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Surrend Ausstellung

© AFP

Islam-Satire: Polizeieinsatz für die Kunstfreiheit

Unter Protest geschlossen, unter Bewachung wiedereröffnet: Die Berliner Galerie Nord hat mit einer Ausstellung religionskritischer Plakate großen Wirbel verursacht. Ein Besuch in der Moabiter Satire-Ausstellung.

Punkt zwölf ist Ehrhart Körting am Tatort. Er sichtet gleich die Beweismittel und stellt sich vor dem Plakat „Dummer Hut“ den Fernsehkameras. „Außer, dass sie provokant sind, vermag ich nichts Verletzendes zu erkennen.“ Körting ist gekommen, um in der Satire-Ausstellung „Surrend – ZOG“ die Freiheit der Kunst zu verteidigen. Die gesamte Führungsspitze des Bezirksamtes Mitte ist auch da. Zur Wiedereröffnung der Kunstausstellung haben sie ihre Dienstagssitzung unterbrochen. Das passiert fast nie.

Vor einer Woche hatten sechs muslimische Jugendliche in der „Galerie Nord“ in der Moabiter Turmstraße gedroht, Steine zu werfen, falls eines der Plakate nicht abgehängt wird. Es zeigt wallfahrende Muslime an der heiligen Kaaba in Mekka. Darüber steht „Dummer Stein“. Die Ausstellung der dänischen Künstlergruppe „Surrend“ wurde geschlossen.

Die Plakate sind eigentlich gegen niemanden gerichtet, außer gegen Glaubenskämpfer, Neonazis und Meinungsmonopolisten. Zum Zyklus des Kaaba-Motives gehören noch zwei weitere: Eines zeigt einen orthodoxen Juden, der über Araber herzieht – „Dummer Hut“, ein anderes thematisiert das militärische Auftreten vermummter Demonstranten – „Dummer Block“.

In der vergangenen Nacht haben Unbekannte das Thema der Plakatkünstler aufgenommen und „Dumme Ausstellung“ an die Schaufenster gepinselt. Wahrscheinlich war das nicht ironisch gemeint. Die Polizei hat die Farbe gleich abwischen lassen. Ausstellungs-Kurator Ralf Hartmann hätte die unfreiwillige Fortführung der Satire gerne für ein paar Tage konserviert.

Vor der Galerie stützt sich Wolfgang Nemack auf seine Mülltonne. Er ist hier der Hausmeister und macht immer den Dreck weg. Wenn sie ihn gefragt hätten, hätte er gesagt, die Plakate sollten sie besser woanders zeigen. „In dem Gebäude sind auch zwei Schulen und die Volkshochschule. Wenn da Molotow-Cocktails reinfliegen... Man muss ja mit allem rechnen.“ Die muslimischen Jugendlichen habe er auch gesehen. „Das waren Türken oder Araber. Sehr aggressiv.“

Die Galerie liegt in einer schwierigen Gegend. Das Quartiersmanagement Moabit-West stemmt sich gegen die soziale Verwahrlosung. Die Passanten mit Kopftuch und Wollmützen schütteln den Kopf, wenn Reporter sie über die Ausstellung befragen möchten. Dass hier eine Galerie ist, wissen die meisten nicht.

Auch Bekir Yilmaz, Präsident der Türkischen Gemeinde zu Berlin, schaut sich die Plakate nur an, damit er sich eine Meinung bilden kann. Nach einer halben Stunde steht sie fest: „Das darf nicht sein. Die Kaaba ist eine heilige Stätte. Das ist keine Kunst, sondern geschmacklos.“ Aber er hat auch Humor: „Oberflächlich betrachtet: ein dummer Streich.“ Für ihn sei das Thema erledigt.

Vor der Galerie schieben zwei Polizisten Wache. Als um 14 Uhr die ersten Besucher hinein dürfen, werden sie von zwei privaten Sicherheitsleuten intensiv beobachtet. So soll die Ausstellung bis Ende März vor weiteren Attacken geschützt werden. Knut Pankrath, der in der Nähe arbeitet, wollte schon vor einer Woche in die Ausstellung. Als „Blogger“ sei ihm das Problem mit irregeleiteten Kritikern sehr geläufig. „Die Leute picken sich aus Texten etwas heraus und pöbeln dann“ – obwohl sie nichts verstanden haben. Pankrath kann am besten über die Plakate lachen, in denen Neonazis verulkt werden. Thomas Loy

Die Ausstellung in der Galerie Nord, Turmstraße 75, ist Dienstag bis Sonnabend von 14 bis 19 Uhr geöffnet

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