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Helene Martinez-Krieger ist 14 und hat beim Landeswettbewerb "Jugend debattiert" in der Altersgruppe 13-15 den ersten Platz belegt.

© Melina Zeeb

Jugend debattiert: Schüler diskutieren über Olympia

Beim Landesfinale von „Jugend debattiert“ haben Berliner Schüler im Abgeordnetenhaus über Olympia und Wahlrecht ab 16 diskutiert. Bis die Smartphones gezückt werden. 

„Oh, das tut mir leid, Ich wollte hier keinen beschneiden!“ ruft die Moderatorin, als sie die zweite Gruppe anmoderiert. Sie wirkt ein bisschen drüber, richtig euphorisch. Alle sehen sie an. Sie lacht. Versehentlich hatte sie einen von vier Jungen für ein Mädchen gehalten. 

Im Plenarsaal, in dem sonst der Bundestag und die Bundesversammlung, also alle wichtigen Politiker, tagen, stehen heute acht Jugendliche. Von 5250 Schülern aus 25 Schulen haben sie am besten debattiert. Zuvor wurden sie in der Schule, auf Seminaren und Fahrten trainiert und haben sich selbstständig  auf ihren Auftritt vorbereitet. Die beiden Streitfragen sind „Wahlberechtigung ab 16 Jahren? “ und „Soll Berlin sich für Olympia 2024 bewerben“?

Der Saal ist gut gefüllt. Klassenkameraden, Debattiergruppen und Lehrer sind da. Die Spannung steigt mit jeder Minute. Es gibt klare Regeln, pro Debatte vier Schüler, eine Streitfrage, 24 Minuten Zeit, in der die vier Schüler ihr Können unter Beweis stellen müssen. Auf geschicktes Reden kommt es an. Die Jury urteilt nach Kriterien wie Ausdruck, Sachkenntnis, Gesprächs- und Überzeugungskraft. Die erste Gruppe im Alter von 13 bis 15 Jahren diskutiert das Wahlrecht ab 16, drei Mädchen, ein Junge.

Das Mädchen, das die Eröffnungsrede hält, kann ein angespanntes Grinsen nicht unterdrücken. Ab und zu sieht sie zu ihrer Partnerin, die mit ihr die Pro-Seite vertritt. Eine Bluse oder einen schlichten Pullover haben die Mädchen an, der Junge sticht heraus, er ist in einen grauen Anzug gekleidet. Wie später klar wird, ist er auch der Älteste in seiner Gruppe und der Einzige aus einer Sekundarschule im Wettbewerb. Das dritte Mädchen fällt kaum auf, obwohl sie einen roten Rollkragenpullover trägt.

„Was war denn los, du wirst locker nicht gewinnen!“

Nach den ersten zwei Minuten klingelt es, jeder hatte eine 30 Sekunden lange Eröffnungsrede. Die Zeitwächter wirken sehr aufmerksam und klingeln erst leise, dann laut, was die Debattierenden ein bisschen ablenkt. Das Publikum ist ruhig und versucht nachzuvollziehen, was gesagt wird. In den nächsten zwölf Minuten findet die „Aussprache“ statt, bei der eigentlich spannend diskutiert werden sollte. Doch hier wird das Publikum unruhiger, die ersten Smartphones kommen zum Vorschein, in den hintersten Reihen wird getuschelt.

Beim Schlusswort ist die volle Konzentration wieder bei den Debattierenden. Die Juroren, bestehend aus einem Historiker, der Gewinnerin des letzten Jahres, einem Herrn vom Senat und der Leitung der Hertie Stiftung, die „Jugend debattiert“ finanziert,  ziehen sich zur Beratung zurück. Erleichterung macht sich breit, die Moderatorin spricht noch einige Worte und ein Saxophonist und ein Pianist sorgen für Entspannung vor der Verkündung des ersten Siegers. „ Das hast du super gemacht!“ hören die Debattierenden von ihren Zuhörern – oder auch: „Was war denn los, du wirst locker nicht gewinnen!“ 

...und Raimund Beck in der Altersgruppe 15-17.
...und Raimund Beck in der Altersgruppe 15-17.

© Melina Zeeb

Als die Jury nun endlich ihr Urteil verkündet, wird ein Gesamt- und ein persönliches Urteil abgegeben. Im Gesamteindruck wird oft gesagt, dass es sich um eine gute Debatte handelte. Besonders lobt die Jury die kontrastreiche Argumentation. Nachdem jeder Juror an einen Debattierenden eine persönliche Beurteilung abgegeben hat, werden die Plätze vergeben. Platz Eins und Zwei dürfen an einem Seminar in Rotfels teilnehmen. Die Siegerin aus der ersten Gruppe heißt Helene Martinez-Krieger. Vor ihrem Auftritt wäre sie sehr aufgeregt gewesen, sagt die 14-Jährige. "Aber es hat Spaß gemacht und bin mit einem guten Gefühl aus der Debatte raus gegangen." Das Hauptkriterium für ihren Sieg war ihre Souveränität.

Mehr debattieren!

Die zweite Gruppe, im Alter von 15 bis 17 Jahren, kommt nach vorne. Ihre Streitfrage musste spontan geändert werden, da ein Tag zuvor festgelegt wurde, dass Berlin sich nicht für Olympia 2024 bewirbt. Die Jahreszahl fiel weg, es wird nun die Frage diskutiert, ob Berlin sich im Allgemeinen für Olympia bewerben sollte.

Die zweite Gruppe wirkt auf mich strukturierter und selbstbewusster als die erste. Im Interview wird dann klar, dass die vier Jungs deutlich mehr Erfahrung haben. Ein Debattierender spricht lauter ins Mikrofon, es ist mehr Streitlust zu spüren. Das Publikum ist nicht mehr so konzentriert wie bei der ersten Gruppe, jedoch gibt es viele unterschiedliche Meinungen, als die Moderatorin nach der Debatte ins Publikum fragt, wen die Pro- und wen die Kontraseite überzeugen konnte.

Als die Juroren ihr Gesamturteil verkünden, wird besonders die Sachkenntnis gelobt. Der Gewinner heißt Raimund Reck. Er bekommt Lob für seine Redegewandtheit. "Letztes Jahr war ich ein Sachwissenszwerg, der nur seine Studien raus gehauen hat und nicht auf die anderen eingegangen ist. Jetzt habe ich gelernt, flexibel zu sein", sagt der 16-Jährige.

Dem kann ich nur Zustimmen. Bei Reimund hatte ich das Gefühl, dass er sich mit seiner Sicherheit durchgesetzt hat. Er war sehr konzentriert und hat Argumente gebracht, die er erst im Gespräch aufgegriffen hat, wie er später erzählt. Im Berufsleben ist es nicht nur als Politiker oder Jurist vom Vorteil Pro und Kontraseiten geschickt auszuwiegen. Auch in Fächern wie Physik, Sozialkunde oder dem Ethikunterricht wird verlangt ein konzentriertes  und offenes Auftreten zu haben. Ich halte das Debattieren notwendig um konzentrierter zu werden mehr Sicherheit zu bekommen und zu lernen Meinungen zu akzeptieren. Somit würde ich in der Schule gerne mehr debattieren.

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Duygu Akay, 15, Melina Zeeb

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