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Dauergast. Nicola Galliner wollte eigentlich nur zwei Jahren in Berlin bleiben. Das war 1970.

© Mike Wolff

Jüdisches Filmfestival: Israels unbekannte Seiten in Berliner Kinos

Seit mehr als 20 Jahren leitet Nicola Galliner das Jüdische Filmfestival. Angefangen hat alles mit acht Filmen – jetzt kommt auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier vorbei.

Überraschungen ist Nicola Galliner gewohnt. Gerade hat die Leiterin des Jüdischen Filmfestivals erfahren, dass drei Filmkopien die nächste Woche auf dem Programm stehen, versehentlich zurückgeschickt worden sind in die USA, dass Zu- und Absagen wie üblich in allerletzter Sekunde umgeändert werden. Aber das kennt sie schon. Einmal rief mitten in der Nacht ein junger Filmemacher an, der seine Absage schlicht vergessen hatte, und wollte abgeholt werden vom Bahnhof Zoo. „Die Filme sind nie das Problem“, sagt sie.

Seit 1970 lebt die gebürtige Engländerin in Berlin, ganz in der Nähe der alten Wohnung ihrer Mutter, die einst vor den Nazis über Palästina nach London geflohen ist. Eigentlich hatte sie nur zwei Jahre bleiben wollen, um beim Lette-Verein Fotografie zu studieren. Aber dann blieb sie, zunächst als Fotografin, später übernahm sie die Kulturarbeit und die Volkshochschule in der Jüdischen Gemeinde. Jüdische Filmfestivals kannte sie aus Amerika, zum Beispiel aus San Francisco. „Das wäre auch was für Berlin“, dachte sie irgendwann. Und fing dann 1995 im Arsenal an - mit acht Filmen.

Es gehen 44 Filme an den Start

Wenn am Sonnabend im Hans Otto Theater in Potsdam das Festival mit Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, feierlich mit einer Gala eröffnet wird, sind 44 Filme am Start, die bis zum 19. Juni an 14 Spielorten zwischen Brandenburg und Berlin gezeigt werden. Neben der Festival-Direktorin und einer festen Mitarbeiterin stemmen dieses Festival noch zwei Zeitkräfte. „Viel zu wenig“, sagt Nicola Galliner. „Aber irgendwie geht es immer.“

Sie trägt ganz entspannt grüne Flip Flops und einen grünen Schal und betrachtet das Festival, das sie seit 2008 hauptamtlich leitet, als ihr „zweites Kind“ – neben dem 33-jährigen Sohn.

Immer wieder ist sie gerührt über das große Interesse, vor allem auch von jungen Leuten. Das liegt natürlich auch an der Auswahl der Filme. Rund 250 Filme hat sie sich übers Jahr angeschaut. „Die Auswahl tut immer richtig weh“, sagt sie. Es gebe einfach viel zu viele gute Filme, die nie einen Verleih und keinen Weg ins Fernsehen finden.

„Der Film muss uns ansprechen.“

Was genau ist eigentlich ein jüdischer Film? Diese Frage hat sie schon so oft gehört, dass sie bei einem der früheren Festivals mal eine Broschüre darüber gemacht hat. „Auf den Inhalt kommt es an“, sagt sie. „Der Film muss uns ansprechen.“ Sie mag zum Beispiel Filme, die Seiten von Israel zeigen, die man sonst nicht so kennt. Einige Filme bringen sie geradezu ins Schwärmen. Da sind die drei Folgen der Amazon-Serie „Transparent“ über einen 68-jährigen jüdischen Familienvater in Kalifornien, der künftig als Frau weiterleben will. Da ist das Portrait von Jacob Bernstein über seine Mutter Nora Ephron. Sie hofft, dass der Sohn des Watergate-Enthüllers auch selbst zur Premiere kommt. Und da ist „Dibbuk – eine Hochzeit in Polen“, den sie sehr komisch findet. Viele Filme werden wiederholt, Karten gibt es über die Kinokassen. Bei der Berlinale hat sie die Produzentin von „Atomic Falafel“ , Minu Barati angesprochen. Die Kriegssatire um drei Teenager, die Militärs in den Wahnsinn treiben und so die Welt vor einem Atomkrieg retten, wollte sie unbedingt haben. Natürlich steht sie nun auch auf dem Programm. Auch auf die japanische Musikgruppe mit ihrem Klezmer-Programm freut sie sich schon sehr, ebenso auf „Women in Sink“, den Kurzfilm, der in den USA längst Kult ist.

Mehr Sponsoren

Sehr stolz ist sie auf frühere Teilnehmer ihres Festivals, „aus denen richtig was geworden ist“. Der junge Amerikaner, der vor Jahren einen Kurzfilm zeigte, gewann damit im darauffolgenden Jahr sogar einen Oscar, andere verschlug es auf die großen internationalen Festivals. „Ich könnte ein viel größeres Festival machen“, sagt Nicola Galliner. Aber dafür bräuchte es mehr Sponsoren. Sie ist allerdings dankbar, „dass uns in diesem Jahr das Auswärtige Amt gerettet hat“. Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird sogar den Film der Schauspielerin und Regisseurin Natalie Portman „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ vorstellen, zusammen mit Fania Oz-Salzberger, der Tochter des israelischen Besteller-Autors Amos Oz, um dessen Erinnerungen es darin geht.

In Israel gibt es 14 Filmschulen. Darunter eine, die sich nur mit religiösen Filme befasst. „95 Prozent der Studenten sind weiblich.“ Auch von dieser Schule gibt es einen Film im Programm. Über eine israelische Filmschule hat auch Emanuel Cohn einen Beitrag eingereicht, der Sohn des Produzenten Arthur Cohn. Die Festivals in Jerusalem, Haifa und New York sind fest gesetzt inNicola Galliners Jahresablauf. Dafür bleibt bei ihr zu Hause der Fernseher meist aus. Elisabeth Binder

Das Jüdisches Filmfestival läuft vom 4. bis zum 19. Juni in 14 Kinos in Berlin und Potsdam. Weitere Infos und das komplette Programm gibt es unter: www.jfbb.de

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