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Michael Müllers Teilnahme an einem SPD-"Spendenessen" wird derzeit diskutiert.

© dpa

Interview zu SPD-Spendenessen: "Ich halte diese Veranstaltungen für extrem bedenklich"

Michael Müller nahm an einem SPD-"Spendenessen" teil. Der Politikwissenschaftler Nils Diederich über diese Praxis und die schwierige Abgrenzung von Politikern gegenüber Lobbyisten.

Parteifunktionäre und Wirtschaftsvertreter speisen zusammen im schicken Ambiente, meist auf Einladung von Unternehmen– und danach hofft die Partei auf Spenden der Teilnehmer. Sind diese sogenannten „Spendenessen“ schon eine bedenkliche lobbyistische Einflussnahme auf demokratisch gewählte Politiker? Darüber wird heftig diskutiert, seit die SPD bestätigte, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller im März und April 2016 an zwei solcher Events in Berlin teilgenommen hat.

Aus Sicht der SPD steht dies in Einklang mit dem Parteiengesetz, zumal Spenden ja keine Teilnahmebedingung gewesen seien. Solche gastronomische Spendentreffs sind auch bei anderen Parteien üblich. Eine ähnliche Debatte war schon kürzlich entbrannt, als bekannt wurde, dass Lobbyisten für mehrere tausend Euro sogenannte „Vorwärts“-Treffen mit hohen SPD-Politikern buchen können.

Herr Diederich, was halten Sie von den Spendenessen der SPD mit Wirtschaftsvertretern?

Bei den Demokraten und Republikanern in den USA sind solche Sponsoring-Essen ja eine ganz übliche Praxis, um Spenden einzusammeln. Ich halte diese Veranstaltungen aber für extrem bedenklich.

Warum?

Es ist ein Grenzfall, bei dem man sehr genau hinschauen muss. Natürlich brauchen die Parteien Spenden, vor allem, um ihren Wahlkampf zu finanzieren. Das ist legitim. Aber die Scheidelinie zwischen lobbyistischer Einflussnahme und Spendenvergabe muss deutlich gezogen werden und öffentlich erkennbar sein. Wenn aber nun kapitalkräftige Geschäftsleute und Politiker gemütlich zusammen am Esstisch sitzen, kann sich aus dieser Nähe eine unterschwellige Beeinflussung ergeben.

Man fühlt sich dem sympathischen Gegenüber verpflichtet, zumal ja mögliche Spenden in der Luft liegen.

Man kann es auch anders sehen. Ist es nicht positiv, wenn Politiker und Wirtschaftsleute in persönlicher Runde intensiv miteinander reden , um Probleme zu lösen?

Gewiss. Solche Gesprächsrunden sind absolut sinnvoll. Aber sie sollten auf keinen Fall mit Spendenhoffnungen verbunden sein oder mit dem Ansinnen von Politikern, zahlungskräftige Unternehmer von ihrer Partei zu überzeugen. Sie sehen schon, die Grenzziehung ist bei diesem Thema extrem schwierig.

Sie waren von 1976 bis 1994 SPD-Bundestagsabgeordneter und in den 80ern Landesschatzmeister der Berliner SPD, haben also neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit die politische Praxis kennengelernt. Konnten Sie sich vom Lobbyismus fernhalten?

Dieser Konflikt ist ja so alt wie die Bundesrepublik. Im Grundgesetz steht, unserer Parlamentarier sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Klar habe auch ich Versuche erlebt, mich mit Geschenken auf eine Seite zu ziehen. Völlig unmoralisch und demokratieschädlich ist es aus meiner Sicht, wenn gewählte Politiker für Reden, zu denen sie engagiert werden, Geld nehmen.

Wurde mir dafür Honorar angeboten, habe ich immer gesagt: Das gehört zu meinen selbstverständlichen Aufgaben, für die ich bereits Diäten erhalte.

Politikwissenschaftler Nils Diederich.
Politikwissenschaftler Nils Diederich.

© PKI FU Berlin

Brauchen wir noch strengere gesetzliche Vorgaben, um die mögliche Bestechung von Parteien zu verhindern?

Das ist eine Überlegung wert, zum Beispiel hinsichtlich der Spendenessen. Vielleicht ist auch die Grenze von 10.000 Euro, ab der Parteispenden veröffentlich werden müssen, noch zu hoch angesetzt.

Nils Diederich (82) ist Professor für Politik- und Sozialwissenschaften an der Freien Universität (FU). 18 Jahre lang war er zudem Abgeordneter der SPD im Deutschen Bundestag.

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