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Berlin: Investoren erfunden, Urkunden gefälscht

Prominentenanwalt soll Immobilienunternehmen um Millionen geprellt haben

Von Benedict Maria Mülder

Ein heute vor der Wirtschaftsstrafkammer in Moabit beginnender Prozess gegen eine Betrügerbande könnte schneller verlaufen als zunächst von der Staatsanwaltschaft befürchtet. Die sechs Angeklagten seien geständig, heißt es in Justizkreisen, zudem sei einer der Hauptangeklagten, der Rechtsanwalt und Notar Ülo S., kooperationsbereit.

Die Angeklagten sollen 1998 eine Bande gebildet haben, um mit Kreditgeschäften mehrere Großunternehmen in Millionenhöhe zu betrügen. S. habe dazu Urkunden notariell beglaubigt oder selber hergestellt. Zwei mutmaßliche Tatbeteiligte konnten sich dem Verfahren entziehen: der ehemalige Berliner Seniorenheimbetreiber Jürgen H. sowie der Fensterverkäufer Hanno M., der in spanischer Auslieferungshaft sitzt. H. hatte sich 2000 nach Kanada abgesetzt, nachdem seine Seniorenheime und Fondsgesellschaften in Konkurs gegangen waren. Seine kanadische Staatsbürgerschaft schützt ihn vor der Auslieferung.

Ülo S. (66) hat sich in Berlin den Ruf eines Prominentenanwalts erworben, dem sogar ein Dokumentarfilm gewidmet wurde. „In den letzten 30 Jahren“, schrieb er in sein Tagebuch, das den Ermittlern in die Hände fiel, „war ich gesellschaftlich und politisch ziemlich weit oben, habe aber auch große Krisen durchstehen müssen“. Weit oben war der Rolls-Royce-Fahrer als Anwalt von Bubi Scholz und im „Mykonos-Prozess“. Seine Karriere begann Anfang der 70er Jahre im Innerdeutschen Ministerium, wo er für den Freikauf von DDR-Häftlingen zuständig war. Dank seiner vielfältigen Ost-West-Beziehungen – S. hatte seine Kanzlei nach der Wende vom Bundesplatz an die Französische Straße verlegt – kamen, so die Ermittler, die Angeklagten und zwei weitere Beschuldigte im Frühsommer 1998 auf die Idee, dem Bauunternehmen Hochtief einen Generalunternehmervertrag für ein nie wirklich geplantes Hochhaus an der Frankfurter Allee mit einem Auftragsvolumen von 199 Millionen Mark in Aussicht zu stellen. S. soll den angeblich vorliegenden Mietvertrag eines amerikanischen Investors und die Finanzierungsbestätigung einer Bank in Höhe von 300 Millionen Mark notariell beglaubigt haben. Die „Auftraggeber“ waren offenbar so überzeugend, daß Hochtief ein paar Monate später für angebliche Vorkosten knapp 2,9 Millionen Mark zahlte. Das Geld sollen sich die Bandenmitglieder geteilt haben. Zur gleichen Zeit offerierten sie der damals um jeden Auftrag ringenden Philipp Holzmann AG ein Vorhaben in Dresden in Höhe von 185 Millionen Mark. Hier soll Hanno M., dessen amerikanische Adresse schon als Sitz des Mietinteressenten für die Frankfurter Allee herhalten musste, unter einem Pseudonym als Käufer aufgetreten sein. Wieder soll es S. gewesen sein, der dessen Bonität mit Hilfe eines angeblichen Wertpapierdepots in Höhe von 410 Millionen Mark bestätigte. Holzmann zahlte: 2,9 Millionen Mark.

Um mehr als zehn Millionen Mark ging es im Frühjahr 1999. So hoch sollte ein Betriebsmittelkredit sein, den die Bande der Anklage nach für ein Unternehmen H.’s erschwindeln wollte. Als Sicherheit wurde ein 12 Millionen Mark schweres Wertpapierdepot hinterlegt, das unter M.’s Pseudonym geführt wurde. Der damals zuständige Filialleiter gehört zu den Angeklagten. Das Depot wies in Wirklichkeit keinen größeren Wert als 12 500 Mark auf. Dank des Mitarbeiters eines Berliner Copy-Shops stand auf den Depot-Abrechnungen bald eine tausendfach höhere Summe, die S. genauso beglaubigen sollte wie eine Verpfändungserklärung zu Gunsten des Kreditgebers, einer Bank in Essen. Daraufhin zahlte diese 8,8 Millionen Mark auf ein Konto H.’s. Dafür soll S., der außerdem beschuldigt wird, Geld von Notar-Anderkonten zweckentfremdet zu haben, mehr als 792 000 Mark erhalten haben, die er mit drei Mitangeklagten, so die Staatsanwaltschaft, teilte. Zweiter und womöglich letzter Prozesstag soll Montag sein.

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