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Der nigerianische Künstler Emeka Ogboh.

© Christine van den Berg

„Jetzt stellen wir unsere eigenen Werke hier hin“: Nigerianischer Künstler errichtet Klanginstallation auf dem Humboldt-Forum

Für sein Werk hat Emeka Ogboh mit Sängern in Nigeria ein Igbo-Volkslied aufgenommen, das nun auf dem Dach des Forums zu hören ist. Das steckt dahinter.

Ungewohnte Töne am Schloss: Vom Dach des Humboldt-Forums sind seit Montag die Klänge eines Igbo-Chores zu hören. Zwölf Lautsprecher hat der nigerianische Künstler Emeka Ogboh auf der Dachterrasse des Humboldt-Forums installiert, die Igbo sind eine ethnische Gruppe aus dem Südosten Nigerias.

Auf dem Dach stehen am Montag Pressevertreter vor den Lautsprechern, die der Künstler mit Akwete, einem traditionellen Igbo-Stoff, überzogen hat. Kaum ertönt die erste Männerstimme aus einem der zwölf Lautsprecher, bewegen sich etwa fünfzehn Gäste des Humboldt-Forums vorsichtig in Richtung des Klanges. Die zwölf Stimmen singen zuerst jeweils solo und später im Chor. „Deswegen arbeite ich gerne mit Klängen. Menschen fühlen sich zu den Stimmen hingezogen“, sagt Emeka Ogboh.

Für seine Klanginstallation „Der Kosmos – Things Fall Apart“, die 2020 im Rahmen des Wettbewerbs „Kunst am Bau“ ausgewählt wurde, ist der Künstler dieses Jahr nach Nigeria gereist und hat dort mit Igbo-Sänger:innen das Igbo-Volkslied „Nne, Nne, Udu“ aufgenommen. Das Lied wird durch eine Zeile aus Chinua Achebes Roman „Alles zerfällt“ ergänzt. Der Schriftsteller thematisiert in seinem Buch die Folgen des Kolonialismus. In besagter Zeile heißt es: „Er hat ein Messer auf die Dinge gelegt, die uns zusammenhalten, und wir sind verfallen.“

Schaut man auf die Lautsprecher und richtet den Blick nach oben, sieht man das goldene Kuppelkreuz der Kathedrale auf dem Humboldt-Forum, das die Sonne reflektiert. Emeka Ogboh zeigt nach oben auf das Kreuz und dann nach vorne auf das Gebäude des Außenministeriums.

„Es gibt einen Grund dafür, dass genau hier ein zeitgenössisches Igbo-Kunstwerk steht.“ In Achebes Buch gebe es eine Stelle, in der die Hauptfigur über die Kolonisierung spricht und darüber, wie die Christen ein Messer in das Zentrum der Kultur stechen. „Und das Zentrum kann sich nicht mehr halten.“

Zuletzt wurde das Humboldt-Forum für das Erscheinungsbild der Kuppel kritisiert: Ein Spruchband mit christlichem Unterwerfungsanspruch verziert den Kuppelbau. Der Spruch soll zeitlich begrenzt künstlerisch abgewandelt werden. Ogbohs Kunstwerk hingegen wird dauerhaft auf dem Dach stehen.

„Jetzt stellen wir unsere eigenen Werke hier hin“

Lange Zeit sei nigerianische Kunst gestohlen und gewaltsam entwendet worden. „Jetzt stellen wir unsere eigenen Werke hier hin“, sagt Ogboh. Er bezieht sich auf die Kolonialismusdebatte im Zusammenhang mit nigerianischer Raubkunst im Humboldt-Forum.

Die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus sei wichtig, ebenso wie die Auseinandersetzung mit der lebendigen Igbo-Kultur. Gesang sei ein zentraler Aspekt dieser Kultur und eine künstlerische, verbindende Ausdrucksform, die zurückgehe auf Humboldts Konzept der Sprache als Kunstform. In der Igbo-Kultur werden Musik und Gesänge genutzt, um Geschichten von einer Generation zur nächsten weiterzugeben.

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Hans-Dieter Hegner, Vorstand Technik der Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss, ist begeistert von Ogbohs Kunstwerk. Die Installation sei wie ein „Blick in die Welt“. Darum gehe es in den Ausstellungen des Humboldt-Forums – verschiedene Weltkulturen zusammenzubringen. „Das Werk steht für die kulturellen Formen und Gesellschaften außerhalb von Europa.“ Dies sei in 40 Meter Luftlinie vom Kuppelkreuz und 150 Meter Luftlinie vom Büro der deutschen Außenministerin ein einzigartiges Statement.

Dass Emeka Ogbohs Installation auf dem Dach des Humboldt-Forums steht, ist aber auch ein Statement an den Ausstellungsort selbst. Das Humboldt-Forum wurde im Sommer unfreiwillig zum zentralen Ort der Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe in Deutschland. Die ausgestellten Beniner Bronzen sind Bestandteil kolonialer Raubkunst. Nach öffentlichem Druck sollen die Bronzen nächstes Jahr zurück nach Nigeria gebracht werden.

Christine van den Berg

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