zum Hauptinhalt

Berlin: Jede Stimme zählt

Trotz Wahlkampfabschluss-Feiern kämpfen die Berliner Parteien weiter bis zum Wahlsonntag um die Gunst der Berliner

Der Countdown läuft. Knapp 40 Stunden vor Öffnung der Wahllokale haben am Freitagabend die großen Parteien ihren Endspurt begonnen. Auf Kundgebungen warben die Spitzenkandidaten von SPD, CDU, PDS und Grünen um jede Stimme. Unterstützung bekamen sie dabei von bundespolitischer Prominenz und Parteifreunden aus anderen Ländern.

Die Sozialdemokraten feierten ihren Spitzenkandidaten Klaus Wowereit auf dem Gendarmenmarkt. Etwa 1500 Menschen kamen, Ehrengäste waren der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck und der SPD-Parteichef Kurt Beck. Platzeck lobte seinen „Freund und Nachbarn“ überschwänglich, er habe mit Wowereit für die Region Berlin-Brandenburg exzellent zusammengearbeitet und so solle es auch bleiben. Wowereit habe seit 2001 ein großes Pensum mit guter Laune bewältigt. „Die Welt schaut auf diese Stadt und zwar mit herzchenförmigen Pupillen“.

Beck sprach sogar von einer „Symbiose zwischen Klaus Wowereit und Berlin“. Er hofft auf eine gute Wahlbeteiligung. „Denn was am Sonntag zusammengewählt wird, kann man am Montag nicht wegverhandeln“. Wowereit ließ sich zu einer dreiviertelstündigen programmatischen Rede hinreißen. Er dankte dem SPD-Vorsitzenden Beck ausdrücklich für dessen „kräftige Unterstützung“ „und die Kanzlerschaft, die sollst Du haben“. Rot-Rot habe Berlin bewegt und radikal umstrukturiert. „Wir kämpfen um jede Stimme, damit die SPDden eindeutigen Regierungsauftrag erhält“.

Gleich zweimal setzt die CDU zum „Endspurt“ an. Im „Wintergarten“ an der Potsdamer Straße berichtete der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff von drei Jahren Landespolitik mit einem Bürokratieabbau um 50 Prozent, der Gründung einer zentralen Investitionsbank und dem Pilotprojekt Islam-Unterricht. Niedersachsen habe die Nettoneuverschuldung halbiert und seit Jahren ein positives Wirtschaftsklima, sagte Wulff. Dann griff er den Regierenden Bürgermeister an, weil er den Berlinern kostenlose Kitas verspreche.

Der CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger lobte Wulffs „fulminante Leistung“ als Beweis dafür, dass es den Leuten besser gehe, wenn die CDU regiere. „Was die Niedersachsen können, können die Berliner auch“, sagte er, versprach eine bessere Mittelstandsförderung, eine Unterrichtsgarantie, neue Stellen bei der Polizei. Er sagte, er lasse sich das Recht nicht nehmen, sich mit seiner Familie in der Öffentlichkeit zu zeigen, auch wenn man ihm vorwerfe, das sei Wahlkampf.

Die Linkspartei/PDS hob die bundespolitische Symbolwirkung der Berlin-Wahl hervor. Ihre beiden Bundestags-Fraktionschefs Oskar Lafontaine und Gregor Gysi rechneten auf dem Schlossplatz scharf mit der Innen- und Außenpolitik der Großen Koalition ab. Gysi rief den knapp 1000 Parteifreunden zu: „Dagegen kann man am Sonntag protestieren.“ Kämpferisch stellte Gysi die CDU in die Ecke der Irakkriegsparteien und attackierte die Grünen als Hartz-IV-Mitverursacher. Seine Berliner Genossen lobte er für soziale Angebote und deren Gemeinschaftsschul-Konzept. Lafontaine nahm die WASG aufs Korn, die der PDS in Berlin linke Konkurrenz macht. Das seien „Separatisten“. Spitzenkandidat Harald Wolf kündigte an, für „richtig Rot“ zu kämpfen. Zwar sei so gut wie klar, dass die Berliner auch in der nächsten Legislaturperiode Klaus Wowereit als Regierenden Bürgermeister hätten. „Welchen Wowereit man bekommt“, hänge aber vom Koalitionspartner ab.

Auch die Bündnisgrünen nutzten am Freitag ihren Wahlkampfabschluss vor rund 100 Zuschauern auf dem Breitscheidplatz, um für sich zu werben. Die Partei wollte nicht nur ihre Stammklientel, sondern auch potenzielle Wähler von CDU und FDP ansprechen. Sie sollten ihre Stimme „nicht an die Opposition vergeuden, sondern uns geben“, sagte Fraktionschef Volker Ratzmann. Die Grünen wollen mit den Leihstimmen aus dem bürgerlichen Lager mitregieren und „Rot- Rot ablösen“, so Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig. Drei Kernpunkte sind für die Partei wichtig: Bildung, die Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft sowie die Zusammenführung von Umweltpolitik und Lebensqualität.

Das vierte Schwerpunktthema „Integration und Multikulti“ stellte die Parteichefin Claudia Roth in den Mittelpunkt. Sie betrat mit orange-rot-gelb gefärbten Haaren und einem knallroten Mantel die Bühne. Die gebürtige Bayerin begrüßte „die In- und Ausländer und die Bayern“. Am Sonntag werde um jede Stimme gekämpft. Ein „dicker, grüner Farbtupfer“ sei im Senat gegen den „Stillstand durch Rot-Rot“ nötig. Am Sonntag wollen die Grünen drittstärkste Kraft werden und mitregieren – am liebsten unter Rot- Grün, aber auch Rot-Rot-Grün schließen sie nicht aus. Ein Erfolg des Landesverbands könnte für die Grünen bundesweit Symbolwirkung haben, sollte der Sprung in die Regierung klappen.lvt/sib/wvb./za

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false