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Berlin: Jeder zweite Straßenbaum ist krank

BERLIN .Den 400 000 Berliner Straßenbäumen geht es schlecht.

BERLIN .Den 400 000 Berliner Straßenbäumen geht es schlecht.Jeder zweite Baum gilt als krank, leidet unter Gas, Ruß, Urin, Pilzbefall, Nährstoff-, Sauerstoff- und Wassermangel und eingezwängten Wurzeln.Seine Lebenserwartung liegt bei 60 bis 70 Jahren.Gesunde Waldbewohner bringen es auf 100 bis 150 Jahre.

"Die Stadtgestaltung fördert Schädlinge wie Blattläuse oder Spinnmilben", sagt Hartmut Balder vom Pflanzenschutzamt.Hinzu kommen direkte Verwundungen durch parkende Autos oder Bauarbeiten - ein idealer Angriffspunkt für holzzersetzende Pilze.Im vergangenen Jahr mußten in der gesamten Stadt 4500 Bäume gefällt werden.Experten kalkulieren einen durchschnittlichen Wertverlust von 15 000 Mark pro Baum, insgesamt 1997 also 67,5 Millionen Mark.

Besonders gefährlich ist ausströmendes Erdgas.Bisher nur ein Problem der Osthälfte der Stadt, macht sich Gas jetzt auch im Westteil als Baumkiller bemerkbar.Die Wurzeln ersticken langsam und sterben ab.Oberirdische Anzeichen sind spätes Austreiben und Gelbverfärbung der Blätter.Ist der Baum einmal geschädigt, bleibt kaum noch Hoffnung.Insgesamt 20 000 Bäume werden nach Balders Schätzung in den nächsten Jahren absterben.Allein in Wilmersdorf, mit 123 Bäumen pro Straßenkilometer Spitzenreiter unter den Bezirken, wurden 150 Bäume als gasgeschädigt eingestuft.Schuld sei die Umstellung von Stadt- auf Erdgas, das mit wesentlich höherem Druck durch die Leitungen strömt und trockener ist als Stadtgas: die Hanfdichtungen werden leck.

Die Gasag dementiert Balders Zahlen.Grundsätzlich sei das gesamte Leitungsnetz vor der Umstellung auf Erdgas saniert worden, sagt Sprecherin Bettina Messer.Es gebe nur einzelne Lecks und wenige betroffene Bäume.Um den Lebensraum Stadt zu verbessern, fordert Balder, Straßen und Plätze mit wissenschaftlich untermauerten Planungsrichtlinien neu zu gestalten.Bäume sollten genug Platz zwischen Straße und Bürgersteig erhalten und in einem durchgehenden Pflanzgraben gesetzt werden, aber nicht neben Versorgungsleitungen.

"Die Grünplanung muß wieder einen höheren Stellenwert erhalten", sagt Balder.Das könnte auch Geld sparen: Einen Straßenbaum zu pflanzen, kostet bis zu 4000 Mark.Hinzu kommt die Pflege.5480 Bäume wurden 1997 neu gepflanzt.Bislang gilt als Regel, daß jeder abgeholzte Baum auch ersetzt wird, aber dafür läßt man sich immer mehr Zeit."Früher haben wir sofort nachgepflanzt.Das geht heute nicht mehr", sagt Klaus Burckhardt vom Spandauer Grünflächenamt.Es fehle an Personal und Geld.

Noch sei die Nachpflanz-Bilanz in fast allen Bezirken positiv, erklärt Bärbel Schwöbel von der Senatsumweltverwaltung, räumt aber ein, daß dazu gegenwärtig die Ausgleichsmaßnahmen der Innenstadt-Projekte beitragen.Im vergangenen Jahr wurden 840 Bäume von Bauträgern finanziert.In den nächsten Jahren laufen die Gelder aus."Dann helfen uns vielleicht Sponsoren", hofft Schwöbel.Allein die Pflanzung von 100 000 zusätzlichen Bäumen würde 400 Millionen Mark kosten.Diese Zahl dürfte Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing zu einer aktiven Pflanzenschützerin machen.

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