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Gedenken im Dom. Auch Mikito Takefuji und der fünfjährige Tomoya entzündeten für die Erdbebenopfer eine Kerze. 

© dpa

Japaner in Berlin: Kerzen für die Opfer

Viele Japaner in Berlin sind nach der Erdbebenkatastrophe geschockt und wie gelähmt. Das Beben überschattete am Sonnabend auch die Internationale Tourismusbörse. Der ITB-Stand Japans wurde abgebaut.

Ein Strauß weißer Rosen liegt vor der japanischen Botschaft an der Hiroshimastraße, einige flackernde Grablichter stehen daneben. Und hinter dem hohen Metallgitterzaun hängt die Fahne des Kaiserreichs im Osten schlaff auf Halbmast. Im Botschaftsviertel am Rande des Tiergartens herrscht die Ruhe des Wochenendes: Während sonst nach Katastrophen die Menschen an Orten wie diesem zusammenkommen, Lichter anzünden und Kränze niederlegen, ist hier kaum jemand zu sehen. Nur die Touristenbusse fahren über die Tiergartenstraße, als sei nichts geschehen. Ob und wann es ein Kondolenzbuch gibt, könne er nicht sagen, sagt der Botschaftspförtner. „Ich bin nicht befugt, Auskünfte zu geben.“

Ein ähnliches Bild Unter den Linden: Berlin-Besucher drängen sich vor dem Historischen Museum, im Lustgarten räkeln sich die ersten Flaneure in der Frühjahrssonne. Unter der Kuppel des Berliner Doms dagegen ist es still. Nur knapp 60 Menschen sitzen in den Bänken, als die Orgel zu „Aus tiefster Not ruf ich zu Dir“ ansetzt. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat zu einer Gedenkandacht für die Opfer des Erdbebens eingeladen.

Bischof Markus Dröge spricht vom Wasser, das durch die Häuser strömt, von der Angst vor der Atomkatastrophe. „Fragen verfolgen uns, auf die es keine Antwort gibt“, sagt der Bischof. „Warum müssen ganze Städte im Tsunami-Schutt ertrinken? Können wir nicht helfen, obwohl uns doch die Medientechnik die Katastrophe so nah heranholt, als wären wir selbst dabei?“ Auch Dröge gibt darauf keine Antwort.

Nach der Andacht zünden die Menschen im Dom noch eine Kerze zum Gedenken an die Opfer an. Auch eine vierköpfige japanische Familie ist darunter, ein Kind spielt gerade ein Videogame. Der sichtlich erschütterte Vater berichtet, dass die Erdstöße die Kornkammer seines Heimatlandes getroffen haben. Auch Arnaul Verite, Touristin aus Frankreich, ist gekommen: „Ich wollte in den Gottesdienst gehen, um in dieser Situation mit anderen Menschen zusammen zu sein“, sagt sie. Im Internet habe sie gesucht, ob es nicht auch einen katholischen Gedenkgottesdienst gebe, aber nur die Andacht im Berliner Dom gefunden.

Das Beben überschattete am Sonnabend auch die Internationale Tourismusbörse (ITB). Am Vormittag verteilten sie am Japanstand noch emsig Prospekte mit Hochglanzfotos des Kiyomizu-Tempels in Kyoto oder des Fuji-Vulkanes: Business as usual. Doch um die Mittagszeit hielt das Team diesen Einsatz gegen alle Sorgen nicht mehr durch. Gegen 13 Uhr bauten die Japaner ihren Informationsstand ab und traten den Heimweg an. Messeleitung und Messebummler zeigten „volles Verständnis“. Ohnehin hatten schon seit Freitag zahlreiche Besucher ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht.

In Berlin leben knapp 2000 Japaner. Es gibt das Japanisch-Deutsche Zentrum und die Deutsch-Japanische Gesellschaft, beide bemühen sich um Kulturaustausch. Und man kann in mehr als 60 Restaurants und Sushi-Bars japanisch essen. Doch in der Gastronomie ging der Betrieb am Sonnabend „erst einmal ganz normal weiter“, sagte die Bedienung eines Sushi-Lokales in Mitte. Vor allem bei deutschen Gästen sei das Beben „ein Thema von vielen“. Die japanisch-deutschen Organisationen reagierten bislang offiziell noch nicht auf die Katastrophe. Ihre Websites lasen sich, als sei nichts passiert.

Viele Japaner sind offenbar geschockt und wie gelähmt. „Sie haben erst einmal mit ihren eigenen privaten Sorgen zu tun“, sagt Yumiko Umetsu, Lehrbeauftragte am Institut der Humboldt-Universität für die Sprache und Kultur Japans. „Wir telefonieren ständig mit Freunden oder Angehörigen in der Heimat, verfolgen die deutschen TV-Nachrichten und japanischen News im Internet.“ Hinsichtlich der akuten atomaren Gefahr vertraut sie allerdings mehr den deutschen Medien. In Japan werde dieses Problem eher heruntergespielt. Die 61-Jährige lebt seit 30 Jahren in Berlin, hat aber Familienangehörige in Japan. Zum Glück hätten alle das Beben gut überstanden, sagt sie, „obwohl die Erde auch bei ihnen stark wackelte.“

Unter den Japanern in Berlin gibt es aus Sicht von Yumiko Umetsu nur ein schwach ausgebildetes Netzwerk. Auch deshalb seien vermutlich noch keine gemeinsamen Initiativen angelaufen. Sie freut sich aber über die Anteilnahme vieler Deutscher. Es ist eine Welle von Mitgefühl, die seit Freitag auch Akira Yamashina in seinem Japanisch-Deutschen Buchladen an der Charlottenburger Pestalozzistraße erlebt. „Die Kunden kommen in den Laden“, sagt der 60-Jährige, „und drücken gleich ihr Mitgefühl aus.“

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