichts. Wir verkaufen keine Fahrscheine und wir setzen auch keine Bahnen und Busse ein, sondern kümmern uns um die Organisation des Verkehrs. Im Hintergrund. Was zählt, ist unsere Arbeit. Und die war erfolgreich. Wir haben die Zahl der Fahrgäste in den letzten zehn Jahren um 25 Prozent gesteigert und parallel dazu die Einnahmen auf jetzt 1,2  Milliarden Euro kontinuierlich erhöht.

Trotzdem war der Senat im vergangenen Jahr bereit, den VBB aufzulösen.
Dieser Angriff eines Einzelnen (gemeint ist Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD – die Redaktion) kam ohne Vorwarnung. Das hat mich wirklich geschockt. Die geplante Mittelkürzung hätte in der Tat zum Tod des VBB geführt. Hier bin ich allen Parteien im Abgeordnetenhaus dankbar, dass sie sich erfolgreich dagegen gewehrt haben. Wir haben hier ein System geschaffen, in dem sich der Kunde leicht zurechtfinden kann. Und dass man das nicht aufgeben sollte, liegt doch auf der Hand.

Der VBB hat aber nicht verhindert, dass es viele Parallelangebote innerhalb des Verbundes gibt. Zuletzt haben der VBB und die BVG jeweils eigene Apps für Fahrgastinformationen und den Ticketkauf auf den Markt gebracht. Muss das sein?
In einem Verbund ist es üblich, nur mit einem Informationssystem zu arbeiten. Wir haben an unserer App zweieinhalb Jahre gearbeitet, auch mit der BVG zusammen. Diese hat dann aber entschieden, zusätzlich eine eigene Entwicklung auf den Weg zu bringen. Verhindern kann das nur der Eigentümer, das Land Berlin.

Das Land hat auch zugelassen, dass die BVG – bei steigenden Fahrgastzahlen – den Fahrzeugbestand reduziert hat. Jetzt hat der Senat wegen der großen Nachfrage zusätzliche Fahrten bestellt, was die BVG in Schwierigkeiten bringt. Hätte der VBB hier früher eingreifen müssen?
Prognosen zu erstellen war in der Vergangenheit schwierig. Nach der Wende gab es die Annahme, Berlin wachse ganz schnell um eine Million Einwohner. Dann ging man davon aus, dass die Bevölkerungszahl schrumpft. Jetzt steigt sie wieder, und wir müssen in der Tat das Angebot erweitern.

Ohne neue Fahrzeuge?
Wir brauchen auch neue Fahrzeuge. Allein schon, weil die Gefahr besteht, dass vor allem bei der U-Bahn das Durchschnittsalter der Züge unverhältnismäßig steigt – sogar im europäischen Vergleich. (Die BVG „modernisiert“ derzeit Züge, die zum Teil bereits 40 Jahre alt sind und nun weitere 20 Jahre fahren sollen – die Redaktion). Hier verschlechtert sich die Qualität, und dem Kunden wird nicht der Standard geboten, der heute üblich ist. Eine Ausnahme sind die Züge im Regionalverkehr, die sehr modern sind; etwa beim Informationssystem im Zug.

Dafür verspäten sich Regionalzüge sehr häufig, wie auf der RE 2 zwischen Wismar und Cottbus. Kritiker werfen dem VBB vor, dies durch einen zu anspruchsvollen Fahrplan mitverursacht zu haben.
Das ist falsch. Es waren äußere Einflüsse, wie nicht pünktlich gelieferte Züge und dann die betrieblichen Folgen des Hochwassers im Sommer mit Umleitungen der Fernzüge, die den Regionalverkehr ausgebremst haben. Außerdem stockt der versprochene Streckenausbau in Berlin, und auf der Verbindung nach Cottbus fehlt uns auf einem großen Abschnitt das zweite Gleis. Dass der Bund und die Bahn bei der Streckenmodernisierung darauf verzichtet haben, war ein großer Fehler. Aber dennoch hat sich die Situation hier heute deutlich entspannt. Die Züge sind pünktlicher, und der Fahrplan ist jetzt fahrbar.

