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In der neuen Moschee sollen auch weibliche Vorbeterinnen und offen homosexuelle Imame das Wort führen dürfen.

© Rainer Jensen/dpa

Islam in Mitte: Berlin soll liberale Moscheegemeinde bekommen

Die Juristin Seyran Ates gründet eine liberale Gemeinde als Modell für Europa. In der „Ibn Rushd-Goethe-Moschee“ können Frauen und Männer gemeinsam beten.

Berlin soll eine neue, moderne und liberale Moscheegemeinde bekommen: Die Juristin, Frauenrechtlerin und Autorin Seyran Ates plant, am 16. Juni die „Ibn Rushd-Goethe-Moschee“ zu eröffnen. Dort sollen jeweils eine Imamin und ein Imam gemeinsam das Freitagsgebet vortragen, Frauen und Männer zusammen gleichberechtigt in einem Raum beten können. Ein Novum in dieser Stadt mit ihrer großen muslimischen Community – und ein Modellprojekt auch für Europa.

„Wenn mir jemand vor 20 Jahren gesagt hätte, dass ich mal eine Moschee gründe, hätte ich das nie für möglich gehalten“, sagte die Trägerin des Landesverdienstordens und des Bundesverdienstkreuzes dem Tagesspiegel. Doch gerade in Zeiten des Terrors und der politischen Entwicklung in der Türkei, in der viele Menschen nichts Positives mit dem Islam assoziierten, brauche es eine Gegenbewegung „zu konservativen und fundamentalistischen Strömungen“, sagt Ates.

Dabei geht es ihr auch um ein modernes Frauenbild durch eine „geschlechtergerechte Auslegung des Korans“. Sie sei jetzt schon beim Notar wegen der Gründungsformalitäten. Die Moscheegemeinde werde als gemeinnützige Gesellschaft begründet, um etwa Events auch mit Eintritt veranstalten zu können.

Auch ein offen homosexueller Imam aus Frankreich kommt

Seyran Ates verhandelt bereits mit Kirchengemeinden wegen der Räumlichkeiten, die Moschee soll wohl in Mitte entstehen. Das Projekt soll über Spenden finanziert werden. Genaueres zu Mitstreitern und Unterstützern will Ates in einigen Wochen bekannt geben, erzählt sie. Am Eröffnungstag Mitte Juni werden laut Ates die Imamin und Politologin Elham Manea aus der Schweiz und der Wiener Religionswissenschaftler Ednan Aslan gemeinsam vorbeten.

Die Juristin, Frauenrechtlerin und Autorin Seyran Ates plant, am 16. Juni die „Ibn Rushd-Goethe-Moschee“ zu eröffnen.
Die Juristin, Frauenrechtlerin und Autorin Seyran Ates plant, am 16. Juni die „Ibn Rushd-Goethe-Moschee“ zu eröffnen.

© imago/Future Image

„Seit Jahrzehnten wird mir gesagt: Pass auf, was du gegen deine eigene Religion sagst“, erzählt Ates, und all das aus Angst, dies schüre womöglich Ausländerfeindlichkeit. Doch Ates will sich auch in diesem Punkt nicht weiter zurückhalten. Denn nach ihrem Eindruck wünschen sich immer mehr Musliminnen und Muslime eine Stätte, an der „wir eine Reform unserer Religion diskutieren können“, für einen „friedlichen und demokratietreuen Islam eintreten und nicht einen von vorgestern“.

Das ist genau, was Deutschland und Europa jetzt brauchen: einen Islam, der sich in Übereinstimmung mit unseren Grundwerten befindet. [...] Es sollte möglich sein, den Koran so auszulegen, dass er für die Gläubigen zwar Regeln aufstellt, diese sich aber in unsere Lebensweise integrieren lassen.

schreibt NutzerIn Gophi

Einen solchen Ort für freiheitsliebende Muslime wolle sie nun in Berlin schaffen. In der „Ibn Rushd-Goethe-Moschee“ wird als Vorbeter auch der offen homosexuelle Imam Ludovic-Mohamed Zahed erwartet, der in Marseille eine liberale Moschee gründete – dieser vermittelt, dass der Koran Bi- oder Homosexualität nicht verbiete, vielmehr habe der Prophet Homosexuelle sogar beschützt.

"Moscheen auch für Tabu-Themen öffnen"

Als Namenspatron wählte Seyran Ates einen arabischen Philosophen und Islamgelehrten des 12. Jahrhunderts – sowie Johann Wolfgang von Goethe, den sie als dem Islam zugewandten Dichter beschreibt. Ates lädt auch die aus den Zwängen der arabischen Welt nach Berlin Geflüchteten ein, sich an dem Vorhaben zu beteiligen.

Der Berliner Integrationsbeauftragte Andreas Germershausen sagte auf Nachfrage, er finde das Vorhaben spannend: „Ich werde es mit viel Wohlwollen begleiten.“ Es gebe ja bereits große Unterschiede zwischen Gemeinden, die sich aber wechselseitig akzeptierten. „Ich finde die Idee schön“, sagt auch der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu. „Es ist gut, Vielfalt zu haben und Moscheen auch für Tabu-Themen zu öffnen.“ Alle religiösen Debatten sollten sachlich und nicht emotional geführt werden.

Seyran Ates engagierte sich bereits vielfach für ein Miteinander der Religionen und Kulturen. Sie war Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und nahm am Integrationsgipfel der Bundesregierung teil. Infolge ihrer Anwaltstätigkeit und dem Buch „Der Islam braucht eine sexuelle Revolution“ hatte sie sich aus Sicherheitsgründen zeitweise aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Am Tage der Eröffnung der Moschee bringt Seyran Ates ein neues Buch zu dem Projekt heraus.

An der Moscheegründung Interessierte können sich melden: post@seyranates.de.

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