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Berlin: Jünger, als der Verbraucherschutz erlaubt Zigarettengegner verklagen einen Tabakkonzern, weil dessen Models angeblich nicht alt genug aussehen

Mit dem Aussehen ist das so eine Sache. Ist man jung, freut man sich, wenn einen die anderen älter schätzen.

Mit dem Aussehen ist das so eine Sache. Ist man jung, freut man sich, wenn einen die anderen älter schätzen. Kommt man in die Jahre, stärkt es das Selbstbewusstsein, wenn das Gegenüber das gefühlte Alter niedriger ansetzt als das tatsächliche. Am heutigen Donnerstag wird die Altersfrage sogar vor Gericht verhandelt. Eine Umfrage in Steglitz-Zehlendorf ergab, dass Jugendliche die Models der Werbung für die Zigarettenmarke „Camel“ für jünger halten als erlaubt ist. Aus diesem Grund verklagt der Berliner Bundesverband der Verbraucherzentralen den Zigarettenkonzern „Japan Tobacco (JT) International“. Nach Auskunft der Verbraucherzentralen steht damit erstmals ein Zigarettenkonzern aus Deutschland wegen unerlaubter Zigarettenwerbung auf jugendorientierten Plakaten vor Gericht, und zwar in Köln.

Die Motive waren seit dem Frühjahr zu sehen: Ein junger Mann sitzt auf dem Parkettboden, lehnt an der Wand, den Blick versonnen in die Ferne gerichtet. „Slow Down. Pleasure up.“ – so lautet der Slogan der Motivserie, die dem Hersteller „JT International“ zufolge den Markenrelaunch verdeutlichen soll: Abschied von der lustig-pfiffigen Zeichentrick-Camel, zurück zu den Wurzeln des coolen Mannes, der meilenweit geht für seine Zigarette. Das finden die Mitglieder des Forums „Rauchfrei in Berlin“ aber gar nicht cool. Der Zusammenschluss von Institutionen und Vertretern aus dem lokalen Gesundheitswesen kritisiert mit dem Kläger, dass die Menschen weitaus jünger wirken als die erlaubten 30 Jahre. Diese Altersgrenze hat sich aber die bundesdeutsche Zigarettenindustrie in ihrer Selbstbeschränkungserklärung seit Jahren selbst unterworfen, wie der Bundesverband der Zigarettenindustrie mit Sitz in Berlin bestätigt: „Keine Werbung mit Modellen unter 30 Jahren“, steht auch in der betreffenden Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums.

Die Steglitz-Zehlendorfer Initiative „Gesundheit 21“ habe die fünf, teils im Techno-Club-Stil leicht verfremdeten Motive jeweils Gruppen von 50 bis 100 Jugendlichen im Alter von 14 bis 21 Jahren vorgelegt. Das Ergebnis: Die Modelle wurden von bis zu 80 Prozent der Jugendlichen für jünger als 30 Jahre gehalten. Fast die Hälfte der jungen Berliner hielt die Raucher auf den Plakaten sogar für jünger als 25 Jahre. Grund genug für das „Forum Rauchfrei in Berlin“ jetzt Alarm zu schlagen. Es fordert ein umfassendes Tabakwerbeverbot und erhofft vom Landgericht Köln ein Grundsatzurteil.

Beim Zigarettenunternehmen „JT International“ mit deutschem Sitz in Trier und Köln, drittgrößter Tabakkonzern der Welt, könnten die Mitarbeiter hingegen eher wie das HB-Männchen gleich in die Luft gehen. Kein Motiv verlasse das Haus, ohne nicht vorher auf dem Tisch des Hausjuristen gelegen zu haben, heißt es aus der Pressestelle. „Schließlich ist bekannt, dass Verstöße hohe Summen kosten können.“

Volker Nickel, Sprecher des Deutschen Werberats – dieser zieht nächstes Jahr übrigens auch von Bonn nach Berlin – hält den gerichtlichen Vorstoß des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen ebenso für überzogen: viel Rauch um Nichts. Zunächst hätten sich die Kläger an das Selbstkontrollorgan der Branche wenden und deren Schiedsgericht anrufen sollen, meint Nickel. Zudem verweist er auf die vielen bereits bestehenden, gesetzlich vorgeschriebenen Einschränkungen bei der Zigarettenwerbung: Keine Plakate mehr in der Nähe von Schulen und Jugendzentren, keine Verteilung von Gratispackungen etwa in Kneipen mehr, künftig ein Warnhinweis auch im Kino nach jedem Sport – um nur einige zu nennen.

Annette Kögel

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