Sie kritisieren jetzt wieder die Bahn – wie bereits in der S-Bahn-Krise. Haben Sie hier einen „Privatkrieg“ mit der Bahn ausgefochten, weil Sie das Unternehmen einst verlassen mussten?
Quatsch. Ich musste die DB nicht verlassen, sondern hatte ein besseres Angebot. Wenn etwas schiefläuft, muss ich aber darauf hinweisen – im Interesse der Fahrgäste. Und bei der S-Bahn ist sehr viel schief gelaufen. Bis heute hat sie sich nicht vollständig erholt. Am schlimmsten war, dass sich die Oberen der Bahn viel zu lange geweigert hat, die grundlegenden Probleme einzugestehen, die die Konzernspitze zu verantworten hatte. Ich habe nichts gegen die Bahn. Im Gegenteil: Ich freue mich, wenn sie sich zu einem guten Unternehmen entwickelt.

Hans-Werner Franz über Tariferhöhungen und überfüllte Züge

Freuen würden sich auch Fahrgäste der S-Bahn bei Fahrten ins Umland, wenn der letzte Bahnhof nicht im teureren Tarifgebiet C läge, was auch dazu führt, dass ahnungslose Touristen mit dem falschen Ticket kräftig nachzahlen müssen. Lässt sich hier etwas ändern?
Ich verstehe, dass Fahrgäste ein möglichst großes Gebiet zu einem einheitlichen Preis haben wollen. Wenn wir die Fahrten in den C-Bereich billiger machen, müssten wir die Preise im Stadtgebiet erhöhen. Das wäre aber wiederum ungerecht gegenüber den Kunden im AB-Bereich in der Stadt.

Also werden auch Touristen weiter geschröpft?
Von Schröpfen kann keine Rede sein. Und wir machen es den Fahrgästen doch jetzt auch einfacher. Mit unserer App findet jeder, auch der Tourist, sofort den richtigen Fahrschein. Und dann gibt es ja noch die Auskünfte über Google. Bei den Abfragen zu Verkehrsdaten lagen wir im Dezember weltweit an elfter Stelle. Gut entwickelt sich auch die Zusammenarbeit beim Datenaustausch mit Polen.

Bei den Verbindungen auf der Schiene sieht es dafür schlechter aus.
Nicht überall. Gut vorangekommen sind wir bei den Fahrten über Küstrin und weiter bis Gorzow. Auch die Verbindungen nach Posen haben sich verbessert, selbst wenn man in Frankfurt an der Oder umsteigen muss. Auch nach Stettin gibt es mehr Fahrten; die Zahl der Fahrgäste hat sich verdoppelt. Ganz schlecht sieht es leider immer noch Richtung Breslau aus.

Auf der Stettiner Strecke fahren so viele Fahrgäste, dass die Züge häufig überfüllt sind – auch, weil die Bahn gelegentlich kürzere Züge als vereinbart fahren lässt.
Das stimmt leider. Wir drängen darauf, dass sich dies ändert. Noch ärgerlicher war allerdings in der Vergangenheit, dass die Bahn IC-Züge nach Stettin oft bereits in Angermünde enden ließ, ohne sich um die Weiterfahrt der Fahrgäste zu kümmern. Das Problem hat sie inzwischen elegant gelöst, indem sie den Intercity-Verkehr nach Stettin komplett eingestellt hat.

Eine große Aufgabe können Sie nicht mehr erfüllen – den Abschluss der S-Bahn-Ausschreibung. Ist es sinnvoll, mitten im Verfahren den Posten neu zu besetzen?
Der Geschäftsführer ist nicht entscheidend. Jeder ist auf seine Fachleute angewiesen, die es hier beim VBB auch gibt.

Wird 2017, wenn ein neuer Betreiber auf dem Ring antreten wird, alles besser?
Zu dem aktuellen Verfahren werde ich nichts sagen. Ich bin aber Optimist. Ein Problem ist, dass die Zeit bis zum Auslaufen des jetzigen Vertrages sehr kurz ist, ein früherer Start wäre besser gewesen.

Letzte Frage: Sie hören jetzt auf. Sind Sie froh, dass Sie die nächste Tariferhöhung nicht mehr rechtfertigen müssen?
Ich war immer mit Leib und Seele dabei – egal, ob es gute oder schlechte Nachrichten aus Fahrgastsicht zu verkünden gab. Wichtig ist, dass die Fahrten im Nahverkehr bezahlbar bleiben. Aber eine Preiserhöhung steht derzeit nicht an.

Das Interview führte Klaus Kurpjuweit.

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