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Schönbohm

© dpa

Jörg Schönbohm: "In Brandenburg hat es etwas länger gedauert"

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm über Ex-Spitzel bei der Polizei und die verschleppte Aufarbeitung.

Herr Schönbohm, Sie hatten erst kürzlich erklärt, dass Sie bei Ihrem Amtsantritt vor zehn Jahren nicht als Stasi-Jäger in Brandenburg einreiten wollten. Nun wollen Sie, kurz vor Ende Ihrer Amtszeit, noch einmal alle Personalakten der Polizisten überprüfen, die einst hauptamtliche Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit waren. Wie soll die neue Überprüfung eigentlich funktionieren, wenn Sie doch rechtlich keine Handhabe mehr haben?



Ich werde in naher Zukunft mit den Polizeipräsidenten und den Leitern der Einrichtungen das genaue Vorgehen abstimmen. Ich will ausdrücklich sagen: Ziel ist es, das Vertrauen der Bürger in die Polizei – die in Brandenburg eine sehr, sehr gute ist – zu stärken. Wir müssen denjenigen, die Opfer des Unrechtsregimes waren, danach sagen können: Wenn jemand, der früher an exponierter Stelle dem Unrechtsregime gedient hat und jetzt in den Reihen der Polizei ist, dann ist dieses vertretbar, weil wir die Sachverhalte geprüft haben.

Aber ist das nicht eine Diskussion, die 20 Jahre zu spät kommt?


Ja. Aber in Brandenburg hat es etwas länger gedauert. Wenn man den Vergleich zieht zu den anderen neuen Bundesländern, muss man einfach feststellen, dass man hier offenbar vor dem Hintergrund des sogenannten Brandenburger Weges geglaubt hat, man könne die Einheit besser erreichen, wenn man möglichst viele aus den früheren Apparaten mitnimmt. Das gilt ja für alle Bereiche. In anderen Ländern hat man andere Entscheidungen getroffen. Aber das will ich jetzt nicht weiter bewerten. Es gab zum Brandenburger Weg Alternativen. Man hat diese Alternativen politisch nicht gewollt.

Herr Schönbohm, fällt Ihnen ein Grund ein, warum man nach der Wende einen hauptamtlichen MfS-Offizier in den Polizeidienst übernehmen musste?

Das ist es ja: Man musste nicht – aber man hat sie übernommen. Und wenn sie die alten Protokolle des Landtages lesen, dann war dies von einer großen Welle der Brüderlichkeit getragen. Und alle diese Beschlüsse atmen den Geist: Wir wollen jetzt nach vorne gucken und wollen möglichst viele mitnehmen und wenn einer bei der Stasi war, dann machen wir eine Einzelfallprüfung. Nur: Diese Einzelfallprüfung war ganz offensichtlich zum Teil doch recht großzügig. Das ist unser Problem.

Sie spielen auf die fünfköpfige, vom Landtag eingesetzte Bischofskonferenz an, der drei brandenburgische Kirchenvertreter angehörten, sowie der Chef der Polizeigewerkschaft GdP und ein Verwaltungsjurist. Diese Kommission hat ja, wenn man es genau nimmt, 1991 mit ihren Voten, an die sich Innenminister Alwin Ziel dann ausnahmslos gehalten hat, dafür gesorgt, dass hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter eingestellt wurden. Und das, ohne dass Stasi-Akten vorlagen, anhand derer man die Angaben der Betreffenden hätte überprüfen können.

Ja, die Bischofskonferenz hat diese Empfehlungen gegeben und der Innenminister hat entschieden, diesen auch zu folgen, das ist offenbar so.

Wer durch die Bischofskonferenz durch war, der war damit faktisch ungegauckt eingestellt, dem konnte nicht mehr gekündigt werden.


Es sei denn, man konnte ihm später bei der – im Übrigen äußerst gründlich erfolgten – Einzelfallprüfung im Innenministerium nachweisen, dass er arglistig getäuscht, also gelogen hat. Es sind deswegen noch etwa 500 Polizisten entlassen worden.

Sie haben erklärt, dass wir durch eine neue Generation mit einer neuen Sicht auf die DDR und neuen Fragen konfrontiert werden und führten als Vergleich das Jahr 1968 in der BRD an.


Ja, das erinnert mich an 1968 in der Bundesrepublik-West, wo die Eltern auch gefragt wurden, wie sie eigentlich mit dem Nationalsozialismus umgegangen sind nach dem Krieg. In Brandenburg sind die Diskussionen immer sehr stark nur auf Menschen bezogen worden. Es geht doch aber auch um eine Wertefrage eines Systems. Leider leiten daraus die einen immer ab: Wenn das System falsch war, dann war unser Leben falsch. Das finde ich übrigens nicht richtig. Aber die Träger des DDR-Systems sind zum Teil ungeschoren davongekommen, die bekommen Staatspension. Die Opfer stellen doch zu Recht die Frage, warum Unrecht von damals nach der Wende nicht gesühnt ist oder zumindest aufgearbeitet wird. Aber die Frage der Glaubwürdigkeit des Neuanfangs war in Brandenburg wohl nicht so ausgeprägt. Das ist Teil des heutigen Problems.

Wenn Sie an die schwerwiegenden Folgen einer verspäteten Aufarbeitung denken, die die Bundesrepublik 1968 erlebte, zu welchem Umgang mit der DDR-Vergangenheit würden Sie jüngeren Kollegen in der Landesregierung und in den Parteien raten?


Der wäre, dass nur Offenheit hilft. Es wäre ratsam, dass unsere Landeszentrale für politische Bildung aktiv wird. Es muss in erster Linie um die Frage und die Definition von Werten im Leben und in der Gesellschaft gehen. Und darum, wie das DDR-System funktioniert hat, warum es so funktionieren konnte und warum es dann doch scheiterte.

Sehen Sie ein Interesse daran?

Nach all den Umbrüchen kann ich die Sehnsucht der Menschen nach Ruhe verstehen. Leider wird es daher in der Politik als einfacher und bequemer angesehen, dann eben darüber nicht zu sprechen.

Haben Sie Hoffnung, dass sich das ändert?

Von seinem 1968 ist dieses Land, wenn die Zeitrechnung stimmt, noch exakt drei Jahre entfernt. Insofern: Ja, da habe ich Hoffnung.

Das Gespräch führten Johann Legner und Peter Tiede

Jörg Schönbohm (63) ist Innenminister des Landes Brandenburg. Der CDU-Politiker spricht sich für einen offenen Umgang mit der DDR-Vergangenheit und dem Stasi-Erbe aus.

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