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Jann Jakobs über Potsdam: „Wenn es einer schafft, dann Potsdam“

Ständig gibt’s hier Ärger: Mercure-Abriss, Sanssouci-Eintritt, Tourismus-Abgabe, hohe Mieten. Oberbürgermeister Jann Jakobs ist dennoch optimistisch.

Herr Jakobs, es war für Sie ein politisch schwieriges Jahr.

2013 kam man kaum hinterher bei dem Wirrwarr im Potsdamer Rathaus – ob um die umstrittene Tourismusabgabe oder den geplanten Abriss des Hotels Mercure. Haben Sie zwischendurch selbst mal den Faden verloren?

Nein, ich weiß ja, was ich will. Wenn sich das zuweilen nicht im ersten Anlauf durchsetzt, muss man einen langen Atem haben. Aber ich gebe zu, dass für Außenstehende nicht mehr alles nachvollziehbar war, was da so passiert ist.

Sie sind mit der Tourismusabgabe gescheitert. Was haben Sie falsch gemacht?

Das frage ich mich auch. Es ging uns vor allem um eines: Wir wollten nicht, dass die Potsdamerinnen und Potsdamer im Park Sanssouci Eintritt zahlen müssen. Bei allen Irritationen, die es dann um die Gegenfinanzierung gab – dieses Ziel hat alle Stadtverordneten geeint. Und das umzusetzen, ist mir ja am Ende auch gelungen. Aber ich habe es nicht geschafft, die Gegenfinanzierung für die Zahlung der Stadt an die Schlösserstiftung zu klären.

Woran lag es denn?

Am Zeitpunkt. Es hat damit zu tun, dass die Abstimmung immer näher an den Termin der Kommunalwahl 2014 herangerückt war. Viele hatten Angst vor der Auseinandersetzung.

Potsdam leidet an den Nachwirkungen. Es gilt eine Haushaltssperre, um die jährliche Überweisung von einer Million Euro zu finanzieren. Wie geht es 2014 weiter?

Wir haben einen Vertrag für fünf Jahre mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten geschlossen. Den haben wir zu erfüllen. Und weil es keine Gegenfinanzierung gibt, ich auch in absehbarer Zeit keine Möglichkeit sehe, dafür irgendeine Abgabe einzuführen, wird die eine Million Euro über eine Haushaltssperre kommen müssen.

Eine Haushaltssperre, fünf Jahre lang?

Nein, das nicht. Aber wir müssen die 1,75 Millionen Euro, die pro Jahr jetzt fehlen, auf Dauer einsparen.

Potsdam muss plötzlich für 160 Millionen Euro Schulen bauen. Hätte man bei dem Rekordwachstum der Bevölkerung das nicht lange vorher wissen müssen?

Da ist nichts schiefgelaufen. Es gibt einen Schulentwicklungsplan, der bis 2016 läuft. Den haben wir jetzt vorzeitig angepasst, auf Grundlage neuer, sehr kleinräumiger, präziser Prognosen für jeden Stadtteil. Wir können ja nicht auf blauen Dunst irgendwo Schulen hinbauen.

Muss eine Generation von Kindern ihre Grundschulzeit in Containern verbringen?

Ich nehme dieses Wort nicht mehr in den Mund. Es sind keine Container. Sprechen auch Sie bitte von Schulen in Modulbauweise! Die sind so ausgestattet, dass ein ordentlicher Unterricht möglich ist.

Mit der Sperrung der Schwimm- und Leichtathletikhalle am Luftschiffhafen hat sich auch die Lage bei den Sportstätten verschärft. Gerade saniert, nun Einsturzgefahr. Wie kann das sein?

Das ist dramatisch. Auch wir sind fest davon ausgegangen, dass Gebäude, die vor gut zehn Jahren mit einem Riesenaufwand komplett saniert wurden, für die nächsten zwanzig Jahre halten, mindestens. Nun mussten wir vorsorglich beide Hallen schließen. Es wird noch untersucht, wer dafür verantwortlich ist. Danach werden auch Konsequenzen gezogen.

Jeder Bau wird abgenommen. Wie kann es nicht auffallen, dass man ein neues Dach auf ein altes setzt?

Das frage ich mich auch.

Wurden die Akten schon durchgesehen?

Wir sind dabei.

Hat Potsdam überhaupt noch Geld für die Sanierung der Luftschiffhafen-Hallen?

Für mich steht außer Frage, dass wir die Hallen so schnell wie möglich sanieren müssen. Natürlich ist das alles zusammen eine immense Belastung. Ich will das nicht schönreden. Es geht allein bei den Schulen um rund 16,5 Millionen Euro jährlich, das setzt auch eiserne Haushaltsdisziplin voraus. Im Vergleich mit anderen kreisfreien Städten im Land behaupte ich mal keck: Wenn es einer schaffen kann, dann Potsdam.

