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Berlin: Jobs für morgen

Der Senat will Zukunftstechnologien gezielter fördern. Hightech schafft jetzt schon viele neue Stellen

Günter Stock hat ehrgeizige Träume. Berlin soll die Hauptstadt der Lebenswissenschaften, Berlin-Brandenburg weltweit als die Gesundheitsregion bekannt werden. Den Vergleich mit internationalen Wettbewerbern scheut der Forschungsdirektor beim Pharmakonzern Schering dabei nicht: „Berlin konkurriert nicht nur mit München oder Köln. Wir werden uns in Zukunft immer mehr mit Metropolen wie Seoul oder Schanghai messen müssen“. Dass die deutsche Hauptstadt dazu in der Lage ist, davon ist Stock überzeugt. Helfen soll dabei eine neue Innovationsstrategie des Landes Berlin, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Mit ihr sollen zukunftsrelevante Wissenschafts- und Wirtschaftszweige gefördert werden.

Die Wirtschaftsförderung des Senats soll sich danach auf fünf Kompetenzfelder konzentrieren, in denen Berlin jetzt schon gut dasteht: Biotechnologie, Medizintechnik, Optik, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Verkehrssystemtechnik. Für diese Bereiche und zusätzlich für das übergreifende Feld Gesundheitswirtschaft haben Senatsverwaltung, Technologiestiftung Berlin, Berlin Partner und die Industrie- und Handelskammer strategische Ziele formuliert. In „Masterplänen“ wurde jeweils festgeschrieben, welche Maßnahmen in den nächsten zehn Jahren als besonders wichtig erachtet werden. Und jeder Bereich hat von nun an einen eigenen Ansprechpartner.

So soll zum Beispiel im Bereich der Medizintechnik ein Zentrum für Protonen- und Schwerionentherapie errichtet werden, die Biotechnologie-Branche will bis 2008 zusätzliche 400 Arbeitsplätze schaffen, und der Wirtschaftssenator will den Aufbau eines Gesundheitsportals forcieren, in dem die unterschiedlichen Bereiche gemeinsam vertreten sind. An der Schnittstelle Wirtschaft und Wissenschaft soll stärker kooperiert werden.

Alle fünf Kompetenzfelder haben gemein, dass sie zu den hiesigen Wachstumsmärkten zählen. Beispielhaft ist der Umsatz in der Berliner Medizintechnik, der zwischen 2000 und 2004 um durchschnittlich acht Prozent wuchs, während der Umsatz der gesamten Berliner Industrie im gleichen Zeitraum um ein Prozent zurückging. Die Optik- und die Biotechnologie-Industrie rechnen beim Umsatz gar mit jährlichen Wachstumsraten von 10 Prozent bis 2010.

Diese „Stärken Berlins“ will der Wirtschaftssenator Harald Wolf ausbauen. Denn: „Wirtschaftlich spielt die Musik hier“. Das ist nicht neu, gehen mit 78 Millionen Euro doch schon jetzt 80 Prozent der Fördermaßnahmen in die Zukunftsforschung sprich in die Kompetenzfelder, nur 18 Millionen von insgesamt 96 Millionen Euro werden in die Breitenförderung gesteckt. An dieser Größenordnung will Wolf auch in Zukunft festhalten, und er rechnet sogar mit einer Steigerung der Mittel – allerdings noch nicht 2006.

Eine Hoffnung der Verantwortlichen ist es, dass sich die neue Innovationsstrategie auch unmittelbar in Arbeitsplätzen auszahlt. Das wäre bitter notwendig, sieht sich Berlin doch gerade im Bereich der klassischen Industrie mit einer Serie von Stellenstreichungen konfrontiert. Seit 1990 sind in Berlin schon über 170000 Industrie-Arbeitsplätze verloren gegangen. Und auch in diesem Jahr reißen die Hiobsbotschaften nicht ab. Nach Samsung, Reemtsma, Herlitz und Stiebel Eltron verkündete am Dienstag nun der japanische Elektronikkonzern JVC Pläne zur Schließung seines Berliner Werks.

Auch für die Zukunft ließen sich ähnliche Entwicklungen nicht ausschließen, warnt der Wirtschaftssenator. Zwar bleibe Berlin ein Standort auch für die klassische Industrie. Aber nur Bereiche, in denen Innovation verwirklicht würden, seien zukunftsfähig. „Den grundlegenden Strukturwandel der Berliner Wirtschaft können wir nur meistern, wenn wir uns auf den Wachstumsfeldern der Zukunft national wie international an hervorragender Stelle positionieren“, sagt Wolf. Dazu wolle man auch verstärkt internationale Konzerne von den Vorteilen des Forschungs- und Wissenschaftsstandortes Berlin überzeugen. „Wir brauchen ausländisches Kapital“, betont Wolf.

Berlin habe international zwar einen fantastischen Ruf, aber die Assoziation „Wirtschaftsstandort“ erfolge noch nicht automatisch. Dabei zeichnen eine Vielzahl von Forschungs- und Bildungseinrichtungen, viele technologieorientierte kleine und mittelständische Unternehmen sowie eine hohe Innovationsrate die Hauptstadt aus. „Ideal wäre es, wenn Forschung und Wissenschaft, die vor Ort betrieben werden, dann auch hier umgesetzt werden“, sagt Wolf.

Die Erwartungen an die Masterpläne sind groß. So spricht Bruno Broich von der Technologiestiftung von 30 bis 40 Unternehmen, die in den nächsten Jahren neu angesiedelt oder ausgegliedert werden könnten – begünstigt von der neuen Strategie. Ein gelungenes Beispiel für Wirtschaftsförderung ist für Wolf schon einmal die Wissenschaftsstadt Adlershof. „Hier siedeln sich immer mehr Unternehmen an.“ Diese „Cluster-Bildung“, also die Konzentration von Forschung, Wissenschaft und Industrie auf begrenztem Raum, ist die Vision des Wirtschaftssenators für seine Stadt in der Zukunft.

Juliane Schäuble

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