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Jubiläumssitzung des Abgeordnetenhauses: Schröder: Berlin ist Brücke zum Osten

Politiker feiern den 20. Jahrestag des Gesamtberliner Abgeordnetenhauses. Altbundeskanzler Gerhard Schröder fordert bei dem Festakt mehr Engagement in Richtung Russland.

Auf den Protest der Opposition vor diesem Auftritt geht Walter Momper nur mit einem Halbsatz ein. Viele hätten ja dazu beigetragen, bekannt zu machen, dass an diesem Tag Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) der Festredner zum 20. Jahrestag des ersten Gesamtberliner Abgeordnetenhauses sein würde, sagt der sozialdemokratische Parlamentspräsident mit leichter Ironie. Aber wenn man sich, wie er selbst und seine Kollegen am Dienstag in der Nikolaikirche in Mitte, einen Rückblick erlaube, sei es nur passend, wenn Schröder in seiner Festrede einen Blick in die Zukunft werfe.

Der fällt für Berlin positiv aus, wenngleich Schröder durchklingen lässt, dass die Hauptstadt mehr aus sich machen könnte. Zwar sei Berlin bereits jetzt „die internationalste Stadt in unserem Land“ und löse als Metropole „weltweit Faszination“ aus. Es gebe aber noch ungenutztes Potenzial: „Wirtschaftlich kann Berlin eine Brückenfunktion zwischen Europa und Russland sowie gegenüber den Golfstaaten haben“, sagt Schröder in seiner gut 40-minütigen Rede zum Thema „Berlin und die Zukunft Europas“. Gelinge es der Stadt, diese Rolle auszufüllen, könnte sie „an die wirtschaftliche und kulturelle Blüte der 20er Jahre anknüpfen“.

Bis dahin sei aber noch einiges zu tun, vor allem auf europäischer Ebene, wie Schröder vor rund 200 jetzigen und ehemaligen Mitgliedern des Abgeordnetenhauses, Senatoren und Regierenden Bürgermeistern ausführt: Mit Russland müsse enger zusammengearbeitet werden, ein Assoziierungsvertrag zwischen der EU und Russland müsse Handelshemmnisse abbauen helfen. Auch hält Schröder es für unverzichtbar, die Türkei als EU-Mitglied aufzunehmen – aus wirtschaftlichen Gründen ebenso wie im Interesse der deutschen Integrationspolitik, die „aktiver“ gestaltet werden müsse. Was er damit meint, ließ der Festredner allerdings offen. Auch sein Lob für „die Berliner Landespolitik“ in Sachen Integration, die „in die richtige Richtung“ führe, begründete der Altkanzler nicht. Stattdessen widmet er sich nach einem Rückblick auf den Umbruch in Osteuropa und Deutschland vor gut 20 Jahren der EU-Wirtschaftspolitik, die ihn auch in seiner aktuellen Funktion weiter beschäftigt: Schröder ist Aufsichtsratschef der Nord Stream AG, die die russische Erdgas-Pipeline durch die Ostsee nach Deutschland plant und sich mehrheitlich im Besitz des staatseigenen russischen Gasversorgers Gazprom befindet.

An einem Punkt zeigt sich Schröder gar selbstkritisch: Dass er 1998 den Euro als „kränkelnde Fehlgeburt“ bezeichnet habe, sei ein Fehler gewesen. Nun müsse der Währungsunion aber auch eine politische Union folgen – auch im Interesse Berlins. Trotz vieler noch offener Wünsche überwiegt bei ihm aber die positive Sicht auf Europa und Berlin. Dadurch, dass die Stadt vor bald 20 Jahren wieder zur Hauptstadt gemacht wurde, habe sich die deutsche Politik stärker nach Osteuropa ausgerichtet: „Das ist gut für unser Land.“ Lars von Törne

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