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Berlin: Jugendgewalt bleibt das drängendste Problem

Die wenigsten Straftaten seit der Wende und eine höhere Aufklärungsrate – der Polizeipräsident ist trotzdem nicht zufrieden

Die Zahl der Straftaten ist erstmals seit der Wende auf unter 500 000 gesunken. Die Aufklärungsquote stieg von 48 auf 50,2 Prozent, das zweitbeste Ergebnis seit zehn Jahren. Große Rückgänge gab es bei Diebstahl (8,3 Prozent), Rauschgift (14,5 Prozent). „Berlin ist wieder ein wenig sicherer geworden“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bei der Vorstellung der neuen Kriminalstatistik. Die Aufklärungsquote sei „hervorragend“. Gestiegen sind die Zahlen unter anderem bei Mord und Totschlag (plus 16 Prozent), Körperverletzungen (plus 5,4 Prozent) und Verletzung der Fürsorgepflicht (plus 85 Prozent). Während Letzteres auf einer gestiegenen Anzeigebereitschaft beruhe, sei der Anstieg bei Mord ein statistischer Ausreißer: Der Amoklauf am Hauptbahnhof ging als 37 Einzeltaten in die Statistik ein. Die Zahl der getöteten Personen sank dagegen von 69 auf 62.

Polizeipräsident Dieter Glietsch sprach insgesamt von einer „nicht zufriedenstellenden, sondern durchwachsenen Bilanz“. Neben der stark gestiegenen Gewaltbereitschaft bei Rechtsextremisten sei vor allem die Jugendgruppengewalt um 8,4 Prozent bedenklich gestiegen. Während jeder siebte deutsche Jugendliche 2006 einmal durch eine Straftat auffiel, war es jeder dritte ausländische Jugendliche, heißt es in der Kriminalstatistik. Insgesamt hatten sogar 45 Prozent aller jungen Gewalttäter einen Migrationshintergrund (Vorjahr: 43 Prozent); bei so- genannten Intensivtätern sind es knapp 80 Prozent. In dieser nur für den Bereich Jugendgewalt erfassten Zahl werden Personen mit ausländischem Pass und Eingebürgerte addiert. In der restlichen Statistik wird nur unterschieden in Deutsch und Nichtdeutsch. Demnach haben 31 Prozent aller erwischten Straftäter einen ausländischen Pass, wie viele einen Migrationshintergrund haben, wird nicht erfasst. Das Gleiche gilt auch für die Nationalität der Opfer.

Polizeipräsident Glietsch sagte, dass die hohe Kriminalität ausländischer Jugendlicher vor allem soziale Gründe habe. Er forderte, die Chancen für sie zu verbessern – „das kann die Polizei aber nicht“. „Wer keine Perspektive sieht, wendet sich aggressiv gegen diese Gesellschaft“, sagte Glietsch. Innensenator Körting lobte, dass die Justiz härter geworden sei. „Man darf nicht alles schönreden“, sagte der SPD-Politiker. „Über den Kopf streicheln und ’du-du’ sagen“ reiche nicht. Körtings Fazit: „Falsche Milde schafft neue Taten.“ Deshalb begrüße er, dass die Justiz jetzt sogenannte Schwellentäter mit einer eigenen Abteilung der Staatsanwaltschaft verfolge. Dieses Konzept wird seit 2003 erfolgreich bei Intensivtätern angewandt. Die Zahl der bei der Polizei erfassten Intensivtäter (mehr als zehn Taten pro Jahr) stieg im letzten Jahr von 2800 auf fast 3200. Sie haben 23 Prozent aller aufgeklärten Straftaten begangen.

Die neue Kriminalstatistik stieß auf ein geteiltes Echo. Positiv äußerten sich neben der rot-roten Koalition die Grünen. Fraktionschef Volker Ratzmann sagte: „Wir sollten genießen, dass Berlin im internationalen Maßstab eine sichere Stadt ist.“ Dies dürfe man nicht „kaputtreden“, mahnte Ratzmann die CDU. Der CDU-Abgeordnete Frank Henkel nannte es „ein Märchen, dass Berlin sicherer geworden ist“. Der FDP-Abgeordnete Björn Jotzo betonte, dass die positive Bilanz vor allem einem Rückgang der Zahl der Diebstähle um 17 000 Taten zu verdanken sei.

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