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Berlin: Jetzt taucht der Biber wieder auf

Mit dem Mini-U-Boot wollte Hitler die Invasion stoppen. Nun wird das Kriegsgefährt ins Technikmuseum gehievt

Auf Feindfahrt waren sie im Radar kaum zu orten: Klein und wendig schlichen sie sich in den Tiefen des Wassers an ihr Opfer heran, feuerten Torpedos ab und versuchten danach zu entkommen. Das gelang ihnen auch anfangs. Doch bald konnten sich ihre Gegner mit besseren Wasserbomben wehren, weshalb sich die neuen „Taschen- U-Boote“ der Nazis eher als Flop und als Himmelfahrtskommando für ihre Steuermänner erwiesen. Die NS-Propagandisten störte das nicht. Für sie blieben die Kleinst-U-Boote eine Wunderwaffe, die den Endsieg möglich machen sollten.

An die Marinesoldaten, die sich elend in den Minikabinen quälten, dachten sie dabei nicht. „Diese Schiffe machen eindrucksvoll klar, wie menschenverachtend die Ideen waren, die die Nazis bis zuletzt hatten“, sagt der Ausstellungschef im Deutschen Technikmuseum, Bernhard Sasse. Er will deshalb schon lange ein solches Schiff nach Berlin holen. Das ist ihm nun gelungen: Am morgigen Donnerstag wird das Mini-U-Boot „Biber“ in sein Museum gehievt. Es ist ein Geschenk des Deutschen Museums in München.

Jahrelang war das nur neun Meter lange, 1,7 Meter hohe und 4,5 Tonnen schwere Geschenk in einem Depot an der Isar untergetaucht. Doch am heutigen Mittwoch zurren es Experten aus Berlin auf einem Spezialtransporter fest und bringen es über die Autobahn nach Norden bis zum Museum am Tempelhofer Ufer in Kreuzberg. Dort erhält das U-Boot einen festen Liegeplatz in der künftigen Schifffahrtsausstellung im zweiten Stock des Museumsneubaus. Auf einer Hydraulikbühne will man die wertvolle Fracht am Donnerstagvormittag emporheben und seitlich durch eine riesige Klapptüre in die Etage schieben. Dieses Tor wurde dort extra für große Exponate eingebaut.

In den beklemmenden Steuerstand des Ein-Mann-U-Bootes können Besucher zwar nicht hineinklettern, wenn die neue Schifffahrtsausstellung am 14. Dezember dieses Jahres auf zweieinhalb Etagen eröffnet wird. „Der Kapitänsstand ist so eng, da kommt man nur mit dem Schuhanzieher rein“, sagt Bernhard Sasse. Aber beim Spaziergang rund ums Boot sollen die Besucher trotzdem viel über dieses letzte große Projekt der deutschen Marine erfahren.

Rund 300 U-Boote vom Typ „Biber“ wurden 1944/45 vor allem in Lübeck produziert. Ein 32-PS-Opelmotor trieb das mit zwei Torpedos bewaffnete Boot an. Maximale Tauchtiefe: 32 Meter. Höchstgeschwindigkeit unter Wasser: 5,3 Knoten (etwa zehn Stundenkilometer). Hinzu kamen die Varianten „Marder“, „Molch“ und „Schwertwal“, der mit zwei Mann besetzte „Seehund“ und das kleinste U-Boot „Delphin“ mit nur fünf Metern Länge.

Mehr als 1200 solcher Kleinsttauchschiffe gingen im Ärmelkanal auf Feindkurs, um die Invasion der Alliierten an der nordfranzösischen Küste zu stören. Sie hatten ein derart geringes Gewicht, dass sie anfangs von einer Wasserbombe in ihrer Nähe beiseite geschleudert, aber nicht unbedingt versenkt wurden. Dennoch war die Hals über Kopf entwickelte, ungewöhnliche Flotte für die Militärs eine Enttäuschung: Sie konnte wegen der schnell verbesserten Abwehr nur bei Nacht in eher ruhigen, geschützten Gewässern operieren; außerdem drangen immer wieder Benzindämpfe in den Führerstand ein. Und der Steuermann war aufs höchste strapaziert: Er musste im Biber oft zwanzig Stunden lang nahezu bewegungslos und ohne ausreichenden Proviant in seiner schwimmenden Stahlröhre zurecht kommen. Alleine der obere Ausguck war derart schmal, dass er seinen Kopf zwischen den drei Fenstern kaum wenden konnte. So wurden nur einzelne Fracht- und Landungsschiffe zerstört – aber mehr als 110 Soldaten fanden in Biber-U-Booten den Tod.

Bei der Kapitulation erbeuteten die Alliierten in deutschen Häfen mehrere hundert Kleinst-U-Boote. Einige funktionstüchtige „Seehunde“ übernahm die französische Marine und nutzte sie bis in die 50er Jahre als Schulungsboote. Andere fanden einen Platz im Museum, endeten auf dem Schrott oder wurden von Sammlern erworben und stehen heute in deren Vorgärten. Welche Wege der jetzt ins Technikmuseum kommende, ungewöhnlich gut erhaltene „Biber“ seit 1945 nahm, ist teils unklar. Fachleute des Deutschen Museums entdeckten das Boot vor mehr als zehn Jahren bei einem Schweizer Sammler und erwarben es, obwohl ihr Haus schon ein ähnliches Schiff besitzt. Deshalb konnte es Berlin nun problemlos übernehmen. Einziges Manko: Es fehlt ein Torpedo. Doch Ausstellungschef Bernhard Sasse ist guter Hoffnung: „So ein Ding treiben wir in den Münchner Depots auch noch auf.“

Die ab 14. Dezember dieses Jahres geöffnete neue Schifffahrtsausstellung im Deutschen Technikmuseum Berlin, Trebbiner Straße 9 Ecke Tempelhofer Ufer (Kreuzberg), präsentiert die Geschichte der Berlin-Brandenburgischen Binnenschifffahrt, der Hochseeschifffahrt und des Freizeitvergnügens auf dem Wasser.

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