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Der Tatort-Kommissar. René Allonge ist ein Meister der Spannung, auch in seinem Vortrag, den er am Freitag im Bode-Museum beim Kunstsachverständigentag gehalten hat. Das Motto: „Tatort Kunst“.Foto: dapd/Maja Hitij

© dapd

Tatort Kunst: Jäger der kriminellen Künstler

René Allonge ist kein gewöhnlicher Fahnder: Er überführt Fälscher und Diebe. Erst vor wenigen Tagen konnten die Spezialisten wieder einen Fall lösen.

Ein Schwarz-Weiß-Foto, das nur vermeintlich aus den 30er Jahren stammt, denn auf ihm ist eine Skulptur aus dem Jahr 2003 erkennbar. Moderner Flüssigkleber unter auf alt gemachten Galerieaufklebern oder Kunstdiebe, die sich als Bauarbeiter verkleiden – das Leben kann ein echter Krimi sein. Zumindest, wenn man René Allonge heißt und beim Berliner Landeskriminalamt die Abteilung Kunstdelikte leitet.

Täglich haben der 38-jährige Kriminalhauptkommissar und seine acht Mitarbeiter in der Dienststelle am Tempelhofer Damm mit Fälschungen, Kunstdiebstählen und Hehlerei zu tun. Welche kriminalistischen Kniffe, modernen Techniken und manchmal auch einfach bloß Zufälle notwendig sind, um Tatverdächtige ermitteln oder überführen zu können, erzählte Allonge am gestrigen Freitag im Bode-Museum. Anlass war der 13. Deutsche Kunstsachverständigentag unter dem Motto „Tatort Kunst: Kunstkriminalität und Kunstrestitution“, der erstmals in Berlin stattfand.

Allonge ist ein Meister der Spannung, auch in seinem Vortrag. So fängt er erst relativ klein an und berichtet von zwei Porzellandiebstählen in Berlin im Jahr 2011. In einem Fall hatten zwei bislang noch nicht gefasste Männer die Schaufensterscheibe eines Geschäfts für Meissener Porzellan am Kranzler-Eck mit einer Gehwegplatte eingeschlagen. Im anderen Fall wurde der Dieb gefilmt, als er eine wertvolle Vase einfach unter seine Jacke steckte. Vor wenigen Tagen konnte der Mann festgenommen werden, da er einen Galeriediebstahl in Paris ganz ähnlich begangen hatte.

Einige Nummern größer war die Serie von Einbrüchen in Grunewald und Frohnau in den Jahren 2008 und 2009. Die als Bauarbeiter getarnten Diebe brachen mit brachialer Gewalt in über 30 Villen ein und verursachten weit über eine Million Euro Schaden. „Über ein zufälliges Blitzerfoto führte ihre Spur nach Polen“, erzählt Allonge. Dort verkauften sie über das Ebay-Pendant „Allegro“ eine Meissener Kumme von 1730 im Wert von 50 000 Euro an einen deutschen Arzt. Über mehrere Umwege landete die Schüssel schließlich genau bei dem Kölner Auktionshaus, das der rechtmäßige Besitzer aus Frohnau einst beauftragt hatte, um den Wert des Gefäßes zu schätzen – sofort erfolgte ein Anruf von Köln nach Berlin.

„Die Täter wurden in Polen verhaftet, konnten aber wegen rechtlicher Hürden noch nicht in Berlin zur Rechenschaft gezogen werden“, bedauert Allonge und erzählt dann weiter. Unter anderem über ein Corinth-Gemälde, das bereits 1997 aus der Villa Grisebach in der Fasanenstraße entwendet wurde und 2010 in der Schweiz beschlagnahmt werden konnte. Zwischenzeitlich hatte ein nicht allzu gesetzestreuer Sammler das Bild für einige Jahre in eine Schutzhülle gesteckt und dann im Estrich-Fußboden versteckt.

Allonges Meisterstück aber ist die Aufdeckung des größten deutschen Kunstfälschungsskandals nach 1945. Mehr als 50 Expressionismusgemälde aus der angeblichen Kunstsammlung Werner Jäger hatte der im Oktober 2011 zur Höchststrafe von sechs Jahren verurteilte Fälscher Wolfgang Beltracchi mit seiner Frau Helene und zwei Komplizen an internationale Sammler verkauft – geschätzter Folgeschaden rund 35 Millionen Euro. Dank Untersuchungsmethoden wie der Infrarotreflektografie, die Vorzeichnungen sichtbar macht, und der Digitalmikroskopie, die unter anderem zeigt, das sich kein Staub auf einer vermeintlich alten Leinwand abgelagert hat, konnte Allonge das Quartett im Rahmen einer internationalen Ermittlungsarbeit überführen. Aber seine Spurensuche ist damit nicht vorbei: „Wir ermitteln weiter.“ Eva Kalwa

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