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Berlin: Ist der Zorn verraucht?

Zur Demo kamen weniger Schüler als erwartet – einen Zeugniseintrag fürchtet aber kaum jemand

Keine Sprechchöre, kaum Plakate. Unorganisiert und ein wenig chaotisch startete am Dienstagmittag auf dem Alexanderplatz eine Schülerdemonstration gegen den Krieg. „Die stehen einfach nur so rum“, sagt Paul Roth enttäuscht, der mit einigen anderen Schülern des Kreuzberger LeibnizGymnasiums auf dem Platz hockt. Der Achtklässler hat wie viele andere aus dem Radio von der Demo erfahren.

Doch ein Veranstalter der unangemeldeten Kundgebung ist weder der Polizei noch den Schülern bekannt. Die Polizei sprach von 1400 Schülern, die sich auf dem Alex versammelten und zur amerikanischen Botschaft zogen.

Wie Roth müssen auch die Schüler des Spandauer Lilly-Braun-Gymnasiums mit einem Zeugniseintrag wegen unentschuldigten Fehlens rechnen. Vielen aus der 9d ist eine solche Notiz jedoch egal. Die Teilnahme an der Demo sei ein Art „Gruppenzwang“, sagt Milena Dragic. Von anderen Kundgebungen, die außerhalb der Schulzeit stattfinden, haben die Achtklässler nichts gehört.

Die meisten Jugendlichen, die sich am Morgen spontan zu der Demo entschlossen hatten, sind enttäuscht, dass vergleichsweise wenige gegen den Krieg protestieren. „Der Krieg geht schon so lange, die Leute sind deprimiert“, vermutet Shirin Raske. Die Wut, die rund 50 000 Schüler noch am vergangenen Donnerstag auf die Straße getrieben hatte, sei möglicherweise verraucht. Erst eine halbe Stunde nach Beginn der Demo kommt Bewegung in die jungen Leute. Schüler der Moses-Mendelssohn-Schule laufen spontan um den Brunnen, andere schließen sich an. Geschichtslehrer Friedrich Kampmann, der die Demoteilnahme seiner Klasse als Unterrichtsausflug bei der Schulleitung angemeldet hat, begleitet sie. „Diese Demonstration ist eine „Lektion in Demokratie“, sagt er. frh

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