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Berlin: Investoren schauen auf Mitte

Das Berliner Biotech-Unternehmen Epigenomics geht an die Börse – davon will die gesamte Region profitieren

Er ist gerade 34, bereits mehrfach preisgekrönter Gründer und steht nach eigener Ankündigung gerade davor, „einen Meilenstein“ zu setzen: In wenigen Tagen will Alexander Olek seine Berliner Biotechfirma Epigenomics an die Börse bringen. Wenn alles gut geht, könnte der erste deutsche Biotech-Börsengang seit drei Jahren der gesamten Region einen starken Auftritt bescheren – und sie für Unternehmen und Investoren attraktiver machen. „Für Berlin ist das die Chance, groß zu werden“, sagt Kai Bindseil, Leiter des regionalen Biotech-Marketingbüros Biotop. „Wir dürfen jetzt darauf hoffen, das Niveau des großen Konkurrenten München zu erreichen.“

Die Region Berlin-Brandenburg liefert sich mit der Biotechnologie-Region München-Martinsried seit Jahren einen Wettbewerb um Unternehmen und Geld. Bislang lag Berlin nur nach der Zahl der Unternehmen vorn – rund 165 zumeist junge Firmen haben sich an den sieben Standorten der Region niedergelassen. Doch die erfolgreicheren Unternehmen saßen in München, darunter die börsennotierte Firma Medigene, die 2004 als erste Biotechfirma Deutschlands ein Medikament auf den Markt gebracht hat. Der Börsengang von Epigenomics könnte dem seit zwei Jahren stagnierenden Standort Berlin-Brandenburg helfen, mit München gleichzuziehen.

Epigenomics entwickelt Tests, um Krebs zu diagnostizieren, und will am 16. Juli den Schritt aufs Parkett wagen. Den erhofften Erlös von bis zu 61 Millionen Euro will die 145-Mitarbeiter-Firma mit Sitz in Berlin-Mitte in die weitere Produktentwicklung stecken.

Ob der Börsengang klappt, wird von Jens Schneider-Mergener besonders aufmerksam verfolgt. Schneider-Mergener ist Chef des Biotech-Unternehmens Jerini, ebenfalls in Berlin-Mitte. Auch er will seine Firma an die Börse bringen. „Wenn der Börsengang von Epigenomics ein Erfolg wird, würde uns das bei den eigenen Plänen sehr helfen“, sagt der Jerini-Chef, der rund 90 Mitarbeiter beschäftigt und in diesem Jahr noch weitere 20 einstellen will. Das Unternehmen, das unter anderem ein Medikament zur Behandlung von Leberzirrhose entwickelt, hatte vorher angekündigt, bis 2005 an die Börse zu gehen. Aber nur, wenn das Umfeld stimmt. Gradmesser dafür dürfte Epigenomics sein – wenn nichts dazwischen kommt, denn Firmen wie die Chiphersteller X-Fab und Siltronic hatten ihren geplanten Börsengang in letzter Minute abgesagt. Die Nachfrage der Investoren war zu schwach.

Während sich Epigenomics-Chef Olek so kurz vor dem Start nicht mehr äußern will, ist Biotop-Chef Bindseil zuversichtlich, dass das Unternehmen durchhält. „Ich gehe davon aus, dass der Börsengang funktioniert“, sagt er. Das, so hofft er, könnte nicht nur Firmengründer dazu bewegen, sich in Berlin niederzulassen, sondern auch Risikokapitalgeber von der Qualiltät Berliner Biotechfirmen überzeugen und sie animieren, hier mehr Geld zu investieren. Die forschungsintensive Branche braucht viel Geld. Und weil das Geld immer spärlicher fließt und der Weg an die Börse lange verstopft war, müssen sich die Unternehmen einen immer härteren Wettbewerb liefern.

Das hat auch Berlin gemerkt. Im vergangenen Jahr flossen 45 Millionen Euro an Wagniskapital in die Region – das war gerade ein Drittel der Summe, die im Boom-Jahr 2001 in Berliner Biotechfirmen investiert wurde. Von den 45 Millionen ging zudem fast die Hälfte an ein einziges Unternehmen: Epigenomics. Große Finanzierungsprobleme haben dagegen vor allem sehr junge Firmen, die außer einer Idee den Investoren nicht viel mehr bieten können. Sie brauchen Geld, um aus ihrer Technologie ein Produkt zu entwickeln. Den Finanzbedarf der hiesigen Biotechfirmen schätzen Experten in den nächsten drei Jahren auf 350 Millionen Euro. Fließt nicht genug, werden viele Firmen nicht überleben.

Bereits im vergangenen Jahr mussten sieben Unternehmen schließen. Nikolaus Schumacher von der Unternehmensberatung A.T. Kearney rechnet damit, dass es nicht dabei bleiben wird. Nicht so schlimm, meint er. Jede Pleite sei ein normaler Prozess in einer neuen Industrie. „Einige werden den Aufstieg schaffen, andere werden absteigen.“ Trotzdem warten alle auf ein positives Signal durch Epigenomics. „Wenn der Börsengang klappt, könnte es sein, dass Investoren den Standort insgesamt attraktiver finden“, sagt Klaus Stöckemann, Direktor der Risikokapitalgesellschaft 3i. Weitere Börsengänge aus Berlin erwartet Biotop-Chef Bindseil – abgesehen von Jerini – aber vorerst nicht. „Bis Ende 2005 werden wir nichts mehr sehen“, sagt er.

Ganz junge Unternehmen dürfen unterdessen hoffen, von einem neuen Fonds zu profitieren, den das Land für Technologiefirmen gründen will. Dieser Fonds in Höhe von 25 Millionen Euro solle „kurzfristig“ aufgelegt werden, bestätigte ein Sprecher des Wirtschaftssenats.

Maren Peters

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