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Berlin: Jalousien runter, Türen zu

Wie sich Kreuzberger und Friedrichshainer Wirte und Geschäftsleute vor Randalierern schützen wollen

Nein, Angst habe er nicht. Ismail Karayüz steht in seinem Café in der Dresdener Straße und sagt: „Bellende Hunde beißen nicht.“ Doch nicht alle Geschäftsleute im Kiez um die Oranienstraße in Kreuzberg sind sich so sicher, dass sie den 1. Mai heil überstehen. Vor zwei Wochen fanden sie erstmals Flugblätter an den Fassaden: „Verpisst euch von hier, aber dalli“, steht darauf. Und: „Wir wollen eure Konsumscheiße nicht.“ Genannt – und auch im Foto gezeigt – werden beispielhaft sechs Geschäftsleute aus der Dresdener Straße. Karayüz wird in dem Flugblatt als „Blockwart“ diffamiert, der „bekämpft“ werden müsse. Vorschläge gibt das Flugblatt auch: „Farbe, Steine, Plakate, Böller, Buttersäure“. Unterzeichnet ist der Aufruf mit „Antifaschistische Aktion“. Diese Gruppe dementiert, für den Inhalt verantwortlich zu sein, Aktivisten haben die Geschäftsleute besucht und sich entschuldigt.

Für Karayüz ist klar, wer dahintersteckt: „ein feiger Arsch“. Die Fotos hat der Unbekannte aus einem Tagesspiegel-Artikel kopiert, der einige Händler und Kneipiers in der Dresdener Straße vorstellte. Das Büro des Quartiersmanagements – einige Häuser neben dem Café von Karayüz – hat diesen Artikel demonstrativ ins Schaufenster gehängt, daneben das Programm des „Myfest“. Neben das Schaufenster hat jemand seine Meinung dazu gesprüht: „Kratzt ab“ steht dort blutigrot.

Für die militanten Linken stellt das Myfest die gleiche verhasste „Yuppiesierung“ dar wie eine Boutique, die etwas gehobenere Mode verkauft, oder ein Café-Besitzer, der sich in der Zeitung zitieren lässt, dass es gut sei, wenn die Polizei durch Kreuzberg patrouilliert. „Natürlich ist das gut“, bekräftigt Ismail Karayüz. Er will sein Café am 1. Mai natürlich öffnen, „wie seit 15 Jahren“. Andere Geschäftsleute dagegen haben Sorgen um ihre Existenz, sie wollen Holzplatten vor den eisernen Rollläden anbringen. Die erste Aktion der Kreuzberger Linken ging gestern jedoch schief: Als sie mittags das traditionelle riesige Transparent „Heraus zum revolutionären 1. Mai“ hoch oben über die Oranienstraße spannen wollten, verhedderte sich eine Radfahrerin in der Leine, sie stürzte und verletzte sich. Die Polizei beschlagnahmte das Transparent als „Tatmittel“.

Auch am Boxhagener Platz in Friedrichshain, wo Autonome am Montagabend mit einem Punkkonzert die Walpurgisnacht feiern wollen, überlegten sich Wirte und Kneipiers am Sonntag, wie sie sich vor Randale schützen sollen. In den vergangenen Jahren gingen Fenster zu Bruch, ein Café brannte.

Am Wochenende waren die Cafés und Restaurants voll, den Platz säumten Flohmarktstände, auf den Wiesen sonnten sich junge Leute. Nur die rot-weißen Absperrgitter am Rande des Platzes wiesen darauf hin, dass es mit der friedlichen Stimmung bald ein Ende haben könnte. „Wird schon nicht so schlimm werden“, sagt Güney Yilmaz, der im Boxi-Kiosk Bier, Bionade und Wein verkauft. Am Montagabend will er die Rollläden runterlassen und seine Familie am Eingang postieren, so dass nur zehn Leute gleichzeitig in den Laden kommen können.

Es gibt auch einen Wirt, der sich freut auf den Montagabend – und das, obwohl sich die Autonomen jedes Jahr vor seiner Tür sammeln. „Uns verschonen sie aber“, sagt der Geschäftsführer des „RotWild“. Das hänge mit der Geschichte des Restaurants zusammen. Das Haus in der Grünberger Straße, in dem es angesiedelt ist, war früher ein besetztes Haus so wie jetzt noch das Haus nebenan. „Für uns heißt es am Montagabend nur: viel Bier dahaben.“

Gut, dass lose Pflastersteine rund um den Platz frisch befestigt wurden. Besonders in der Nachbarschaft des besetzten Hauses an der Grünberger Straße finden sich etliche Stellen auf dem Bürgersteig, an denen Sand auf dem Pflaster auf die kürzlich erledigten Arbeiten hindeutet. Direkt vor dem besetzten Haus hat jemand aber bereits am Sonntagnachmittag Steine wieder gelockert und zu einem kleinen Häufchen aufgeschichtet.

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