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Islamismus: Charlottenburger Moscheeprojekt im Zwielicht

Eine Bürgerinitiative um den US-Journalisten Ian Johnson hat die Verbindungen des Vereins Inssan, der in Charlottenburg ein großes islamisches Moschee- und Kulturzentrum bauen will, zu einer Muslimbruderschaft recherchiert. Das Ergebnis stimmt nachdenklich.

Sie haben viele Stunden vor dem Computer verbracht, sie haben Islamwissenschaftler gesprochen, Vereinregister gewälzt und Kaufverträge studiert. Das Ergebnis ist ein 69-seitiges Dossier über den Kreuzberger Verein Inssan, der in Charlottenburg ein großes islamisches Moschee- und Kulturzentrum bauen will. Was die neu gegründete Bürgerinitiative „Menschen am Mierendorffplatz“ über die Verbindungen des Vereins zur fundamentalistischen Muslimbruderschaft zusammengetragen hat und über die Hintergründe der Geldgeber für die geplante Moschee ist fundiert und mit Dokumenten belegt. Denn ein Mitglied der Initiative ist ein professioneller Rechercheur: Ian Johnson, Deutschland-Korrespondent des New Yorker Wall Street Journals, Pulitzer-Preisträger und Islamexperte.

„Nach unseren Recherchen müssen wir davon ausgehen, dass Inssan das Ziel verfolgt, eine konservative, antiintegrative Form des Islams zu fördern, die mit der Islamauffassung der Muslimbruderschaft übereinstimmt“, sagt Johnson. Die Muslimbruderschaft wurde 1928 in Ägypten gegründet und unterhält weltweit Verbindungen zu radikalislamischen Gruppierungen wie der palästinensischen Hamas oder der algerischen „Islamischen Heilsfront“. Die Bruderschaft versteht den Islam als Lösung aller gesellschaftlichen Probleme und vertritt das Motto: „Der Koran ist unser Gesetz, Dschihad ist unser Weg. Der Märtyrertod ist unser Verlangen.“ Nach Johnsons Recherchen schließen die Muslimbrüder die Anwendung von Gewalt nicht aus, versuchen aber zuerst die Islamisierung der Gesellschaft mit legalen Mitteln zu erreichen. In Deutschland gilt die Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD) als Vertretung der Muslimbrüder und wird deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet.

Gelegentliche Kontakte zur IGD und zu deren Präsidenten Ibrahim al Zayat bestreitet Inssan nicht. Die Bürgerinitiative ist aber überzeugt, dass Inssan im November 2002 gezielt als Arm der Muslimbruderschaft gegründet wurde, da nach dem 11. September 2001 andere, den Muslimbrüdern nahe stehende Organisationen wie die IGD in Verruf geraten waren. Als einen Beweis dafür sieht die Bürgerinitiative zum Beispiel, dass die IGD für das Jahr 2002 auf ihrer Internetseite als Ziel angegeben hatte, Ortsvereine in Berlin zu gründen und hier ein Grundstück in Kooperation mit dem European Trust zu kaufen, der ebenfalls zum Umfeld der IGD gehört. Ein solches Grundstück wurde im März 2002 gekauft, ein halbes Jahr später Inssan gegründet – mit führenden Vertretern, die zuvor in IGD-nahen Organisationen gearbeitet hatten.

Ein anderes Beispiel, das Johnson und seine Mitstreiter sehr skeptisch macht, sind Verbindungen des Emirs von Scharja, Sultan bin Mohammad al-Qassimi, zur Muslimbruderschaft. Inssan hatte Qassimi neben dem Herrscher von Katar als wichtigsten Geldgeber für die geplante Moschee genannt.

Die Bürgerinitiative zeigt auf, dass die Quassimi-Familie im Vorstand einer Stiftung sitzt, die den „Europäischen Rat für Fatwa und Forschung“ unterstützt, ein Gremium von zumeist aus dem Nahen Osten stammenden Gelehrten, die religiöse Gutachten (Fatwas) für die europäischen Muslime veröffentlichen. „Es ist eines der eindeutigsten Beispiele für den Einfluss der Muslimbruderschaft im europäsichen Islam“, sagt Johnson. Der Fatwa-Rat wird geleitet von Scheich Youssef Quaradawi, den Muslimbrüder als „unseren Imam“ bezeichnen und der sich für Selbstmordattentate ausspricht und durch radikale antisemitische Parolen auffällt. Während sich Inssan und IGD-Chef Zayat von den antisemitischen Positionen Quaradawis und Selbstmordattentaten distanzieren, seien sie zu einer kompletten Distanzierung von Quaradawi nicht bereit, heißt es im Dossier der Bürgerinitiative. Auf einer von Quaradawis englischsprachigen Internetseiten, „Islamonline“, haben Mitglieder von Inssan zudem offen geäußert, mit dem Fatwa-Rat kooperieren zu wollen.

„Wir sind nicht grundsätzlich gegen Moscheebauten“, sagt Alexander Koch, Anwalt und Mitglied in der Bürgerinitiative. „Aber aufgrund unserer Recherchen haben wir Bedenken gegenüber diesem konkreten Projekt und in dieser Größe. Inssan ist ein in der Öffentlichkeit unbekannter Verein mit fragwürdigem Hintergrund. Wir wollen, dass sich die Politiker, die darüber entscheiden, mit dem Hintergrund intensiv auseinandersetzen.“ Deshalb hat die Inititive vergangene Woche ihr Inssan-Dossier allen Parteien im Bezirksamt vorgestellt. Am Freitag hatte Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) Inssan überraschend mitgeteilt, dass er das Projekt nicht genehmigen könne. Der Bebauungsplan, der für die Keplerstraße ein Gewerbegebiet vorsieht, lasse kein Moschee- und Kulturzentrum zu.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sieht das anders. „Eine Kirche oder eine Moschee geht immer“, sagt Körting, auch im Gewerbegebiet, und auch wenn das Gotteshaus kein Bezug zu den Gewerbetreibenden habe. Er hält Gröhlers baurechtliche Argumente für „fadenscheinig“. „Gröhlers Versuch, Inssan mit falschen baurechtlichen Argumenten zu treffen, ist ein großer politischer Fehler“, sagte Körting. „Ja, es stimmt, ein Teil von Inssan hat schwierige Verbindungen zur IGD , die als Hort der Muslimbrüder gilt“, sagt Körting. „Aber sie sind dialogfähig und haben nichts mit gewaltbereiten Gruppen zu tun“. Sie deshalb auszugrenzen führe nicht weiter. „Gerade mit orthodoxen Gruppen wie der IGD, Milli Görüs und Inssan müssen wir den Dialog führen, wenn wir langfristig Integration wollen.“

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