Gilt das auch für Wohnungsknappheit und explodierende Mieten?

Eine Kommune hat da nur bedingt Einflussmöglichkeiten, die wenigen nutzen wir aber intensiv. In der Wohnungspolitik steht Potsdam, komischerweise entgegen der Wahrnehmung in der Landeshauptstadt selbst, sehr gut da. Im Übrigen besser als Berlin, wo wir hochgeschätzte Gesprächspartner sind. Die Berliner holen sich bei uns mittlerweile Ratschläge.

Und wie lösen Sie das Problem?

Es beginnt damit, dass unser städtisches Unternehmen bis 2019 selbst 1000 neue Wohnungen baut. Wichtiger ist, dass wir die Mietpreisbindungen, die bei 4000 Wohnungen ausgelaufen wären, verlängern konnten, bei einer Kaltmiete von 5,50 Euro. Und wir tun alles, damit neue Wohnungen gebaut werden können.

Haben Sie manchmal Sorge, dass Potsdam zu nobel werden könnte?

Nein, weil die Bandbreite stimmt. Niemand ist gezwungen, nur bei „Butter-Lindner“ einzukaufen. Wer das will, soll’s machen, und wer nicht, der geht woanders hin.

Es gibt einige, denen Potsdam fremder wird. Ihr Vorgänger Matthias Platzeck lebt jetzt lieber in der Uckermark.

Es gibt immer Menschen, die es rauszieht. Matthias Platzeck ist in Potsdam groß geworden und hat jetzt eine Vorliebe fürs Ländliche. Ich bin auf dem Land groß geworden und käme nie auf die Idee zurückzuziehen. Wenn man unsere jüngste Einwohnerbefragung ansieht, ist die Identifikation mit der Landeshauptstadt sehr hoch. Die Leute fühlen sich wohl in Potsdam.

In der Umfrage bekam die sonst so gescholtene Stadtverwaltung gute Noten, mit einer Ausnahme: das Verkehrschaos. Warum wurden die Großbaustellen an den Haupttrassen nicht besser koordiniert?

Wir haben alles versucht, es ging wirklich nicht. Wir müssen uns da ein dickes Fell zulegen, etwas anderes hilft nicht. Es vergeht ja kein Tag, an dem ich nicht zu einem Termin fahre und dort meine Entschuldigungsrede halte, warum es verkehrsmäßig gerade bescheiden läuft.

Nach dem Staujahr ist prompt die Diskussion um eine dritte Havelbrücke aufgelebt.

Ja, wieder einmal. Aber von Illusionen sollte man sich verabschieden.

Vielleicht ist der Abriss des Mercure-Hotels, der Ihnen doch nicht gelungen ist, auch eine?

Nein, im Gegenteil. Auch wenn ich da unterlegen war, bleibe ich dabei: Im Vordergrund steht nicht der Abriss! Mir ging es vor allem darum, die Option offenzuhalten, damit wir irgendwann die Möglichkeit für eine Alternative zum Mercure haben. Wir haben in den nächsten 20 Jahren keine, wenn dort ein fester Anbau der Weißen Flotte realisiert würde. Es geht auch hier um die Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte. Dazu gehört der Mut, nichts zu verbauen – wie nach der Wende, als der aus DDR-Zeiten stammende Theaterrohbau auf dem Alten Markt abgerissen wurde. Damals wusste auch niemand, wie das Areal einmal aussehen soll. Eine ähnliche Diskussion brauchen wir am Lustgarten. Wir können uns nicht herausmogeln.

Sie müssen laut Stadtverordnetenbeschluss mit der Flotte einen Vertrag abschließen.

Sie können sich vorstellen, dass ich das nicht mit Begeisterung mache. Und da steckt der Teufel im Detail. Ich sehe noch nicht, dass wir mit den Verhandlungen durch sind.

Herr Jakobs, Sie sind gerade 60 geworden. Wenn Sie bei den Potsdamern einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Ein ordentliches Fischgeschäft in der Brandenburger Straße. Das gab es ja schon mal.

Das Interview führten Sabine Schicketanz und Peer Straube.

WAS FÜR EIN FEST

Jann Jakobs hat gerade seinen 60. Geburtstag gefeiert, zwei Tage vor Heiligabend. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Potsdam.

Geboren wurde er in Ostfriesland.

VON SPANDAU ...

Jakobs, der Ende der 60er Jahre eine Lehre als Flugzeugbauer absolviert hat, studierte bis Anfang der 80er Jahre an der FU in Berlin und war von 1979 bis 1988 Sozialarbeiter im Berliner Bezirk Spandau – konkret: im schwierigen Ortsteil Staaken, „Heerstraße Nord“. Seit 1974 ist er SPD-Mitglied.

... NACH POTSDAM

Er stieg in Potsdam zum Jugendamtsleiter auf und ist seit November 2002 Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Brandenburgs (160 000 Einwohner).

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