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Erst verliebt, dann gejagt. Emma Watson und Daniel Brühl geraten im Chile der Pinochet-Diktatur in die Fänge einer unheimlichen Sekte, aus der es praktisch kein Entkommen gibt – weil sie unvermutete Verbündete hat.

© promo

Jetzt im Kino: Emma Watson und Daniel Brühl geraten zur Pinochet-Zeit in die Fänge eines gefährlichen Sektengründers

Die Colonia Dignidad war eine berüchtigte deutsche Sekte in Chile. Florian Gallenberger stellt seinen brisanten Film darüber nun vor.

Eine Schlüsselszene wurde ausgerechnet im Stadtbad Tiergarten gedreht. Aber das erkennt man nicht, weil man an dieser Stelle viel zu sehr damit beschäftigt ist, den Atem anzuhalten. Wenn am Freitagabend Emma Watson und Daniel Brühl am Potsdamer Platz über den Roten Teppich schreiten zur offiziellen Europapremiere des Films „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“, dann kann sich das Publikum auf ein gruseliges Filmerlebnis gefasst machen.

Als Nächstes sehen sie Emma Watson als Stewardess Lena, die sich im Chile der frühen 70er Jahre freiwillig in die Fänge der unheimlichen deutschen Sekte "Colonia Dignidad" begibt, um ihren Freund wiederzufinden, der von den Folterknechten des Diktators Augusto Pinochet dorthin verschleppt wurde. Zweimal war der Thriller bislang zu sehen, zum einen auf dem Filmfestival in Toronto im September, wo er in über 25 Länder verkauft wurde. Und am Donnerstagabend in der Landesvertretung Bayern. Dort gibt es traditionell im Vorfeld der Berlinale einen Filmabend, und dieser Film ist maßgeblich vom FilmFernsehFonds Bayern gefördert worden.

Der Regisseur und Oscar-Preisträger Florian Gallenberger schleppt das Thema schon seit dem 3. Schuljahr mit sich herum. Damals ging er in der Nähe von München zur Schule, und eine Lehrerin zeigte den Kindern eine Dokumentation über die Sekte mit dem im Film von Mikael Nyquist gespielten berüchtigten Anführer Paul Schäfer. Der pädophile Alt-Nazi stammte aus der Nähe von Köln und hatte in der Nachkriegszeit als Laienprediger eine Gruppe von 250 Menschen um sich geschart, die ihm hörig gewesen sein sollen. Als gegen ihn ermittelt wurde, setzte er sich nach Chile ab, wo er ein eigenes Herrschaftsreich am Rande der Anden aufbaute.

Folterzentrum der Junta

In 40 Jahren sei nur 5 Menschen die Flucht gelungen, heißt es im Filmabspann. Nach dem Militärputsch 1973 nutzte die Diktatur das Areal als Folterzentrum. Dort ließ sich aber auch Franz-Josef Strauß mal blicken. Ausgerechnet auf der Bühne, auf der eine Landesgruppe in Berlin seinen 100. Geburtstag gefeiert hatte, wurde nun dieser Film gezeigt.

Nach dem Ende der Diktatur und beginnenden Ermittlungen setzte sich Schäfer 1997 nach Argentinien ab, wurde dort 2005 aufgespürt und kam wegen Kindesmissbrauchs, Folter, Mord und anderer Verbrechen dort ins Gefängnis, wo er 2010 im Alter von 88 Jahren starb. Wie sehr das Thema die Menschen auch heute noch bewegt, zeigte sich bei der emotional geführten anschließenden Diskussion. Da waren die Eindrücke noch frisch, was ausgerechnet der deutsche Botschafter in Santiago der fiktiven Hauptfigur angetan hat.

Florian Gallenberger erzählte von seinen Recherchen, nach denen die Botschaft in Santiago de Chile zeitweise mit der Sekte sogar kooperiert habe. Bis heute gebe es unveröffentlichte Akten dazu . Im Kalten Krieg galten andere Prioritäten. Das Auswärtige Amt verweist in dem Zusammenhang auf eine öffentliche Anhörung des Unterausschusses für Menschenrechte von 1988. Der inzwischen verstorbene Botschafter, der sich für die Colonia verbürgt hatte, folgte der Einladung damals nicht. Dass der Film Diskussionen auslösen wird, ist wohl zu erwarten. Umso erstaunlicher, dass er nicht auf der Berlinale vorgestellt wurde, die als besonders politisches Festival gilt. Produzent Benjamin Herrmann nannte gleich mehrere Gründe: „Der Film war fertig für Toronto, und wir wollten ihn auf einem englischsprachigen Festival präsentieren.“ Zudem habe man ein bisschen den Effekt des „Propheten im eigenen Lande“ befürchtet. Am 18. Februar, also noch während das Festival läuft, kommt der Film nun in die deutschen Kinos.

Heute ein Bayerisches Dorf

Florian Gallenberger hat bei seinen Recherchen Berater gehabt, die in der Sekte aufgewachsen sind. Heute befindet sich auf dem Gelände ein Bayerisches Dorf mit Alpenhotel. „Ein schrecklicher Ort, der einem die Energie aus dem Leibe zieht“, erinnert er sich an seine Aufenthalte dort. Trotzdem hat er auch Emma Watson einmal mit dorthin genommen, um ihr ein Gefühl zu geben für den Originalschauplatz.

Ansonsten wurden große Teile des Films in Argentinien, Luxemburg und Bayern gedreht. Gallenberger will mit seinem Film auch dazu beitragen, dass die Beziehung der Botschaft mit der Sekte vollständig aufgearbeitet wird. Sechs Jahre hat er sich tief auf die Geschichte eingelassen. Bei den Dreharbeiten in Argentinien hatte er mal Kontakt mit dem deutschen Botschafter. Als er sagte, dass die deutsche Botschaft in Chile im Film eine Rolle spielt, habe sich der Botschafter rasch entschuldigt, erzählt er: „So hochkant rausgeflogen bin ich noch nie.“

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